Erich Kummerow: Bericht über einen Besuch von Landerziehungsheimen (1920). Hrsg. und mit einer Nachbemerkung versehen von Dietmar Haubfleisch, Marburg 1999: http://archiv.ub-uni-marburg.de/sonst/1999/0012.html



Erich Kummerow


Bericht über einen Besuch von Landerziehungsheimen (1920)


Hrsg. und mit einer Nachbemerkung versehen von Dietmar Haubfleisch



Marburg 1999

http://archiv.ub.uni-marburg.de/sonst/1999/0012.html





((ungezählte Titelseite))


ERICH KUMMEROW

Bericht über einen Besuch von Landerziehungsheimen (1920)



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[...]. Der wahre Wert einer Anstalt läßt sich nicht in wenigen Tagen feststellen; vieles blendet im Anfange und zerrinnt bei näherem Hinsehen in nichts; anderes gewinnt an Wert und Gewicht, je länger man sich damit beschäftigt.

Ich besuchte die Lietz'schen Landerziehungsheime in Ilsenburg am Harz, auf Schloß Bieberstein in der Rhön (Leiter: Dr. [Alfred] Andreesen) und in Gaienhofen am Bodensee (Fräulein Dr. Müller), ferner die freien Schulgemeinden zu Wickersdorf in Thüringen (Dr. [Gustav] Wyneken), die Odenwaldschule in Oberhambach bei Heppenheim ([Paul] Geheeb) und die Dürerschule zu Hochwaldhausen in Oberhessen (G.[eorg Helmuth] Neuendorff). Außer Geheeb, der zur Reichsschulkonferenz einberufen war [Anm 1], lernte ich alle Leiter kennen und bewahre die besten Eindrücke von ihnen. Auch Dr. Wyneken, von dem ich mir aus seinen Schriften ein ganz anderes Bild gemacht hatte, zeigte sich als liebenswürdiger und verträglicher Mann, bei dem sich auch bei gelegentlich gegensätzlichen Anschauungen gut verhandeln ließ.

In den Leitern, Lehrern und Lehrerinnen traten mir vortreffliche Männer und Frauen entgegen, die geistig bedeutend und von idealer Weltanschauung, erfüllt von einer brennenden Liebe zur Jugend, mit hingebender Treue ihres Amtes an der Jugend walteten. Wie viele hatten nicht ein sicheres Brot im öffentlichen Schuldienst aufgegeben, um bei mageren Einkünften, fast ohne Sicherheit für Krankheit und Alter der Verwirklichung ihrer pädagogischen Ideen zu leben.

Ich habe zu meiner Freude in den von mir besuchten Schulen bis auf eine das denkbar größte Entgegenkommen gefunden, und, soweit es möglich war, ihre Gastfreundschaft genossen; ich wohnte nicht nur dem Unterrichte bei, sondern nahm auch an dem sonstigen Schulleben von früh bis zum Abend teil, um ein klares Bild zu gewinnen; eingehende Gespräche mit den Leitern, Lehrern, Schülern und Schülerinnen boten mir weiteres Material für mein Urteil; vieles wußte ich aus den mir zugänglichen Schriften und

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Programmen. Das einzige, dem ich wie jeder Gast, nach den geltenden Bestimmungen fern bleiben müßte, waren die "Schulgemeinden", von denen später noch die Rede sein wird; doch wurden mir Niederschriften über die Verhandlungen und Übersichten über die Beratungsgegenstände, wo ich darum bat, gern zur Verfügung gestellt. Die geringste Ausbeute hatte ich von dem Landerziehungsheim für Mädchen in Gaienhofen. Es stand vor dem Kriege in enger Beziehung zu dem Landerziehungsheim in Glarisegg auf dem nahen schweizerischen Ufer des Bodensees; jetzt hatte die strenge Grenzsperre jegliche Verbindung unterbrochen, und die Lehrer von Glarisegg, welche vorher einen Teil des Unterrichts in Gaienhofen gaben, konnten nicht mehr herüber kommen; Ersatz war nicht zu finden und so machten sich erhebliche Lücken bemerkbar. Auch die Leiterin war recht zurückhaltend, so daß mir der rechte Anschluß fehlte.

Im folgenden gebe ich die Erfahrungen meiner Reise wieder; da, wo sie mir lückenhaft schienen, habe ich zur Ergänzung mancherlei verwertet, was die einschlägige Literatur bot; das schien mir notwendig zur Abrundung, sowie zur Begründung und Vertiefung. Außerdem lag mir daran, aus den Eindrücken einen eigenen, festen Standpunkt der ganzen Reformbewegung gegenüber zu gewinnen, wie man sagt, innnerlich damit fertig zu werden. Ich habe bei der Durcharbeitung der Literatur selbst wörtliche Entlehnungen nicht gescheut, wo ich glaubte, etwas nicht besser sagen zu können, als der Autor selbst. Die entlehnten Stellen sind nicht immmer ausdrücklich als solche bezeichnet, um Fußnoten zu vermeiden; ich gebe aber am Schlusse des Berichts eine Zusammenstellung der benutzten Werke.

Was den Unterricht anlangt, so beschränke ich mich auf eine Besprechung derjenigen Lehrfächer, deren Inhalt oder methodische Behandlung von dem Hergebrachten abweicht und die im besonderen Gegenstand des Kampfes der Schulreformer sind.


Koedukation.

Die Landerziehungsheime nehmen seit Jahren neben den Knaben auch Mädchen auf. Man geht von der Voraussetzung aus, daß eine völlige Trennung der Geschlechter von Jugend auf oft ein ungesundes schwüles Verhältnis zwischen ihnen erzeugt, so daß die Be-

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ziehungen leicht etwas Verstecktes bekommen. Dagegen ergebe sich durch das Zusammenleben und Zusammenarbeiten ein kameradschaftlicher, natürlicher und unbefangener Verkehr, der die durch die Absperrung begünstigten Spannungen mildere und einer Überreizung der erotischen Phantasie vorbeuge.

Man ist sich natürlich klar, daß die Anerkennung dieses Grundsatzes nicht zur mechanischen Gleichheit in der Erziehung und zur Vernachlässigung der großen Unterschiede der körperlichen und geistigen Kräfte und Anlagen und der verschiedenen Bestimmung beider Geschlechter führen dürfe, Unterschiede, die deutlich erst mit den Entwicklungsjahren hervortreten.

Leider decken sich in den Heimen Theorie und Praxis nicht. In Wirklichkeit ist es so, daß nur bis zum 12. Lebensjahre die Zusammenerziehung von Knaben und Mädchen rückhaltlos durchgeführt wird. Für die nächsten Jahre, wo beide Geschlechter zur Reife heranwachsen oder herangewachsen sind, findet eine sehr genaue Auslese der Mädchen statt, und es werden nur diejenigen behalten, welche besonders sachlich und wissenschaftlich gerichtet sind. Tatsächlich befanden sich dann auch unter den 70 Zöglingen der Prima und Sekunda nur 2 Mädchen. Es ergeben sich, so urteilt Dr. Andreesen, durch das Zusammenleben der älteren Knaben und Mädchen in vielen Fällen Übelstände. Einmal könne der Vorgang der Geschlechtsreife vorzeitig beschleunigt werden; der Kampf mit dem Triebleben, welcher in der engen Gemeinschaft des Internatslebens gesteigert auftrete führe auch sehr leicht zu Störungen des Nervensystems. Andererseits ergäben sich für beide Teile dadurch Hemmungen, daß die Hinneigung zum anderen Geschlecht bei den Knaben feminine Eigenschaften, bei den Mädchen dagegen unweibliches, burschikoses Wesen hervortreten lasse.

Mir will scheinen, daß die Befürchtungen, die Andreesen in dem Verkehr der erwachenen Geschlechter sieht, übertrieben und das vereinzelte ungünstige Erfahrungen in unzulässiger Weise verallgemeinert worden sind. Im allgemeinen ist es doch keineswegs so, daß durch die gemeinsame Erziehung die Jünglinge verweichlicht wer-

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den und die Mädchen verwildern. Gerade das Umgekehrte findet statt. Jedes Geschlecht bestärkt das andere in den ihm eigentümlichen Eigenschaften und läutert diese. Da sich beide immer miteinander vergleichen, so bewirkt der Verkehr ganz von selbst eine heilsame Kritik und Selbstkritik.

Soweit ich in Ilsenburg, bei den Kleinen, den Verkehr zwischen Knaben und Mädchen - diese machten etwa ein Drittel der Gesamtzahl (90) aus - außerhalb der Schulstunden habe beobachten können, war er durchaus harmlos und einwandfrei. Die Mädchen waren frei von jeder Gefallsucht und Ziererei und wurden von den Knaben durchaus als ihresgleichen behandelt; von besonders wildem Spiel hielt sich die eine oder andere zurück. In Bieberstein waren die wenigen Mädchen überaus zurückhaltend; ich hatte den Eindruck, sie fühlten sich ziemlich vereinsamt.

Viel entschiedener haben die freien Schulgemeinden die Koedukation durchgeführt. Der Typus des Menschen, sagt Wyneken, ist weder Mann noch Weib, sondern der Inbegriff beider. Ist es Zweck und Ziel der Schule, zum echten Menschentum zu erziehen und die Jugend zur Teilnahme am Leben der Menschheit fähig zu machen, so ist die Trennung von Knaben und Mädchen bei der Erziehung durch nichts begründet; eine gegenseitige Hemmung ist normalerweise zu befürchten.

Dabei weiß Wyneken natürlich sehr wohl, daß bei dem kameradschaftlichen Umgange der beiden Geschlechter das Bewußtsein der geschlechtlichen Verschiedenheit und erotisches Gefühl nicht eliminiert werden kann. Die Anziehung der Geschlechter besteht nun einmal nach dem Willen der Natur und wird bestehen, so lange es eine Jugend gibt, und es ist nicht das verkehrteste und erfolgloseste Unternehmen, den Trieb als nicht vorhanden anzusehen oder als feindlich zu unterdrücken. Gerade die Mißachtung des Triebes hat zur Folge gehabt, daß sich in der Dunkelheit Rohheit und Schmutz ungestraft und um so verderblicher entfalten. Vielmehr muß der Sexualtrieb erzogen und veredelt werden, um seine verwüstenden Wirkungen zu paralysieren und ihn höhe-

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ren Interessen dienstbar zu machen. Der Sexualtrieb ist ja doch nur ein Teil jener gewaltigen, den ganzen Menschen umfassenden Kraft, des Eros; und dieser begreift in sich nicht nur die sinnliche und seelische Hingabe von Mensch zu Menschen, sondern auch die Hingabe des Ich an Natur, Wissenschaft, Kunst und Sittlichkeit. Gerade die Pubertätszeit macht den Drang offenbar, sich mit großen Erlebniswerten zu erfüllen, sich zum Guten und Schönen entgegenzusehnen, wie die Blüte, die der Sonne zustrebt. Gelingt es der Erziehung, den Sexualtrieb durch Mobilmachung seelischer Kräfte zu veredeln, so ist die schlimmste Gefahr, daß er die Jugend herabzieht und niedrigen Instinkten dienstbar macht, beseitigt. Dann mögen Knaben und Mädchen unter den Augen durchgebildeter Erzieher und Erzieherinnen mit einander aufwachsen, und sie werden aus ihrem Verkehr seelischen Reichtum und sittliche Kraft ins Leben hinausnehmen.

Ich kann mich dieser Auffassung nur anschließen und sehe bei hinreichender Aufsicht in der Koedukation der Geschlechter nicht nur keine ernste Gefahr, sondern eine so große Bereicherung des Lebens beider Geschlechter, daß ihr gegenüber Bedenken und Zweifel nicht ins Gewicht fallen können. Es ist auch gar keine Frage, daß das Verhältnis zum anderen Geschlecht in der Zeit der Jugend entscheidend ist für die Stellung, die der Erwachsene zum anderen Geschlechte einnimmt, entscheidend für seine Stellung zur Sittlichkeit, zur Liebe und Ehe. Und damit gewinnt die Koedukation eine eminent soziale Bedeutung.

Daß durch die gemeinsame Erziehung nicht die natürlichen Unterschiede der Geschlechter, das verschiedene Tempo der körperlichen und geistigen Entwicklung und die verschiedene Leistungsfähigkeit verwischt werden, daß den Mädchen das Vorbild und der Umgang feiner, freier und edler Frauen (aber nicht typischer Lehrerinnen) nicht vorenthalten werden darf, um mädchenhafte Haltung und gesellige Formen sich eigen zu machen, wird von Wyneken und den anderen Vertretern freier Schulgemeinden durchaus anerkannt.

In praxi habe ich von dem Zusammenleben der Knaben und Mädchen

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an allen Schulen einen erfreulichen Eindruck erhalten. Es waren da Kinder beiderlei Geschlechts, von 3. bis 18. Lebensjahre. In der Odenwaldschule spielten die Kleinen, Knaben und Mädchen, oft in gleichem Kostüm und kaum zu unterscheiden, fröhlich zusammen, nahmen auch bis zum Alter von 8 Jahren das Luftbad gemeinsam. Ebenso kameradschaftlich verkehrten die Älteren miteinander. In Wickersdorf haben sie volle Freiheit der Bewegung, machen gemeinsam Spaziergänge, besuchen sich gegenseitig in ihren Zimmern und das alles ohne jede ängstliche Bevormundung und Aufpasserei, und doch habe ich von Flirt trotz scharfen Hinsehens nichts gemerkt.

Jedenfalls verleiht die Kameradschaft zwischen männlichen und weiblichen Elementen dem ganzen Internatsleben einen freudigen, schwunghaften Charakter. Die Männlichkeit, Gradheit und Kraft des Jünglings beschwingt das Wesen des Mädchens, und die Zartheit und Geschlossenheit der weiblichen Psyche mildert die Wildheit und das ungebundene Wesen des Jünglings. Gewiß kommt es vor, daß ein älterer Schüler ein Mädchen lieb gewinnt. Wie stellt sich die Schule dazu? Wyneken hat auch hierauf die, wie mir scheint, einzig richtige Antwort gegeben: Liebe ist unter allen Umständen ein heiliges Gut, und der Erzieher hat ihr, wo immer er sie in der Jugend aufglimmen sieht, mit Respekt zu begegnen, zum mindesten mit Respekt in seinen Gedanken und mit Takt in seinen Äußerungen. Er wird nicht einen Zustand der Seele verwünschen, in dem sie ihre ganze Kraft der Hingebung, ihre höchste Schönheit und Zartheit offenbart. Ebenso denkt man in der Odenwaldschule, und man hat mir gesagt, daß bei dem gegenseitigen tiefen Vertrauen zwischen Erzieher und Zögling sich dieser in seiner Herzensnot noch immer an den Erzieher gewendet und um seine Hilfe gebeten habe. Der habe dafür gesorgt, daß die Zuneigung rein und innerhalb der schicklichen Grenzen geblieben sei, damit das Erziehungswerk der Schule nicht gefährdet wurde.

Noch ein Wort über die sogenannte sexuelle Aufklärung. Ich glaube, man ist sich in den von mir besuchten Schulen darüber einig, daß sie zunächst Aufgabe der Familie sei, aber auch darüber,

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daß die Familie reichlich oft hierin versage und es ruhig zugebe, daß die Aufklärung von unberufener Seite und in einer Weise erfolgt, daß die Phantasie vergiftet und häßliche Neugierde erzeugt wird. Die Schulen weisen jedenfalls die Aufklärung dem biologischen Unterricht zu und stellen dabei als Grundsatz auf, daß natürliche Vorgänge dem natürlichen Wissenstriebe des Kindes nicht verschleiert werden dürfen. Auf die weitergehende Forderung Wynekens, daß die Jugend an den Anblick nackter Körper beider Geschlechter zu gewöhnen sei, um lüsterner Neugier und sexuellen Spannungen den Boden zu entziehen glaube ich wenigstens hinweisen zu sollen, bemerke aber ausdrücklich, daß Wyneken praktische Folgerungen daraus nicht abgeleitet hat.

Noch ein Wort über den Tanz in diesem Zusammenhange. Der Tanz, wie er heute geübt wird, dient bestenfalls der Befriedigung einer glatten Vergnügungssucht, meist jedoch gradezu der Sinnlichkeit und bezweckt nichts weiter als die körperliche Annäherung und Berührung der Geschlechter. Sein ursprünglicher Sinn, das Bedürfnis nach rhythmischer Betätigung zu befriedigen, ist verloren gegangen. Die Dürerschule, aber auch die Schulgemeinde Wickersdorf sehen es als nicht unwesentlichen Teil ihrer Erziehungsaufgabe an, den Tanz seiner ursprünglichen Bestimmung wiederzugeben, ihn so dem sexuellen Dienste ganz zu entziehen und damit der Jugend zu einer edleren Wertung des menschlichen Körpers zu verhelfen. Er soll - so drückt es die Dürerschule aus - als Abfolge organisch verbundener schöner und zweckvoller Körperbewegungen eine wertvolle Gymnastik sein und in schwierigeren Formen sogar eine Gymnastik des Geistes und Willens bedeuten. Er soll aber auch, aus dem Reich der reinen Bewegung herausgehoben, mit sinnvollem Inhalt erfüllt und dadurch zur Kunst werden, sei es daß er äußere Erscheinungen der Natur und Vorgänge des Menschenlebens nachahmend und symbolisierend darstellt oder schließlich zu spontaner Äußerung innerer Erlebnisse, zum Ausdruck von Gefühlen und Stimmungen (Freude, Trauer, Kraftgefühl usw.) dient. Auch ein musikalisches Geschehen, der Fluß einer Melodie mag sich durch den

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Tanz ins Körperliche übersetzen lassen.

Leider habe ich keine Gelegenheit gehabt, Proben solcher Tanzkunst weder in Wickersdorf noch in der Dürerschule zu sehen. Der Krieg hat, wie mir gesagt wurde, sehr erfreuliche Anfänge vernichtet; die Schulen hoffen aber, die Übungen bald wieder aufnehmen zu können. Ich bin durchaus der Meinung, daß damit etwas für die Sexualerziehung Wertvolles geleistet wird, zumal wenn man berücksichtigt, von wie unheilvoller Bedeutung oft die übliche Tanzstunde und alles, was sich an Erlustigungen daran schließt, für die sittliche Entwicklung so manches Schülers ist.


Selbstregulierung und Schulgemeinde.

Die Erziehung zu sozial empfindenden und handelnden Staatsbürgern ist die vornehmste Aufgabe der neuen Erziehungsschule. Die Landerziehungsheime betonen mit Recht, daß das nicht durch Lehre, sondern nur durch Übung erreicht werden kann. Die Jugend muß als selbstständiges Glied in eine Gemeinschaft hineingestellt und mit Verantwortung betraut werden; nur so kann sie ein Gefühl für ihre Verpflichtungen gegen die Gemeinschaft erlangen und sich mitverantwortlich für das Wohl und Wehe des Ganzen fühlen. Mit zunehmender Reife muß der soziale Pflichtenkreis wachsen. Es ist die Kunst des Erziehers, sich hier wie auf den anderen Gebieten der Erziehung als Leiter der Jugend mehr und mehr entbehrlich zu machen und zum bloßen Berater zu werden. Dem Zwecke der sozialen Erziehung dient die Selbstregierung und das Gemeinschaftsleben der Schüler.

Beginnen wir mit den Landerziehungsheimen. Bei den Kleinen beschränkt sich die Selbstregierung auf die äußere Ordnung in der Klasse und im Schulleben, so sind ihnen z.B. das Läuten, Wecken, Lichtlöschen, die Ofenheizung übertragen; auf der Mittel- und Oberstufe sind Arbeitsgemeinschaften für das Turnen, Spiel, Theater, Handwerk, den Gartenbau und für wissenschaftliche Übungen die Träger der Selbstregierung. Auch die Verantwortlichkeit für die Bibliotheken und Sammlungen liegt in den Händen gewählter Schüler. Selbst für gewisse Zweige des wirtschaftlichen und technischen Betriebes kann ein älterer Schüler zum verantwortlichen Verwalter ernannt

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werden. So war in Bieberstein ein Primaner Verwalter des Botanischen Gartens, eine anderer betreute die elektrischen Leitungen und die Lichtanlagen.

Die Pflege des Gemeinschaftslebens liegt in erster Linie den Heimgemeinschaften, den sogenannten Familien ob. 8 bis 12 Kinder sind unter die Obhut eines Erziehers, des Familienvaters, gestellt. Er wohnt mit ihnen, teilt auch oft ihr Schlafzimmer, wandert und spielt mit ihnen, berichtet den Angehörigen über Ergehen und Verhalten seiner Pfleglinge, kurz trägt die nächste Verantwortung für ihr leibliches, geistiges und sittliches Wohl. Bei den gemeinsamen Mahlzeiten sitzen die Familien an besonderen Tischen zusammen, wöchentlich einmal haben sie ihren Familienabend, auch der Sonntag und die freien Nachmittage werden gemeinsam verbracht.

Abgesehen davon, daß diese Familienerziehung für die Kleinen deshalb notwendig ist, weil sie allenthalben noch der Pflege bedürfen, ist ihr Hauptzweck der, daß die Mitglieder bewußt oder unbewußt lernen, daß jeder Mensch einer Gemeinschaft angehört und ihr gegenüber Pflichten zu erfüllen hat. Hier werden die sozialen Tugenden der Verträglichkeit, Hilfsbereitschaft und Selbstbeschränkung der Ordnung, Höflichkeit und Nahrhaftigkeit durch die tägliche Übung, zumal unter der Wirkung des guten Beispiels der Erwachsenen sich in Gesinnung, Wort und Tat von selbst einstellen.

Bei den älteren Schülern, insbesondere bei den Primanern und Sekundanern in Bieberstein, tritt die soziale Erziehung in der Familie und durch sie, nicht so stark mehr hervor, hier bilden die wissenschaftlichen, künstlerischen und sozialen Neigungen der Schüler und die dadurch bedingten Bindungen den stärksten Antrieb zum Gemeinschaftsleben.

In weiterem Umfange dienen dann besondere Veranstaltungen der ganzen Schulgemeinde dem Zwecke, das Verständnis für die Lebensaufgaben der Gemeinschaft und die Teilnahme an der Selbstverwaltung zu fördern. Es sind die sogenannten freien Abende, die etwa alle 14 Tage stattfinden. Hier hat jeder die Gelegenheit und das Recht, Anfragen und Anträge zu stellen, die Unterricht und Erzie-

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hung betreffen, Beschwerden vorzubringen, sich dazu zu äußern und abzustimmen. Aber er hat auch die Pflicht, wenn es verlangt wird, über sein Tun und Lassen, über größere und kleinere Missetaten, über Führung von Schulämtern usw. Rechenschaft abzulegen. Alle können sich zum Worte melden und frei ihre Meinung sagen. Verpönt aber ist jede Angeberei, liebloses Urteil und Nörgelei, leeres Geschwätz und Phrasentum. Die letzte Entscheidung über Anträge steht beim Leiter der Schule; aber er kann sie auch der Schülerschaft überlassen und tut es auch, wenn es sich um minder Wichtiges handelt oder keine schlimmen Wirkungen des Beschlusses vorauszusehen sind. Lietz urteilt in seinen Berichten über die Erfahrungen, die er mit den freien Abenden gemacht habe, außerordentlich günstig, und sein Nachfolger Dr. Andreesen hat mir das selbst gesagt. Es werde Freimut, Verständnis und Verantwortlichkeitsgefühl für die Zwecke der Anstalt und der Wille zur Mitarbeit bei ihrer Verwirklichung erweckt und gestärkt. Besonderer Anerkennung wert sei auch der sittliche Ernst mit dem die Verhandlungen geführt werden.

Daß die freien Abende bei den Kleinen und bei den Ältesten besser gelingen als in dem Übergangsalter, ist mir mehrfach berichtet. Die Kleinen offenbaren mit kindlicher Unbefangenheit ihre Gefühle und Meinungen, die Erwachsenen zeigen eine gewisse Reife des Urteils und zielbewußtes Wollen. Dem mittleren Alter fehlt beides, und darum halten sich gerade die Besten stark zurück.

Ich möchte hier gleich ein Wort über die abendlichen "Kapellen" hinzufügen; sie sind zwar ihrer Natur nach zunächst Bildungsmittel, aber haben doch in ihrer eigenartigen Ausgestaltung für das Gemeinschaftsleben der Schule und den engen Zusammenschluß und die Einwirkung auf das Gemüt einen hohen Wert, der immer wieder gerühmt wird. Die Kapellen finden nach dem Abendessen Sonntags und viermal Wochentags statt. Ich habe in Ilsenburg wie in Bieberstein gern daran teilgenommen und erinnere mich der weihevollen Stunden mit besonderer Freude. Ihr Verlauf ist folgender: Die ganze Schulgemeinde, Erzieher und Zöglinge, versammeln sich zur Kapelle im schönsten und größten Raume des Heims. Die Kleinen lagern sich, soweit sie nicht

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Platz auf Bänken finden, auf dem Fußboden - ein reizvolles Bild. Zuerst wird ein Stück guter Musik auf dem Flügel vorgetragen oder ein stimmungsvolles Lied gesungen. Dann folgt eine Vorlesung des Leiters aus dem Besten unserer Literatur. Die Kleinen hören am liebsten Märchen und Heldensagen; ich hörte über Parzivals Leben und Irrfahrten vorlesen (Nebenbei sei bemerkt, daß die Landerziehungsheime den Helden Parzival, den "reinen Toren", dessen Lebensinhalt die Treue war, als ihren Schutzpatronen verehren. Sein Bild mit der Umschrift: Doch ein gerechter stäter Sinn, der wandelt leicht zum Lichte hin, ziert das Titelblatt aller Veröffentlichungen der Landerziehungsheime). In Bieberstein vernimmt man vor allem die Klassiker alter Zeiten und besonders solche Werke, in denen bedeutsame nationale, religiöse und philosophische Fragen allgemein verständlich und in anregender Darstellung behandelt werden. Das können natürlich auch Romane und Novellen sein. Ich hörte z.B. eine tragische Novelle von Storm; war es Hans und Heinz Kirch? - es handelte sich um die inneren und äußeren Konflikte eines jungen Mannes, der vom kirchlichgläubigen Vater für die Theologie bestimmt, gegen dessen Willen und der eigenen Übersetzung folgend das Studium der Naturwissenschaft erwählt. Die Erzählungskunst Meister [Theodor] Storms ist bewundernswert und verfehlte ihren Eindruck nicht, aber die Handlung rückt doch nur sehr langsam vorwärts, und das beeinträchtigte die Wirkung. Die Auswahl ist eben sehr schwierig, da einmal bloße Unterhaltungslektüre, aber auch alles Unterrichtsmäßige und Erbauliche, das die Schüler kalt läßt, vermieden werden muß. Stoffe, die sich bewährt haben, zählt Lietz in seinen Schriften verschiedentlich auf (z.B. in dem Buche: Die ersten drei Landerziehungsheime S. 59 Verlag des Landwaisenheimes a.S. Ilse 1917) [Anm 2].

Die Kapelle dauert bei den Kleinen ungefähr eine Stunde, bei den Älteren länger. Ein Lied des Chors, ein kurzes Spiel des Musiklehrers zum Schluß, und dann kommen alle, um dem Leiter die Hand zur Gutenacht zu reichen.

Ist in den Landerziehungsheimen bei aller Selbstbestimmung der Schüler die Regierung als konstitutionelle Monarchie zu bezeich-

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nen, so ist sie in den freien Schulgemeinden durchaus demokratisch. Man geht von der Erwägung aus, daß unsere öffentliche Schulen die Jugend unberechtigter Weise einzig als die Vorbereitungszeit für die Zukunft ansehen; deshalb forme man sie nach dem Bilde des Erwachsenen und treibe ihr allmählich die Jugend aus. Demgegenüber vertreten die freien Schulgemeinden den sehr richtigen Standpunkt, daß die Jugend vor allem ihren eigenen Wert und ihr eigenes Recht habe, daß auch sie eine besondere und unersetzbare Art menschlichen Seins, darstelle. Unter diesem Gesichtspunkte müsse man ihr so viel als möglich die Freiheit lassen, sich selbst die ihr gemäße Lebensform zu schaffen, Werte und Ideale zu pflegen, die dem jugendlichen Bedürfnisse entsprechen.

Daß trotzdem auf die Beteiligung der Erwachsenen bei der Erziehung nicht verzichtet werden könne, ergebe sich aus folgender Überlegung. Die Jugend sei sich selbst in ihrem Wollen und ihren Zielen nicht klar, sie ahne oft mehr das ihr wahrhaft Gemäße, aber sie könne es nicht immer in Form, Wort und Begriff kleiden, es auch nicht in Handlungen umsetzen. Hier zu helfen, Handreichung zu leisten, sei die Aufgabe des Erziehers; aber die Hilfe sei nur insoweit zu gewähren, um die eigene Kraft des Zöglings zu wecken und zu beleben.

Die Form der Ertüchtigung ist deshalb die einer lebendigen Wechselwirkung zwischen Erzieher und Zögling, ein kameradschaftliches Vertrauensverhältnis, in dem beide, Erzieher und Zögling, mit gleichen Rechten und Pflichten an einer gemeinsamen Aufgabe beteiligt sind.

Hieraus ergeben sich nun sehr wesentliche Folgerungen: Die Erzieher sind nicht Vorgesetzte, sondern Helfer und Führer, ältere Kameraden ihrer Zöglinge, und die Zöglinge sind nicht eine stumme tote Masse, mechanisch Gehorchende, sondern beide sind gleichberechtigte und gleichverpflichtete freie Menschen, die in kameradschaftlichem Einverständnis das Werk der Schule fördern und dabei in Formen verkehren, welche wohlanständigen, gleichberechtigten Menschen angemessen sind.

Dementsprechend baut sich in Wickersdorf das Gemeinschafts-

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leben in ganz demokratischer Weise auf. Die Schülerschaft ist zunächst in Kameradschaften gegliedert; sie entsprechen im allgemeinen den Familien in den Landerziehungsheimen. Wie in diesen gruppieren sich die Schüler um einen Erzieher. In den Kameradschaften vollzieht sich die Kleinarbeit, die wirkliche Durchführung und Kontrolle des Gemeinschaftslebens. Die Kameradschaftsglieder wohnen nicht zusammen, sondern nach Geschlechtern getrennt (Die Mädchen haben ein eigenes Haus) und innerhalb der Geschlechter nach Altersstufen. Eine Kameradschaft kann aber alle Altersstufen und beide Geschlechter umfassen. Ihre Mitglieder sitzen bei den Mahlzeiten zusammen, und der Mittwochabend ist für ihre geselligen Veranstaltungen freigehalten. Die Kameradschaften kommen durch eine doppelte Wahl zusammen. Der neueintretende Zögling kann zunächst die Kameradschaft wählen, in die er eintreten möchte; er fragt dort an, und sie entscheidet, ob sie ihn aufnehmen will. Daß hierbei Irrtümer und gegenseitige Enttäuschungen vorkommen, ist, wie mir zugestanden worden ist, keine Seltenheit. Abhilfe wird dadurch geschaffen, daß zu Ostern und Michaelis jeder berechtigt ist, die Kameradschaft zu wechseln, freilich nicht ohne Begründung und mit Zustimmung des Schulleiters. So kann sich in den Kameradschaften ein besonderer Typ und Lebensstil ausbilden und erhalten, was von Wyneken durchaus gewünscht wird, freilich mit der Einschränkung, daß die Typen der Kameradschaft nicht planlos auseinandergehen, sondern Spielarten des allgemeinen Grundtyps der Anstalt bleiben, nämlich "Diener des Geistes" zu sein.

Die Kameradschaften schließen sich in ihrer Gesamtheit zur Schulgemeinde zusammen. Die Schulgemeinde ist der Ort, an denen unter anderem der Typ der Anstalt immer von neuem geprüft und geläutert und, wenn nötig, umgestellt wird. Sie wird einberufen durch den Leiter oder, wenn mindestens ein Drittel der Stimmberechtigten die Tagung verlangt. Gewöhnlich finden in einem Quartal 4 - 8 Schulgemeinden statt. Sie verhandelt in parlamentarischen Formen, will aber weder Parlament spielen noch bloßer Redeübung dienen.

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Der Schulgemeinde werden grundsätzlich alle Dinge zur Beratung und Beschlußfassung überwiesen, die nicht durch ihre technische Beschaffenheit der Leitung oder dem Lehrerrat zufallen (z.B. Festsetzung des Lehrplans, des Lehrstoffes, der Ferienverteilung, besondere pädagogische Fragen u. dgl. mehr). Im übrigen aber erstreckt sich die Aussprache auf das Kleinste wie auf das Größte der Hausordnung, auf die Tageseinteilung, Vertretung nach außen, auf Feste, Organisation usw., kurz auf alle Gebiete, die mit der allgemeinen Haltung und dem "Kulturwillen", den die Anstalt verkörpern will, zu tun haben. Es wird interessieren, eine Anzahl von Gegenständen zu erfahren, über die in den letzten Jahren in Wickersdorf verhandelt worden ist; das Verzeichnis ist mir dort freundlicher Weise zur Verfügung gestellt worden.

I. Verfassungsfragen der Schulgemeinde.

  1. Das Stimmenverhältnis.

  2. Stellung der Kleinen.

  3. Geschäftsordnung.

  4. Stellung des Leiters.

  5. Verfassung des Ausschusses.

  6. Knaben und Mädchen.

  7. Kompetenz des Lehrerrates.

  8. Kameradschaft.

  9. Auswärtige Mitglieder.

  10. Mädchenrat.


II. Haltung, Stil, gemeinsame Interessen.

  1. Disziplinlosigkeit (Schlafsaalprügeleien, Respektierung der Privatzimmer, Lärmen, Singen, Peifen, Schweigen vor Veranstaltungen, Ruhe im Lesezimmmer, Verhalten gegen Neueintretende)

  2. Blasiertheit und Weichlichkeit.

  3. Verkauf des Vesperbrotes.

  4. Verkehrston gegen Erwachsene und Gäste.

  5. Verhalten in der Außenwelt.

  6. Grußformen.

  7. Klatsch.

  8. Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit (Verwendung des Taschengeldes, Verborgen von Sachen, Handels- und Geldgeschäfte unter Kameraden, Verhalten gegen fremdes Eigentum, Eßpakete, Besuch der Dorfwirtschaft, Alkohol und Tabak, Verkehr mit den Dienstboten)

  9. Stellung zu den Dorfbewohnern.

  10. Schultracht (Kleidung bei den Mahlzeiten, Sportklei-

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    dung der Mädchen).

  11. Ausschmückung der Schulräume.

  12. Ausgestaltung der Privatzimmer.

  13. Geschmacksverirrungen (minderwertige Musik, konventioneller Tanz, Gebrauch von Räucherkerzen)

  14. Tierquälerei.

  15. Privatlektüre.

  16. Beteiligung am Unterricht.

  17. Praktische Arbeit.

  18. Geburtstagsfeiern.

  19. Arbeitspflicht beim Ferienaufenthalt in Wickersdorf.

  20. Ablieferungspflicht von Freiexemplaren von Photoaufnahmen der Schule.

  21. Schutz der Kleinen.


III. Ordnung und ihre Organisation.

Tageseinteilung, Wecken, Hausordnung, Schulhofordnung, Ordnung bei Tisch, beim Vesper, beim Schlafengehen, bei der Abreise, während der Ferien; Hinausschicken vom Tisch, Ordnungsronden, Wassertrinken bei Tisch, Stille Zeit, Inspektionsbücher, Reinigung und Ausbesserung der Kleider, Aufstehen im Unterricht.


IV. Ämter und besondere Einrichtungen.

  1. Sekretär für auswärtige Angelegenheiten.

  2. Bibliothekskommission.

  3. Leibnizia-Stiftung.

  4. Plattenarchiv.

  5. Kleider, Zimmer- und Gartenkommissionen.

  6. Theaterverein.

  7. Theaterkasse.

  8. Fensterscheibenliga.

  9. Karbidliga.

  10. Bücherliga.

  11. Kriegsvorlesungen.

  12. Verbindung mit den Kameraden im Felde.

  13. Chronik der Anstalt.


V. Unterricht, Morgen- und Abendsprache.

  1. Kurssystem.

  2. Arbeitsstunde.

  3. Studientage.

  4. Chorgesang.

  5. Morgen- und Abendsprache.

  6. Abende der Dichtung.

  7. Musikalische Abendsprache.


VI. Feste und Aufführungen.

Stiftungsfest, Fichtefeier, Weihnachts- und Abschiedsfeiern, Theateraufführungen.


VII. Sport und Hygiene.

Dauerlauf, Gymnastik, Manöverspiel, Olympische Spiele, Duschen, Wintersport, Zahnärztliche Untersuchung.


VIII. Persönliche Angelegenheiten.

Verhältnis der Freien Schulgemeinden zu Dr. Wyneken. Auswärtige Mitglieder. Ehrengerichtliche Verfahren. Verweis wegen Stö-

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rung, wegen Beschädigung fremden Eigentums, Stimmrechtsentziehung wegen Eigentumsvergehens, wegen Tierquälerei, Ausweisung, körperliche Züchtigung.


IX. Zur Jugendbewegung.

Meißnertagung der Freideutschen. Stellung zur freideutschen Jugend. Tagung der entschiedenen Jugend. Zusammenhang der Freien Schulgemeinde mit der Jugendbewegung.


X. Die Freie Schulgemeinde und die Revolution.

  1. Forderung der Freien Schulgemeinde an die Regierung über die Umgestaltung des Schulwesens.

  2. Aufgaben der Freien Schulgemeinde nach dem Kriege.

  3. Weiterbildung der Kriegsprimaner.

  4. Jugendwehr.


XI. Verschiedenes.

  1. Grabdenkmal für eine verstorbene Krankenschwester.

  2. Gedächtnisrede auf Hermann Lietz.

  3. Halten von Tieren.

  4. Brieftauben.

  5. Garten- und Blumenpflege im Schulgemeindegebiet.

  6. Markensammlung.

Die vorstehenden Angaben sind deshalb so ausführlich gehalten, um zu zeigen, wie weit das Arbeitsgebiet einer Schulgemeinde bei geschickter Leitung gesteckt werden kann. Sie könnte unsern Direktoren und Lehrern wohl als Anhalt dienen, die mit der Schulgemeinde nichts anzufangen wissen.

In der Wickersdorfer Schulgemeinde herrscht für alle Redefreiheit, das Stimmrecht ist nach dem Alter bzw. nach der Dauer der Zugehörigkeit zur Gemeinde abgestuft. In der Regel haben Schüler bis zur Untertertia nur eine halbe Stimme. Die Beschlüsse werden durch einfache Mehrheit gefaßt; jeder ist daran gebunden, solange sie nicht durch neue Beschlußfassung aufgehoben werden.

Innerhalb der Schulgemeinde besteht ein Ausschuß; er besteht aus Schülern der Primen und Sekunden. Seine Bildung geschieht so, daß die Schüler dieser Klassen durch Zettelwahl diejenigen benennen, die sie für ungeeignet für den Aus-

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schuß halten. Wer mehr als ein Drittel der Stimmen gegen sich hat, darf ihm nicht angehören. Aufgabe des Ausschusses ist die regelmäßige Besprechung allgemeiner Angelegenheiten, sowie Stellung von Anträgen bei dem Leiter, dem Lehrerrate, der Schulgemeinde. Beschließende Stimme hat der Ausschuß nur in den Fällen, in denen ihm diese von der Schulgemeinde verliehen ist. Jedes Mitglied hat 1 - 3 Schüler der unteren Klassen als Schützlinge zu übernehmen, deren Haltung, Sauberkeit usw. zu überwachen und gegebenenfalls für sie einzutreten. Die Zuweisung der Schützlinge, geschieht durch den Leiter (das Amt ist sehr gesucht). Der Ausschuß tritt wöchentlich zusammen; er wählt auf ein Jahr seinen Vorsitzenden und seinen Schriftführer.

Es liegt die Frage nahe, ob nicht unter dieser Verfassung, die den Schülern fast gleiche Rechte mit den Lehrern einräumt, die Schuldisziplin und die Aufgaben der Schule leiden. Naturgemäß läßt sich darüber bei einem kurzen Besuch kein sicheres Urteil abgeben. So weit ich es habe wahrnehmen können, ist es nicht der Fall. Die Schüler sind ebenso bescheiden und ehrerbietig gegen die Lehrer, wie anderswo, und der Eifer im Unterricht läßt nichts zu wünschen übrig. Daß aber mit dieser Einrichtung in der Jugend neue bisher unbenutzte wertvolle Kräfte wachgerufen werden, leuchtet ohne weiteres ein. Vor allem wird ein Gemeingeist von hohem sittlichen Verständnis für die Notwendigkeit der Unterordnung unter die Allgemeinheit, ja geradezu Aufopferung der Interessen des Einzelnen für die Gesamtheit geweckt und gepflegt; jeder einzige weiß sich mitverantwortlich für das Wohl des Ganzen. Daneben und das ist doch auch sehr wertvoll - wird die Fähigkeit ausgebildet, Meinungen, Wünsche, Bedenken in klarer zusammenhängender Rede vor einem größeren Kreise darzulegen, Andersdenkende ruhig anzuhören, ihnen mit Achtung zu begegnen und überall über dem Trennenden das Gemeinsame zu sehen.

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Es ist bedauerlich, daß soviele Direktoren und Lehrer der Schulgemeinde ablehnend gegenüberstehen; die Sorge um Minderung ihrer Autorität, um Lockerung der Disziplin mag Grund dafür sein, und in der Tat gehört einiger Mut und der Glaube an das Gute in der Menschennatur dazu, der Jugend soviel Freiheit zuzubilligen; aber man sollte diesen Optimismus aufbringen, er wird sicher nicht getäuscht werden. Die Jugend fühlt sich glücklich in dem schönen Verhältnis von Vertrauen, Kameradschaft und Freundschaft mit ihren Erziehern und denkt garnicht daran, die ihr gewährte Freiheit zu mißbrauchen, etwa selbstischen Motiven zum Siege zu verhelfen und Interessenpolitik zu treiben. Sie weiß gut genug, daß sie der Führung und der Führer bedarf, und folgt gern der überlegenen Einsicht und Erfahrung, die in der Schulgemeinde geltend zu machen jedem Erzieher unbenommen ist.

Zweifellos muß sich der Lehrer überwinden, ein Stück seiner bisherigen Autorität aufzugeben, die er kraft seiner amtlichen Stellung besitzt. Hier, wo der Lehrer dem Zögling als Mensch zu Mensch gegenübertritt, reicht seine Autorität gerade soweit, wie sein persönlicher Wert und seine innere Überlegenheit. Wer als Lehrer an der Freien Schulgemeinde und ebenso in den Landerziehungsheimen nicht das unbedingte und beständige Vertrauen der Jugend besitzt, kann dort nicht mitarbeiten. Andererseits aber wird den tüchtigen Erziehern gern und freudig Gefolgschaft geleistet; die neue Autorität verleiht ihnen eine gewaltige Verstärkung ihres erzieherischen Einflusses.

Eigentliche Strafen sind in der Schulgemeinde überflüssig. Gewiß fehlen sie nicht ganz; aber sie erscheinen ganz im Geiste Rousseaus wie von selber als natürliche Folge von Handlungen und Unterlassungen und verlieren dadurch ihren herabdrückenden Charakter. Selbst der Ausschluß eines Schülers aus der Schulgemeinde, d.h. die Aufforderung, die Anstalt zu verlassen, kann und soll nicht als besondere Strafe

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empfunden werden, sondern als Ausdruck dafür, daß die Handlungsweise des Betreffenden dem Geiste der Schulgemeinde widerspricht, also gegen ihre Existenz und ihr Gedeihen wirkt. Sie wird erst verhängt, wenn dem Täter dreimal die Mißbilligung für sein Handeln ausgesprochen ist.

Auch die Odenwaldschule hat neben den Kameradschaften eine Schulgemeinde im demokratischen Sinne. Die Beratungen finden nach Bedarf, mindestens aber zweimal monatlich statt. Wenn ich nicht irre, haben die Kleineren, wie in Wickersdorf, auch nur halbes Stimmrecht [Anm 3].

Nicht minder will die Dürerschule eine Lebensgemeinschaft sein, in der sich Erzieher und Zöglinge freiwillig zu gemeinsamer Arbeit zusammenschließen. Ihren Ausdruck findet diese Gemeinschaft wie an den schon genannten Schulen in der Schulgemeinde, sowie in einem viergliedrigen Ausschuß von Primanern und Sekundanern, der sich nach Bedarf durch Zuwahl erweitern kann. Die Bedeutung des Ausschusses erscheint in der Odenwaldschule gegen Wickersdorf erheblich gesteigert. Er hat geradezu die Aufgabe, durch vorbildliche soziale Arbeit in der Schule die erzieherische Tätigkeit der Erwachsenen zu ergänzen und ihre Wirkung zu verstärken. Er soll dazu helfen, daß auch in den jüngeren Schülern das Gefühl der Verantwortlichkeit für den gedeihlichen Zustand der Schule geweckt und entwickelt wird. - So zweckmäßig diese Aufgabe ist, will mir doch scheinen, als ob ein nur viergliedriger Ausschuß zu klein ist, um nicht in einem großen Schulkreise übersehen zu werden.


Unterrichtsziele und Lehrplan.

Die Unterrichtsziele der Freien Schulgemeinden sind von denen der Landerziehungsheimen nicht allzu verschieden. Wie die Schulgemeinden selbst in gewissem Sinne eine Fortbildung der Heime darstellen, so sind auch ihre Unterrichtsziele eine Weiterentwicklung der Lietz'schen Absichten. Der Unterricht in den Heimen ist mehr auf das Religiöse, Vater-

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ländische gestimmt, in den Schulgemeinden tritt die christliche Religion aus ihrer Vorzugstellung in den Kreis der übrigen Religionen zurück, und das Vaterland erweitert sich zur Kulturwelt.

Beiden ist gemeinsam die Ablehnung der an den öffentlichen Schulen geltenden Lehrpläne. Die öffentlichen Schulen kranken an der Zwangsvorstellung einer falschen allgemeinen Bildung und an der Überschätzung gedächtnismäßigen, unfruchtbaren Wissens. Ehemals war das Gebiet der Studien auf den Schulen weise begrenzt. Was man wissen mußte, konnte man sich zum guten Teil gedächtnismäßig aneignen. Inzwischen dehnten sich die Wissenschaften aus, und neue kamen hinzu. Da nun die Kräfte der Lernenden nicht entsprechend wuchsen, so mußte das System früher oder später scheitern. Man macht ferner geltend, daß die Klagen über Überbürdung unserer Schüler, der Mangel an Freude an und in der Schule, die fehlende Beweglichkeit des Geistes auf das zusammenhanglose Nebeneinander von Lehrfächern und die gleichhohe Schätzung derselben zurückzuführen sei. Die Herabsetzung der Zielforderungen in den einzelnen Lehrfächern, die Verbesserung der Methode, Verminderung des Gedächtnisstoffes, und die Herabsetzung der Zahl der Extemporalien seien kein Heilmittel und könnten es nicht sein, so lange das Grundübel fortbesteht, daß der Jugend eine Fülle isolierter Wissensstoffe und damit eine Bildung zugemutet und aufgenötigt ist, die eigentlich keine Bildung ist. Wirkliches Heilmittel kann nur sein: Energische und folgerichtige Beschränkung des Stoffes nach dem Gesichtspunkte des kulturell Nötigen, des wirklich Bildenden, Fördernden und Treibenden, Selbstbetätigung der Schüler und abschließende Zusammenfassung der Unterrichtsergebnisse zu philosophischer Weltanschauung. Nur dadurch sei es möglich, Interesse, Denken und Arbeitseifer zu steigern. Daß eine Reform in diesem Sinne nicht längst ein-

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gesetzt habe, liege daran, daß die starren Bestimmungen über die Berechtigungen die Bewegungsfreiheit hemmen und Reformversuche im Keime erdrosseln. Mir scheint, daß diese Vorwürfe nur allzu berechtigt sind.

Übereinstimmung herrscht auch in der geringen Wertung der fremden insbesondere der alten Sprachen. Zwei Drittel der Zeit und Kraft, klagt Lietz, sind in den öffentlichen Schulen den fremden Sprachen gewidmet. Dabei wird mit der Fremdsprache in der Sexta begonnen, zu einer Zeit, in der die eigene Muttersprache dem Kinde noch wenig vertraut ist und es darauf brennt, die Welt um sich herum kennen zu lernen. So bleibt für die Muttersprache und wichtige Sachgebiete nicht genügende Zeit, so daß letztere oberflächlich als Nebenfächer behandelt werden, auf die bei der Versetzung nichts ankommt; so muß Interesse und die Freude daran verloren gehen. Das Schlimmste aber ist, - und hierin kann ich Lietz ebenfalls nur zustimmen - daß, solange die amtliche höhere Schule die Fremdsprachen so früh beginnt, die große Mehrzahl auch der begabten tüchtigen Volksschüler von ihrem Besuch ausgeschlossen ist. Aber auch der spätere Beginn, so füge ich hinzu, ist nicht das Heilmittel gegen diese soziale Ungerechtigkeit. Denn der allzu verkürzte Sprachunterricht bringt naturgemäß noch viel weniger Erfolge als der durch lange Jahre fortgesetzte. Es gibt keinen anderen Weg aus dem Dilemma herauszukommen als den Unterricht der Fremdsprachen überhaupt zu beschränken und die allgemeine Bildung in anderem zu suchen, als in der Kenntnis der fremden Idiome.

Wyneken hat sich besonders gegen den altsprachlichen Unterricht sehr scharf ausgesprochen, und die von ihm vorgetragenen Gründe sind nicht ohne Gewicht. Für den Kulturunterricht, so meint er, sind die alten Sprachen nicht erforderlich; ihre Kenntnis, soweit sie auf der Schule erworben wird, trägt zum Verständnis der Antike und ihres Kulturwerts kaum etwas

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bei; die Behauptung aber von der Schulung des logischen Denkens, des Sprachgeschmacks usw. durch das Studium des Lateinischen und Griechischen ist durchaus unbewiesen. Es liegt auch kein praktisches Bedürfnis vor, daß eine so große Zahl von Schülern altsprachliche Kenntnisse besitzt. Die meisten haben im späteren Leben keine Verwendung dafür, benutzen sie auch nicht als Bildungsmittel zur Lektüre; die wenigen aber, die sie für ihren Beruf brauchen (Theologen, Juristen) können sie auf der Hochschule lernen. Beide Sprachen sind Rudimente aus einem kirchlich-theologischen Zeitalter und gehören nicht mehr in unsere auf ganz andere Dinge einzustellenden Schulen. Ohne mich Wynekens Ansicht vorbehaltlos anzuschließen, möchte ich doch bemerken, daß ein so hervorragender Pädagoge und Schulmann, wie Wilh.[elm] Münch sich in ganz ähnlichem Sinne ausgesprochen hat.

Ob die modernen Sprachen, insbesondere Englisch ein Bestandteil der Normalbildung sein sollen, läßt Wyneken zweifelhaft, jedenfalls vertritt er den Grundsatz, daß es auch ohne Beherrschung einer fremden Sprache wirkliche Bildung geben kann. Zur Teilnahme am Leben des fremden Volksgeistes befähigen uns gute Übersetzungen mindestens in dem gleichen Maße wie die Kenntnisse der Sprachen selbst.

Auf die Frage: Was muß das Kind lernen, um nicht ein hilfloser urteilsloser Fremdling in Heimat und Welt zu bleiben, antworten die Landeserziehungsheime wie folgt: Das Kind muß lernen, was seinen Anlagen und Kräften entspricht und sodann, was es für sein späteres Leben braucht, um seine soziale, vaterländische, menschliche Pflicht mit Erfolg erfüllen zu können, um befähigt zu sein, an seinem Teile mitzuhelfen, daß im Vaterland echte Kultur weiter entwickelt werde. Es sind also zwei Prinzipien, die über den Wissensstoff des Kindes entscheiden, ein individuelles und ein unpersönliches, sachliches. In welchem Verhältnis stehen beide ?

Zweifellos ist das sachliche Prinzip für Lietz das höhere,

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übergeordnete, wobei allerdings unklar bleibt, wie sich das individuelle dem unterordnet.

Lietz stellt sich das dem Kinde zu erschließende Wissensgebiet in Form konzentrischer Kreise vor. Im Mittelpunkt steht das Elternhaus und die Familie. Darum gruppiert sich Verwandtschaft, Geschlecht, Gemeinde, Landschaft, Bundesstaat, das Reich, der Erdteil, die Welt; in diesen Kreisen sind nun alle die verschiedenen Lebenserscheinungen und Einrichtungen von den einfachsten wirtschaftlichen bis zu den verwickeltsten, rein geistlichen, zu betrachten, und das alles zusammen in Gegenwart, näherer und fernerer Vergangenheit. So gesehen stehen die beiden Sachgebiete des Natur- und Kulturlebens im Mittelpunkt des Unterrichts: Naturwissenschaft und Erdkunde auf der einen Seite, auf der anderen Deutsch, Geschichte (als Kulturkunde), die Muttersprache, Religion, Staatswissenschaft, philosophische Propädeutik und Kunst.

So betrachtet rücken die meisten Nebenfächer der Staatsschulen in den Kreis der Hauptfächer, während die fremden Sprachen, die in ihnen als Hauptfächer gelten, zu Nebenfächern werden. Von den Fremdsprachen sind trotzdem Englisch und Französisch Pflichtfächer - ein Zugeständnis an die Forderungen des Berechtigungswesens. Die alten Sprachen werden auf der Oberstufe freiwillig von denen erlernt, die dazu Lust, Fähigkeit und Kraft haben. Für die Teilnehmer fällt das Englische auf der Oberstufe ganz weg, das Französische beschränkt sich auf die Lektüre. Das Englische beginnt erst in Untertertia, damit zunächst die Muttersprache und wichtige Sachgebiete dem Kinde hinreichend vetraut werden können. Ein Jahr später setzt das Französische ein.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze soll den Schülern von Sexta bis Untersekunda eine gründliche, dem kindlichen Interesse und Bedürfnis entsprechende Behandlung der Muttersprache und der großen Hauptsachgebiete

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des naturwissenschaftlich-mathematischen und des geschichtlich-staats- und gesellschaftswissenschaftlichen geboten werden. Mit diesen haben die übrigen Unterrichtsfächer in engem Zusammenhange zu stehen.

Der Unterricht in der Mittelstufe hat dem Schüler überallhin Ausblicke auf weitere Fragen und Gebiete der Wissenschaft zu eröffnen und ihn zu befähigen, selbst weiter zu arbeiten und sich im jetzigen Kulturleben zurechtzufinden.

Die Oberstufe gabelt sich in eine humanistische (alt- und neusprachliche) und eine realistische Abteilung. Im Mittelpunkt des Unterrichts beider Abteilungen stehen das Deutsche, Staats- und Gesellschaftskunde, Religionsgeschichte und philosophische Propädeutik. Daneben erfolgt in der humanistischen Abteilung vorwiegend die geschichtlich-soziale sowie sprachliche, in der realistischen die mathematisch-naturwissenschaftliche Weiterbildung. Jede der beiden Abteilungen gibt für die Sonderfächer der andern weitere Anregungen. In allen Klassen findet neben der wissenschaftlichen, die körperliche, künstlerische und praktische Ausbildung statt, durch Turnen, Sport und Spiel, ferner durch Ausbildung im Zeichnen und in mindestens einem Handwerk (auf der Unterstufe Gärtnerei, auf der Mittelstufe Tischlerei, auf der Oberstufe Schlosserei und Schmieden).

Der Tagesplan der Landerziehungsheime ist wesentlich verschieden von dem der öffentlichen Schulen. In diesen sind die 5 oder 6 Unterrichtsstunden in der Regel ebenso vielen Fächern zugeteilt. Diese Art zu arbeiten entspricht nicht dem normalen Menschen. Das Naturgemäße ist, sich mit einer Sache zu beschäftigen, solange sie uns Freude macht und nicht Ermüdung eintritt, oder bis sie zu einem gewissen Abschluß gebracht ist. Das ist bei Lektionen von 45 Minuten Dauer möglich. Eine Ausnutzung des einmal wachgerufenen Interesses, eine wirkliche Erarbeitung, Vertiefung und Einübung des Stoffes kann in so kurzer Zeit nicht

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erfolgen. Deshalb läßt man in den Landerziehungsheimen zwei bis drei Stunden desselben Faches, besonders der wichtigeren und und namentlich auf der Oberstufe nacheinander folgen und hat damit, wie mir gesagt wurde, ausgezeichnete Erfolge erzielt. Ich kann bestätigen, daß die Primaner und Sekundaner in Bieberstein nach 2 Stunden Mathematik und Geschichte keinerlei besondere Ermüdung oder Erlahmung der Teilnahme zeigten.

In den freien Schulgemeinden sind die Unterrichtsziele im wesentlichen die gleichen, der Lehrplan ist aber doch im einzelnen folgerichtiger und energischer durchgeführt. Unterschiede zwischen den einzelnen Schulen sind vorhanden, aber sie sind weniger grundsätzlicher Natur, sondern beziehen sich auf das größere oder geringere Gewicht, das dem einen oder anderen Teile des Unterrichtsprogramms beigelegt wird. Die Begründung ist von Wyneken sehr scharf und klar gegeben. Er sagt: Die Schule hat die doppelte Aufgabe, der Jugend eine allgemeine Bildung zu vermitteln und sie auf den künftigen Beruf vorzubereiten. Allgemeine Bildung ist aber nicht ein encyclopädisches Wissen, eine zusammenhanglose Summe von Kenntnissen und Daten, ein Vielerlei von Lehrfächern, sondern eine zusammenhängende wissenschaftliche Erkenntnis des Weltbildes, Einsicht in die eigene Stellung des Menschen in die Zusammenhänge und der Wille, die aus seiner Stellung sich ergebenden Aufgaben zu erfüllen; Wyneken nennt es kurz die Teilnahme an der Kultur.

Die beiden Aufgaben: Allgemeine Bildung und Vorbereitung auf den Beruf sind nicht koordiniert, auch nicht gleichwertig. Die Teilnahme an der Kultur ist Selbstzweck, ist Aufgabe, die für jeden Meschen gilt; die Vorbereitung auf den Beruf ist durch die äußere Notwendigkeit geboten. Diese Notwendigkeit wird aber erst sinnvoll und geadelt, wenn der Beruf ein Ausdruck der persönlichen Begabung ist. Die gegen-

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wärtige Lage des öffentlichen Unterrichts ist die, daß die allgemeine Bildung vernachlässigt wird, die Berufsvorbereitung aber Kraft und Zeit vorwiegend in Anspruch nimmt. Man löst am liebsten die ganze Schule in eine Summe von Lerngelegenheiten auf, soviele, als sich Begabungstypen erkennen lassen, macht aber auch dabei den Fehler, daß man toten Wissensstoff in den Köpfen aufhäuft und Konzentrationsvermögen, Urteilsfähigkeit und Verwendungsbereitschaft der Fähigkeiten und Kräfte verkümmern läßt.

Ausgehend von dieser doppelten Absicht des Unterrichts muß man folgerichtig zu einer Organisation kommen, die beidem gerecht wird. Das kann nur so geschehen, daß der allen gemeinsame Unterricht in den Mittelpunkt gestellt wird, um ihn herum aber sich die Arbeitsstätten der Vorbildung für den Beruf und besonderen Begabung gruppieren.

Ich wiederhole: Eine Teilaufgabe der zentralen Bildung ist die wissenschaftliche Erkenntnis des Weltbildes. Unser Weltbild umfaßt aber aber die beiden Reiche der Natur und des Geistes; der Zentralunterricht muß deshalb in sich begreifen

  1. Die Erwerbung des naturwissenschaftlichen Weltbildes (Erdkunde, Geologie, Biologie, Chemie, Physik und Mathematik)

  2. Die Einführung in das Leben und die Geschichte des menschlichen Geistes, d.h. in die Kultur (Muttersprache, Geschichte, Staats- und Gesellschaftskunde, Religion, Philosophie, Kunst)

Der Zentralunterricht erhält einen nach Jahrgängen gegliederten Aufbau, der Fachunterricht der Arbeitsstätten verträgt eine freiere Gestaltung. Erstens soll er nur die 6 letzten Schuljahre umfassen und dann bedarf er auch nicht der Einordnung in Jahrgänge und Klassen, sondern jeder arbeitet auf der Stufe, auf die ihn seine Fähigkeit und Reife in jedem Einzelfach verweißt; hier sind "bewegliche" Klassen am Platze.

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Die Erziehung des Willens, die aus der Stellung des Menschen sich ergebenden Aufgaben zu erfüllen, ist nicht eigentlich Sache des Unterrichts, als vielmehr der praktischen Betätigung. Sittliche Kräfte können nur durch Erleben geweckt und gesteigert werden. Dazu ist ein Gemeinschaftsleben der Jugend nötig, in dem sie zur Selbständigkeit und Selbstverantwortung erzogen wird. Das geschieht durch Selbstregulierung und schulgemeindliches Leben.

Im Dienste der sittlichen Erziehung steht und ein wesentlicher Bestandteil derselben ist auch die körperliche Ertüchtigung. Ganz abgesehen davon, daß wir ein gesundes, kraftvolles abgehärtetes Geschlecht brauchen, um die Aufgaben des Lebens zu bemeistern, stärken wir zugleich mit dem Körper sittliche Anlagen: Freude, Willenskraft, Selbstvertrauen, Geschick, praktische Einsicht, soziales Verständnis und Ausdauer.

Man sieht die nahe Verwandtschaft in den Lehrplänen der Landerziehungsheime und der Freien Schulgemeinden; ich bin trotzdem geneigt die letzteren vorzuziehen.

Eine besondere Erwähnung verdient die Odenwaldschule. Bei gleichen Zielen mit der Schulgemeinde Wickersdorf gewährt ihr Lehrplan den Zöglingen eine ungleich größere Freiheit in der Auswahl der Fächer; der Stundenplan ist individuell. Die Jahrespensen in den einzelnen Disziplinen sind in Monatskurse geteilt (die vor Beginn des Monats am schwarzen Brett angeschlagen werden), und die Schüler haben das Recht, sich für drei Kurse des nächsten Monats zu entscheiden, 2 wissenschaftliche am Morgen und einen praktischen am Nachmittag. Daneben bestehen Wiederholungskurse für Zurückgebliebene, und mit dem Zwecke, solche Fächer frisch zu erhalten, in denen während des laufenden Arbeitsmonats gerade nicht unterrichtet wird.

Die Teilnehmer an demselben Kurs bilden nun eine enge Arbeitsgemeinschaft. Der Fleiß, die Selbstbetätigung und

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die Leistungen dieser Arbeitsgemeinschaft sind, wie ich mich selbst überzeugen konnte, durchaus beachtenswert, was ja nicht Wunder nehmen kann, da bei allen Teilnehmern das höchste sachliche Interesse vorhanden ist. Der Lehrer tritt in diesen Gemeinschaften fast noch mehr zurück, als anderswo und greift nur ein, wenn es ihm nötig erscheint oder seine Hilfe erbeten wird.

Mit dieser Einrichtung fällt selbstverständlich das Klassensystem fort; es wird nur bei den ganz Kleinen aufrecht erhalten. Jeder Schüler tritt in den folgenden Kurs eines Faches über, wenn er den vorhergehenden zufriedenstellend erledigt hat; ob dies der Fall ist, entscheidet der Kursleiter.

Damit der Zögling seine Kurse nicht planlos wählt, etwa ohne die nötigen Vorkenntnisse dafür zu haben und damit er nicht bedingungslos seinen Neigungen folgt, hat er vor der Wahl seinen Kameradschaftsleiter und den Kursleiter zu Rate zu ziehen. In den meisten Fällen wird für jeden Zögling entsprechend seinen Anlagen, Neigungen und Kräften ein individuelles Programm ausgearbeitet, das ein Fortschreiten ermöglicht und gewährleistet.

Da jedes Kind nur zwei wissenschaftliche Fächer wählen kann, so treibt es abgesehen von dem Wiederholungskursus 4 Wochen hindurch täglich nur 2 bzw. 3 Fächer und immer die gleichen. Das führt zu einer Konzentration und Intensität der Arbeit, wie sie auf andere Weise garnicht zu erreichen ist. Die Schüler kommen in 4 Wochen in ihren Fächern weiter als in den öffentlichen Schulen im ganzen Quartal.

Kursunterricht wird in der Odenwaldschule im Deutschen, Französischen, Englischen, Lateinischen, in der Geschichte, Erdkunde, Mathematik, Physik, Biologie und Chemie und in den praktischen Arbeiten: Tischlerei, Schlosserei, Gartenbau, Papparbeit und Buchbinderei, Nähen und Kochen (für die Mädchen)

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erteilt.

Für Begabte wird auch das Zeichnen in Kursen gegeben, für die übrigen in Einzelstunden am Nachmittage. Nur in Einzelstunden werden folgende Fächer unterrichtet: Religionsgeschichte, Griechisch, Instrumentalmusik, Gesang, rhythmische Gymnastik und Turnen.

Am Schlusse des Monats, also in den letzten Tagen des 4 wöchigen Kursus findet die sogenannte Kursschlußschulgemeinde vor der Gesamtheit von Lehrern und Schülern statt. In ihr geben die Kursordner - das sind Schüler, welche von ihrer Arbeitsgemeinschaft zur Aufrechterhaltung der Ordnung und Disziplin gewählt sind, - Rechenschaft über die im Kurs geleistete Arbeit. Sie treten der Reihe nach vor und erstatten ihren Bericht. Andere Mitglieder der betreffenden Kurse bieten Proben und besondere Ergebnisse des Unterrichts dar, es werden Gedichte vorgetragen, physikalische, biologische und chemische Versuche gezeigt, und Zeichnungen vorgelgt. Auch über die Ordnung, den Fleiß und die Aufmerksamkeit wird kurz berichtet. Hier tadelnd genannt zu werden, wird sehr peinlich empfunden. Der Kursleiter ergänzt oder berichtigt den Lehrbericht, erläutert den Lehrgang und die von ihm eingeschlagene Methode, kritisiert auch die Arbeit der Mitglieder und gibt schließlich bekannt, welche von den Teilnehmern den Kurs bestanden haben.

Ich habe einer solchen Kursschlußgemeinde beigewohnt; sie dauerte mit einer längeren Pause den ganzen Vormittag. Ich hatte den Eindruck, daß sie die Kinder allmählich ermüdete, kann mir auch keinen nennenswerten Erfolg von der Einrichtung denken, es sei dann der, daß sich die Schüler von klein auf an freies unbefangenes Sprechen vor einem größeren Kreise gewöhnen.

Das Kurs- oder Fachschülersystem hat sicher seine großen Vorzüge; es ist ja an sich nichts Neues und schon in den Philanthropinen angewendet worden, auch gegenwärtig in der

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Schweiz viel in Gebrauch; am meisten springt der Vorteil ins Auge, daß ein Schüler, der einen Kurs ohne Erfolg besucht hat, nur diesen zu wiederholen braucht, in den übrigen aber fortschreiten darf, während er bei dem üblichen Klassensystem entweder mit Lücken in die nächste Klasse eintritt oder ein ganzes Jahr verliert. Ferner: Da die Kursgemeinschaften verhältnismäßig klein sind, so kann sich der Lehrer des Einzelnen mehr annehmen. Das ist besonders wertvoll für die älteren Schüler, die lernen sollen, selbständig nach Quellen zu arbeiten.

Daß anderseits das System Nachteile hat, ist nicht zu übersehen. Der wertvolle organische Zusammenhang zwischen dem Inhalt der verschiedenen Fächer geht verloren, die wünschenswerte Gleichartigkeit in der Gesamtentwicklung der zusammen unterrichteten Schüler fehlt; außerdem müßten, wenn man es einführen wollte, Versetzungs- und Reifeprüfungsordnungen eine grundlegende Änderung erfahren oder ganz abgeschafft werden, wofür wiederum die Forderung einer allgemeinen Bildung in dem gegenwärtig noch geltenden Sinne ein wesentliches Hindernis ist.


Lehrweise.

Die Lehrweise ist in den Landerziehungsheimen und Freien Schulgemeinden grundsätzlich auf größtmögliche Selbsttätigkeit der Schüler eingestellt. Der Schüler soll, wo es auch sei, selbst entdecken, selbst finden. So allein kann er geistig wachsen, so allein die reine Freude genießen die mit dem Entdecken und Finden verbunden ist. Daraus ergibt sich eine besondere Gestaltung des Unterrichts. Es ist kein mechanischer Betrieb zur Übermittlung fertiger Kenntnisse, die der Lehrer gibt und der Schüler entgegennimmt, sondern der Unterricht ist eine Arbeitsgemeinschaft von Lehrern und Lernenden. Nicht der Lehrer allein, auch die Schüler sind verantwortlich für das Gelingen der Lehrstunde, für die Erreichung eines Lehr-

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zieles; sie haben alle die Pflicht, selbst nach Kräften den Unterricht, das Verständnis des Lehrstoffes zu fördern und jede Störung und Hemmung des Fortschritts zu verhüten. Sie können jederzeit selbst Fragen stellen, selbst Wege und Methoden zur Lösung der gerade vorliegenden Aufgabe vorschlagen, bei Unklarheiten und Zweifeln Aufklärung verlangen. Bringt man diese Verfahren auf eine Formel, so kann man sagen: In den amtlichen Schulen fragt der Lehrer und die Schüler antworten; hier ist es umgekehrt: die Schüler fragen und der Lehrer antwortet. Der Unterricht ist, wo es irgend angeht, ein Lehrgespräch. Die Vorteile diese Verfahrens liegen so klar auf der Hand, daß man sich wundert, weshalb an unseren öffentlichen Schulen nicht mehr davon Gebrauch gemacht wird; die Aufmerksamkeit ist gespannter, das Interesse ist lebendiger, das Selbstbewußtsein und Selbstvertrauen wird gehoben, die Sprachkraft und Sprachfertigkeit wird gebildet und erhöht und mehr noch: Sinnrichtige Fragen schärfen das Denken und verhelfen dem Schüler zur Klärung und Ordnung seiner Vorstellungswelt, so daß seine Freude am geistigen Besitz wächst. Ich habe an dieser dialogischen Unterrichtsform meine helle Freude gehabt und kann nur wünschen, daß sie überall zur Regel werde. Freilich fordert das einen geschickten und umsichtigen Lehrer; er muß trotz aller Redefreiheit die Klasse in der Hand haben und die Diskussion, wenn sie auf Abwege gerät, geschickt auf das Ziel zurücklenken. Daß er gelegentlich seine Zurückhaltung aufgibt, Wesentliches unterstreicht, und in freiem Vortrage das hervortreten läßt, was zur Ergänzung und Vertiefung notwendig ist, ist selbstverständlich.

Voraussetzung für das Gelingen des Lehrgesprächs ist, daß die Schüler Vertrauen zu dem Lehrenden haben. Sie werden sich nur dann frei äußern, wenn sie wissen, daß ihre Fragen und Einwände ernst genommen und nicht von oben her als min-

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derwertig zurückgewiesen werden. Aber diese Vertrauensverhältnis herrscht an den Landeserziehungsheimen und Schulgemeinden durchaus. Der Lehrende gibt sich nicht als der Vorgesetzte, Überlegene, sondern als der ältere Kamerad, der vielfach mit Vornamen, ja sogar mit einem Kosenamen und mit "Du" angeredet wird. Es berührt den Fremdling zuerst ganz wundersam, wenn ein Knirps der VI während der Stunde dem graubärtigen Lehrer zuruft: "Weißt Du, Fritz, das habe ich noch nicht verstanden; das mußt Du mir noch einmal erklären". Aber man gewöhnt sich schnell daran und hält es am Ende für das einzig Richtige.

Zur Unterstützung des Unterrichts dienen in allen Heimen und Schulgemeinden reiche Anschauungs- und Lehrmittelsammlungen; sie stehen unter dem Schutze und der Aufsicht der Schüler und werden auch in den Freizeiten von ihnen ohne jede Einschränkung benutzt. Auch reichhaltige Fachbibliotheken, dem Klassenstandpunkte angepaßt, fand ich in offenen Schränken den Schülern zur jederzeitigen Verfügung. Aber es waren beileibe keine trockenen Leitfäden und Grundrisse, sondern eingehende fesselnde Darstellungen, Monographien der Besten aller Zeiten. Einen wesentlichen Punkt in der Lehrweise habe ich noch hervorzuheben, der mir namentlich für ältere Schüler sehr beachtenswert erscheint. Ich lasse am besten Lietz selbst reden. Er sagt: Wie wir auf dem Gebiet des Naturstudiums davon ausgehen, was der Schüler am Gegenstand entdeckt, ihn dann weiter helfen, daß er immer klarer und deutlicher den Tatbestand und Zusammenhang erkennt, so schlagen wir ein ganz ähnliches Verfahren auf dem Gebiete der Kulturkunde ein. Auf Grund des Materials an Urkunden, Quellen, Berichten, die wir ihm in die Hand geben und mit ihm besprechen, stellt der Schüler mit unserer Hilfe fest, was über ein Ereignis, eine Persönlichkeit oder über kulturelle Verhältnisse von Zeitgenossen und Späteren berichtet worden

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ist. Auch hier ist also Selbsterarbeitung des Stoffes von Seiten des Zöglings, bei der der Lehrer nur Helferdienste zu leisten hat.

Zur Unterstützung dieser Arbeit richten wir in allen Heimen natur- und kulturkundliche Arbeitsstätten ein. In je einem Raum wird streng sachlich und zeitlich geordnet alles an Sammlungen, Bildwerken, Apparaten, Karten, Büchern aufgestellt, was dem Kinde und zum Teil auch dem Erwachsenen Kunde bringen kann über die in Betracht kommenden Gebiete und Fragen. Jeder eifrige und zuverlässige Schüler darf in seinen Freizeiten dies gesamte Material benutzen. Alles ist so übersichtlich geordnet, daß er sich leicht zurechtfindet, dem Verständnis jeder Stufe bis zu den Fröbelspielen der Kleinen angepaßt. So kann jeder seine Wißbegier befriedigen. Stößt er dabei auf Schwierigkeiten, so wird ihm sicher ein Helfer zur Seite treten. Interesse erwecken, arbeiten, lehren, mit den Hilfsmitteln wissenschaftlicher und künstlerischer Arbeit vertraut machen: Das ist die Absicht und Erfolg dieser Methode. Diese Wirkung bleibt und nützt fürs ganze Leben, ist unverlierbar."

Ich kann dieser beredten Darlegung nur eine warme Empfehlung hinzufügen. Ich habe solchen Quellenunterricht in Ilsenburg, in der Dürerschule zu Hochwaldhausen und in der Odenwaldschule mitangehört und kann aus eigener Anschauung berichten, daß er nicht erfolglos ist. So wurde in der Quarta zu Ilsenburg aus Verordnungen des Königs Hamurabei die den Schülern in der Sevinschen Quellensammlung vorlagen ein Bild der babylonischen Kultur entwickelt, und ältere Schüler der Odenwaldschule hatten Geschichtsthemen bearbeitet, für die sie das Material und größeren Geschichtswerken zusammengetragen hatten.

Die Arbeit in der Klasse wird durch eine möglichst selbständige Hausarbeit ergänzt. Die Hausaufgaben bestehen in mündlicher Wiederholung oder, soweit die Zeit reicht, in

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einer schriftlichen zusammenhängenden Darstellung des durchgenommenen Klassenpensums, möglichst unter neuen Gesichtspunkten. Wenn die Jüngeren ihre Darstellung durch Bilder schmücken - und sie tun es bekanntlich gern - so ist das nur erwünscht. In der nächsten Stunde wird die Ausarbeitung vom Schüler frei vorgetragen, ohne daß unterbrochen wird. Dann wird der Vortrag durch die Kameraden ergänzt und berichtigt.

Auf diese Weise wird erreicht, daß der Schüler, was er weiß, in eigener Sprache, mag sie noch so naiv und unbeholfen sein, wiedergibt, und er wird davor bewahrt, den Wortlaut des Leitfadens gedächtnismäßig und in einer entlehnten, ihm innerlich fremden Ausdrucksweise wiederzugeben. Tatsächlich gibt es denn auch in diesen Schulen keine Lehrbücher in der Hand des Schülers; "sie schreiben sie sich selbst", wie gelegentlich stolz gesagt wurde.

Daß sich gegen die Ablehnung aller Lehrbücher sehr viel einwenden läßt, ist klar und bedarf keiner Ausführung. Ich kann das Verfahren nicht für zweckmäßig halten.

Zweifellos erfordert die geschilderte Arbeitsmethode vielmehr Zeit und Kraft des Lehrers; die Auswahl des Wichtigen und Anregenden muß um so strenger sein.

Systematische Wiederholungen größerer Abschnitte, Extemporalien sind verpönt. Dagegen finden in den Landerziehungsheimen je am Schluß des Monats, Vierteljahres und Schuljahres in der Kapelle vor der Schülerschaft freie Vorträge der Schüler statt über Themen, die entweder selbstgewählt und aus eigenem Studium hervorgegangen oder erst unmittelbar vorher vom Lehrer bezeichnet worden sind. - Der Unterricht findet, soweit es der Gegenstand und die Jahreszeit erlaubt, im Freien statt. Die Schüler drängen selbst darauf, und der Gewinn der Stunden ist ganz gewiß nicht geringer als beim Unterricht im Zimmer. Der neuerliche Erlaß der Zentralbehörde, der auch an den öffentlichen Schulen den Unterricht im Freien empfiehlt

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und die seine Vorteile hervorhebt, ist mit besonderer Freude zu begrüßen.


Religionsunterricht.

Der Religionsunterricht in den Landerziehungsheimen wird vom Standpunkte eines weitherzigen Protestantismus erteilt. Gott ist, so wird man im Sinne Lietz sagen dürfen, Ausdruck für die höchste wunderbare Kraft, Macht, Ordnung im Weltgeschehen, ohne welche Zusammenhang, Ziel, Zweck und Sinn der Welt unfaßbar wäre. Das Vertrauen auf diese göttliche Kraft, die Gewißheit der Gotteskindschaft, wie sie Jesus verkündigte, müssen unser Tun und Lassen bestimmen, Diese Auffassung des Christentums verbietet jede Einseitigkeit, jeden fanatischen, politischen oder kirchlichen Parteistandpunkt. Die supranaturalistischen Dogmen der Kirche werden abgelehnt. Dieser Standpunkt gestattet die Aufnahme von Katholiken in die Heime, falls sie nicht orthodox sind und an den Formen ihrer Kirche hängen.

Das Unterrichtspensum der Unter- und Mittelstufe ist im allgemeinen das gleiche wie an den preußischen höheren Schulen; auf der Oberstufe erfährt es eine größere Weite. Von Sexta bis Untertertia stehen zwei, von da an nur eine Wochenstunde zur Verfügung.

Auf der Unterstufe steht die biblische Geschichte im Vordergrunde; bei der Auswahl wird der Freude des Kindes an typischen Persönlichkeiten und charakteristischen Begebenheiten Rechnung getragen. Ausgehend von dem religiös-sittlichen und kirchlichen Leben der Gegenwart fährt der Unterricht alsbald auf den Begründer der christlichen Religion und seine Jünger zurück und behandelt dann weiter das religiöse Leben der Vorfahren. Das Ziel ist die Beantwortung der Frage: wer ist ein Christ? Sie wird aus dem Leben und den Werken von typischen Persönlichkeiten: von Bodelschwingh, Pestalozzi, A.H. Franke, P. Gerhardt und Luther genommen.

In der Quarta beginnt die eigentlich historische Behandlung der christlichen Lehre. Sie holt ziemlich weit aus. An die Darstellung des religiös-sittlichen Lebens der alten Völker, der Indogermanen und Semiten (Israeliten) schließt sich

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in Untertertia der Prophetismus und seine Erfüllung durch Jesus, in Obertertia das Werk des Paulus und seine Wirkungen, die Entwicklung der Kirche (Augustin, Papsttum), die Reformation und Gegenreformation, die Orthodoxie und der Pietismus, während der Untersekunda die Aufklärung, Romantik und der neuere Protestantismus zugewiesen sind. Die Oberstufe behandelt die Geschichte der Religionen nach allgemeinen Gesichtspunkten. In O II werden die Volksreligionen der alten Welt bis zum Entstehen des Christentums (Inder, Perser, Griechen, Germanen, Semiten) eingehender behandelt als an den öffentlichen Schulen. Es folgt die Entstehung einer Erlösungsreligion bei Indern und Semiten, der Ursprung des Christentums. Das Werk Jesu und des Apostels Paulus erfährt eine vertiefende Behandlung. Die Darstellung des Systems der katholischen Kirche beschließt den Jahreskursus.

Die Unterprima behandelt die Befreiung der mittelalterlichen Kirche durch die Reformation, die Entwicklung der protestantischen und katholischen Kirche bis zur Zeit der Aufklärung.

Die Oberprima schließt die Kirchengeschichte mit der Betrachtung der großen religiösen Strömungen der Neuzeit; es folgt eine Einführung in die Aufgaben und Ziele der Religionsphilosophie und eine Beleuchtung des Verhältnisses zwischen Religion und Ethik. Fichte, Lagarde und Eucken stehen im Mittelpunkte.

Ich habe in Ilsenburg und Bieberstein zwei Religionsstunden, einer V und einer O II beigewohnt. Die in V war verfehlt. Es wurde Luther behandelt. Es kam aber nicht zu einer anschaulichen Schilderung dieses so reichen Lebens, sondern blieb bei dürren Daten, und dann gelang der Versuch, die Schüler in das Verständnis der Schrift: An den christlichen Adel deutscher Nation usw. einzuführen, ganz und garnicht. Ihre Mitarbeit erlahmte sehr bald, da sie weder in den Sinn des recht schwierigen Textes einzudringen vermochten noch die politischen Voraus-

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setzungen übersahen, von denen die Schrift ausgeht.

Desto mehr befriedigte die Lektion in O II über die Entwicklung des Gottesbegriffes bei den Semiten bis zur Königszeit; die maßgebenden Stellen des Alten Testaments, in Weißsäckers Übersetzung) wurden gelesen und gemäß den Ergebnissen der modernen Forschung erläutert und gewürdigt; die Obersekundaner beteiligten sich sehr lebhaft. - Die Freien Schulgemeinden lehnen nicht nur jeden konfessionellen, sondern überhaupt jeden Religionsunterricht ab, der mit der Absicht der Bindung des einzelnen in das Verständnis ihrer Lehren und in die Ausübung ihres Kultes einführt. Wyneken, der als Wortführer gelten mag, begründet das so: Es gibt keine gemeinsame Volksreligion mehr. Nur ein geringer Teil des Volkes ist es noch, der unter der mittelalterlichen mythologischen Form des Christentums steht mit dem Glauben an einen persönlichen Gott, an die allgemeine Verschuldung der Menschheit und ihrer Erlösung durch den Mensch gewordenen Gottessohn, sowie endlich an ein Leben nach dem Tode mit Lohn und Strafe. Die Gebildeten der Gegenwart haben sich zu einer entwickelteren Form des Christentums verstanden. Der mythologische Weltgott ist verblaßt, er ist mehr dekorative Figur geworden, Symbol einer vernünftigen Weltordnung, und ebenso wird die Gestalt Christi ihres mythologischen Charakters entkleidet und zum moralischen Ideal umgedeutet. Endlich hat ein großer Teil des Volkes auch mit der äußeren Form der überlieferten Religion völlig gebrochen und steht ganz außerhalb des Christentums. Der Verlauf des Naturgeschehens, wie die Geschichte der Menschheit unterliegt einem lückenlosen Kausalnexus; das Naturgesetz ist der Ersatz für den frühern Gottesbegriff. Nicht eine Weltvernunft, sondern die Entwicklunslehre verbürgt uns den Glauben an ein höheres Menschentum, das dadurch vernünftige Organisation erreicht werden kann.

Innerhalb dieser drei Typen gibt es unzählige Zwischenformen.

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Gibt es also, was kein Einsichtiger bestreiten kann, keine herrschende Volksreligion mehr, so darf es auch keinen öffentlichen Religionsunterricht mehr geben, der mit der Absicht, die einzelne Seele zu binden, Lehre und Kultus einer einzelnen Religionsform vorträgt. Stellt sich die Schule in den Dienst einer bestimmten Religion, so tritt sie damit in den Kampf gegen die andern; das darf sie aber nicht, schon aus dem staatlichen Rechtsgefühl heraus; es widerspricht der verfassungsmäßigen Glaubens- und Gewissensfreiheit.

Auch ein Normalunterricht anstelle des religiösen läßt sich nicht rechtfertigen; denn die moralischen Überzeugungen sind nicht minder zerrissen als die religiösen, die sittliche Konfessionen stehen sich noch weit unversöhnlicher gegenüber.

Der Einwand, mit der Ausschaltung der Religion aus dem Unterricht bleibe eine wesentliche Seite der geistigen Natur des Menschen brach liegen und bedinge eine Verkümmerung und Verarmung der kindlichen Seele, wird von Wyneken als unzutreffend zurückgewiesen. Er bestreitet, wenigstens was die eigentliche Kindheit anbelangt, daß irgend eine Anlage im Kinde religiösen Anregungen entgegenkomme, und meint, daß dieses sogenannte religiöse Bedürfnis vielmehr eine mythologisierend-phantastische Anlage sei, ein geistiger Spieltrieb, den man besser beschränken als pflegen solle.

Nun läßt sich natürlich nicht bestreiten, so fährt Wyneken fort, daß die Religion in der Geschichte der menschlichen Kultur durch die Jahrtausende eine wesentliche Rolle gespielt hat. Es ist also unmöglich, sie aus dem Kulturunterricht einfach wegzulassen. Aber der Stoff d.h. der Bestand und die Entwicklung der Religion nach Lehre, Kultus und Verfassung gehört zum allgemeinen Stoff der Geschichte; er muß also streng historisch, mit völliger Objektivität gegeben werden und darf sich nicht nur auf das Christentum beschränken, sondern hat

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das Gesamtgebiet der Religionen in Vergangenheit und Gegenwart zu berücksichtigen.

Man mag sich zu der Auffassung Wynekens über den Inhalt dessen, was Dogma und Kultus gegenwärtig den einzelnen und ganzen Teilen des Volkes bedeuten, stellen, wie man will, eins sollte mehr als bisher beachtet werden, das ist der geringe Erfolg des üblichen Religionsunterrichtes in unseren Schulen. Es ist doch unleugbare Tatsache, daß die Jugend, sobald sie zum eigenen Nachdenken erwacht bis auf verschwindende Ausnahmen von Religionsunterricht und Predigt unberührt bleibt, daß sie der Katechismuslehre mit Nichtachtung den Rücken kehrt und daß sie nicht einmal ein bescheidenes Maß von Pietät gegen die überlieferte Religion mit ins Leben hinausnimmt. Man sollte auch nicht blind sein dagegen, daß das naturwissenschaftliche Weltbild, das Physik, Biologie und Geologie vermittelt, in schroffstem Gegensatz zu den überlieferten Dogmen steht und bedenken, daß auch schon die häusliche Lebenssphäre bei einem größeren oder geringeren Teile der Schülerschaft jede Resonanz für den Religionsunterricht unmöglich macht. Man darf also behaupten, daß ein dogmatisch-

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apologetisch orientierter Religionsunterricht, wie er bisher unter kirchlicher Aufsicht in der Schule erteilt wurde, das Interesse an religiösen Fragen erstickt. Ebenso sicher aber ist, daß der religionsgeschichtliche Unterricht wie ihn Wyneken will, und einsichtige Pädagogen längst gefordert haben, lebendiges religiöses Interesse und Fühlen wachruft und wach hält. Ich habe solchen Religionsunterricht in Wickersdorf und in der Odenwaldschule beigewohnt und bin erstaunt gewesen über den Anteil, den die Schüler daran nehmen, und wie ernst ihnen daran gelegen ist, eine positive Stellung zu den religiösen Problemen zu gewinnen. Ich bin selber religiös gerichtet, aber eben darum muß ich die Forderung, den dogmatisch-apologetischen Religionsunterricht ganz aus den Lehrplänen unserer höheren Schulen zu entfernen und ihn der Entschließung der Familie und den kirchlichen Gemeinschaften zu überlassen, als vollberechtigt anerkennen.

In den Freien Schulgemeinden setzt der religionsgeschichtliche Unterricht erst in der Quarta ein und ist, wo es angeht, der Geschichts- und geograpischen Unterweisung angegliedert. Man beginnt mit dem Auftreten des dikuvialen Menschen auf der Erde und den ältesten Bewohnern Europas, gibt ein Bild von der Stein, Kupfer, Bronze- und Eisenzeit; es folgen die Kulturkreise Vorderasiens und Ägyptens, der Griechen und Römer und hiermit verknüpft eine orientierende Darstellung der religiösen Vorstellungen dieser Völker.

Ist so eine haltbare Grundlage geschaffen, so kann von der Obertertia an die Religion in einem besonderen Unterricht behandelt werden. Sie beginnt mit einer Darstellung des vorderasiatischen Kulturkreises (Babylonier, die semitischen Wanderungen, die israelitische Volksreligion und ihre Umwandlungen, die Reichsbildung, die Königszeit mit ihrer religiösen Kultur, der Prophetismus und die Überflutung durch die Weltmächte, die Entstehung der Hierarchie und der jüdischen Kirche, der Einfluß des Persertums).

In der Untersekunda folgt die Einführung in die neutestamentliche Religion; die Zerstörung Jerusalems, das Auftreten Jesu, das Werk des Paulus, die Entstehung der jerusalemischen Gemeinde, die Zerstörung Jerusalems durch Titus. Die Geschichtlichkeit der Person Jesu und das Verhältnis der Überlieferung zu ihre und seinem Werke erfahren eine eingehende Würdigung.

Die Obersekunda bringt eine Darstellung der Kirchen-

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geschichte in ihren wichtigen Erscheinungen, die Prima eine Behandlung der anderen großen Kulturreligionen (die arabische, persische und chinesische). Einschlägige religiöse und metaphysische Probleme werden ausgiebig erörtert.

Es wäre falsch anzunehmen, daß ein religionsgeschichtlicher Unterricht der religiösen Weihe entbehren und zu plattem Unglauben führen müsse. Gewiß gelingt es auch auf diesem Wege, die Jugend zu überzeugen, daß es sich in allen Religionen letzten Endes um eine Erziehung des Menschengeschlechtes handle, um ein Entdecken des Wertes der einzelnen Menschenseele und ihrer Einordnung in den Weltzweck und das Weltganze. Mag uns die Wissenschaft lehren - so wird der Lehrer der Religionsgeschichte sagen - daß alles das, was des primitiven Menschen Religion ausmacht und der Urquell aller späteren Religion ist, auch der Christlichen: Affekte der Furcht und der Abhängigkeit, vor einer fortgeschrittenen und eindringenden Naturerkenntnis nicht standhält, mag sie zeigen, daß die Erlösung der Welt vom Bösen nicht durch Opfer oder den stellvertretenden Tod eines Gottmenschen, sondern nur durch eine Selbstläuterung des Geistes erfolgen kann und im Laufe der Jahrtausende erfolgt ist trotz aller gegen-

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teiliger Erfahrungen, mag es sein, daß die Notwendigkeiten des realen Weltgeschehens restlos auf unveränderliche Gesetze zu gründen und durch Denken und Erfahren zu erfassen sind, eins bleibt doch unbegreiflich und ist nur durch den Glauben zu fassen: Dasein, Zweck und Sinn der Welt und unsres eignen, darein verstrickten Lebens. Es bleibt also ein heiliger Bezirk, an dessen Grenzen unser Wissen aufhört und religiösem Fühlen und Ahnen weichen muß. Wissenschaftliche Erkenntnis und religiöser Glaube sind also keine Gegensätze. Dieser fängt an, wo jene aufhört. Welche Formen solche Frömmigkeit im Laufe der kommenden Jahrtausende annehmen wird, wissen wir nicht; unsre Aufgabe bleibt, weiter zu arbeiten an der Erkenntnis der Welt und der Entfaltung unsres Geistes, im übrigen aber fromm zu verehren, was unserm Wissen entzogen ist.

Gelingt es dem Lehrer der Religionsgeschichte, in der jugendlichen Seele diesen Schacht zu öffnen, in dem man den dunklen Strom jenes letzten, nach Worten und Zeichen vergeblich ringenden Weltgefühls rauschen hört, so wird die segensvolle Einwirkung auf ihr inneres Werden, ihre Gesinnung, ihr gesamtes persönliches Leben und auf ihr Verhalten gegen die Umwelt nicht ausbleiben.

Im engen Zusammenhange mit dem religionsgeschichtlichen Unterricht der oberen Klassen steht die philosophische Propädeutik. In den Landerziehungsheimen sind ihr 1-2 Stunden der Unter- und Oberprima gewidmet. In der U I gilt es, eine Synthese des naturwissenschaftlichen Weltbildes zu geben. Der Stoff der früheren Klassen bietet Bausteine dazu. Dazu gehört auch eine kritische Darstellung der naturwissenschaftlichen Methoden. Bacon, Descartes, Hume bie-

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ten die leitenden Gedanken.

Der Unterricht in der O I soll eine erste Einführung in das Gebiet der Geisteswissenschaften unter Anlehnung an Kants kritische Lösung des Erkenntnisproblems bieten. Kants Schrift: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten und Abhandlungen von Joh. Gottlieb Fichte werden gelesen.

Übrigens ist dem Lehrer volle Freiheit gelassen, welche Probleme zur Behandlung kommen und auf welchem Wege die Ergebnisse gewonnen werden sollen. In Bieberstein war anscheinend der Weg gewählt, daß von den Einzelwissenschaften ausgegangen und die letzten Voraussetzungen und Probleme geprüft wurden, auf denen ihre Erkenntnisse beruhen.

Mir scheint dieser Weg, in die Philosophie einzuführen, der einzige richtige zu sein. Freilich setzt er einen Lehrer voraus, der die Grundprobleme der einzelnen Wissenschaften, der Mathematik, Physik, Chemie, Biologie auf der einen Seite, der Religion, Geschichte der Ethik und Ästhetik auf der andern Seite gründlich beherrscht. Der gegenwärtige Leiter der Heime Dr. Andreesen scheint vorzüglich geeignet zu sein, propädeutischen Unterricht auf dieser Grundlage mit Erfolg zu geben. Eine Lektion in U I, in der die Grundprobleme der Chemie und ihrer Bedeutung für die Gestaltung des naturwissenschaftlichen Weltbildes herausgearbeitet wurden, machte einen überaus anziehenden Eindruck.

In den Schulgemeinden habe ich leider keinen philosophischen Unterricht anhören können. Soweit ich gesprächsweise habe erfahren können, bewegt er sich auf denselben Bahnen.


Geschichtsunterricht.

Neben dem Religionsunterricht weicht der Geschichtsunter-

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richt in den Landerziehungsheimen und Schulgemeinden inhaltlich am weitesten von den öffentlichen höheren Schulen ab. Die Forderungen der verschiedenen Schulreformer für dieses Fach sind dort wohl restlos erfüllt. Ich gebe im folgenden eine kurze Übersicht über den Lehrplan der Landerziehungsheime, wie er mir dort mitgeteilt worden ist. Er gliedert sich in 3 Kurse. Der erste, VI bis IV umfassend, bietet dem Schüler anschauliche geschichtliche Einzelbilder; lebenswarme Schilderungen von hervorragenden Persönlichkeiten liefern den ersten Grund für die geschichtliche Auffassung und Betrachtung.

Die Geschichte der Heimat und der Gegenwart bildet den Ausgangspunkt; es folgt die nächste Vergangenheit, die Einigung Deutschlands. Allmählich wird die Darstellung der äußeren Verhältnisse, die Klarlegung der inneren Verhältnisse, breiter. Die geschichtlichen Bilder sind umfassender und reicher. So behandelt man rückwärts schreitend die Freiheitskämpfe gegen Napoleon, Friedrich den Großen, die Not des 30-jährigen Krieges, Martin Luthers Zeit, Barbarossa bis hinab zu Herrmann dem Cherusker. Dann folgen Bilder aus dem Leben der fernen Vergangenheit, und aus der Entstehungszeit alter Kulturen, der Babylonier, Ägypter, Griechen und Römer. Der Lehrstoff im deutschen Unterricht steht im engsten Zusammenhang mit der geschichtlichen Unterweisung.

Dem ersten Kursus folgt in U III bis U II mit wöchentlich 3 Stunden die deutsche Volksgeschichte bis zur Gegenwart mit dem Ziele, das Verständnis für die geschichtliche Entwicklung und die Bedeutung des deutschen Volkes für das europäische Kulturleben anzubahnen. Die bedeutsamsten Kulturabschnitte und ihre Träger werden herausgehoben. Besonderer Wert wird auf die Lektüre von Quellen und Ur-

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kunden gelegt, um späteres selbständiges Arbeiten vorzubereiten; dahin gehören: die Geschichtsschreiber der deutschen Vorzeit (monumenta Germaniae) in Auswahl; Quellenbücher von A. Richter und von Sevin, Luthers Werke, Huttens Gespräche, Fischart, Grimmelshausen, Langewiesche: Der König; Briefe Friedrichs des Großen (Quellenbuch zur Geschichte der Neuzeit von M. Schilling und von Sevin) - Briefe Napoleons, Arndt: Wanderungen mit Freiherrn von Stein, Arndt's usw. Gedichte, Briefe, Lebensbeschreibungen von Wilhelm I, Bismarck und anderes.

In der Oberstufe erweitert sich der Geschichtsunterricht zu einer Behandlung der Gesamtentwicklung der Menschheit mit Betonung der Staatenbildung, sowie des Wirtschafts- und Verfassungslebens der Kulturvölker. Er wird ergänzt durch den religionsgeschichtlichen, philosophischen und literaturgeschichtlichen Unterricht, um ein möglichst reichhaltiges Bild der Kultur zu gewinnen. So behandelt die O II die Geschichte der alten Welt, die Kultur im alten Orient und im Mittelmeergebiet, die Entstehung der abendländischen Kultur auf den Trümmern des Altertums bis etwa zum Interregnum; dazu die Entwicklung der Verfassungen im Altertum und Mittelalter, den orientalischen Despotismus, die Stadtstaaten, das römische Kaiserreich, den Lehnstaat, den Absolutismus und Konstitutionalismus. Reichhaltige Lektüre rundet die Erkenntnisse ab, z.B. Eduard Meyers Geschichte des Altertums, Hamurabis Gesetze, Aristoteles Verfassung von Athen, Mommsens römische Geschichte, die Lex salica, Rankes und Lamprechts deutsche Geschichte.

In ähnlicher Weise wird in U I der Ausgang des Mittelalters und die neuere Weltgeschichte bis zur französischen Revolution behandelt. Daneben tritt Staats- und Ver-

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fassungslehre, insbesondere des deutschen Reiches, sowie Verwaltung, Finanzwirtschaft und Rechtspflege.

Die O I schließlich behandelt die Entstehung und Entwicklung der gegenwärtigen Kulturreiche in den letzten 150 Jahren, die Großmächte der Gegenwart in ihrem Verhältnis zu einander, ferner die volks- und weltwirtschaftlichen Probleme des 19. Jahrhunderts und der Gegenwart (Merkantilsystem, Liberalismus, Sozialismus, Bodenreform, soziale Fragen und Bewegungen der Gegenwart).

Der Geschichtsunterricht in den freien Schulgemeinden unterscheidet sich nicht wesentlich davon. In der Mittelstufe liegt das Hauptgewicht auf den Einzelnen und Besondern; die Oberstufe schreitet zum Allgemeinen fort; die geschichtliche Betrachtung verwandelt sich zur Anschauung und Erkenntnis der Gesetzmäßigkeit der treibenden Kräfte und der leitenden Ideen.

Eine eigentümliche Ausgestaltung hat der geschichtliche Unterricht der Unterstufe in der Dürerschule erfahren, bei der Müller-Lyers großes Werk, "Die Entwicklung der Menschheit" als Wegweiser gedient hat. Er ist mit dem naturwissenschaftlichen und erdkundlichen Unterricht zu einer ungetrennten Einheit verschmolzen, um zu zeigen, daß geschichtliches Geschehen und kulturelle Entwicklung nichts Isoliertes ist, sondern in engstem Zusammenhange mit der Bodenbeschaffenheit, den Erzeugnissen des Bodens, dem Klima und anderen Faktoren des Naturlebens und Geschehens steht. Wanderungen dienen der Erweiterung des kindlichen Anschauungskreises durch Besichtigung von Stätten, die geografisch, geologisch, geschichtlich oder wissenschaftlich bedeutsam sind.

Ich lege um ein Bild dieses Unterrichts an der Dürerschule zu geben, einen Stoffverteilungsplan für die Klas-

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sen VI, V und IV bei [Anm 4]. Das Klassenpensum ist in 20 Lehreinheiten für je 2 Wochen eingeteilt und gibt eine Bild von der Verschmelzung der Sondergebiete zu einem einheitlichen Kulturunterricht. Der Plan will nicht starres Schema sein von dem nicht abgewichen werden darf, sondern soll nur als Anhalt dienen; dem Lehrer ist zu überlassen, den Stoff zu beschränken oder zu erweitern.

Daß die Kinder einen so gestalteten Unterricht lebhaftes Interesse entgegenbringen, daß ihre Phantasie stark angeregt wird, davon habe ich mich selbst überzeugt. Auch die Gewöhnung, das Weltgeschehen im ganzen zu betrachten, den Sinn für die Zusammenhänge aller Lebenserscheinungen zu wecken, ist entschieden wertvoll. Demgegenüber läßt sich aber doch nicht verschweigen, daß die Fülle und Buntheit der Bilder, die den Schülern in schnellem Wechsel geboten werden, doch eine Gefahr in sich birgt, die nicht zu unterschätzen ist, nämlich daß viel wertvoller Stoff allmählich aus dem Gedächtnis verschwindet, da eine Wiederholung kaum möglich erscheint.


Deutschunterricht.

Dem Unterricht in der Muttersprache wird in den Landerziehungsheimen und freien Schulgemeinden auf allen Stufen ein breiterer Raum gelassen als in den öffentlichen Schulen. In den Lietz'schen Anstalten z.B. sind in VI 7, in V 6, in IV 5, in U III 5 und weiter hinauf je 3 Wochenstunden dafür angesetzt; daneben sind noch besondere Lektürestunden, welche dem naturwissenschaftlichen und kulturgeschichtlichen Unterricht dienen; in unsern Gymnasien sind, wie ich vergleichend einschalten möchte, die entsprechenden Zahlen 4, 3, 3, 2, 2, und von U II an je 3. Wir lassen den deutschen Unterricht zurücktreten, um Raum für den fremdsprachlichen zu gewinnen, in der Meinung, daß durch

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diesen auch die Muttersprache gewinne. Ich halte das für einen Irrtum und meine, daß ein ausgedehnter Deutschunterricht auf der Unter- und Mittelstufe dringend erforderlich ist; in einem Alter, wo die Muttersprache erst dem Schüler ein vertrautes Werkzeug zu werden anfängt, und wo so viele Sachgebiete zu behandeln sind, für die er Interesse und Verständnis hat.

Der Unterricht in der Muttersprache ist in den genannten Schulen ein Teil des allgemeinen Kulturunterrichts, und zwar der zentralste. Die Muttersprache macht erst die Teilnahme an der Kultur möglich, sie ist die fundamentale Kulturfunktion. Ohne sie bleibt die Verständigung von Mensch zu Mensch kümmerlich und lückenhaft, jede Gedankenbildung und Gedankenschulung wird in ihr am sichersten erfolgen und am tiefsten gehen. Was wir und andere fühlen, denken und wollen, wird in ihr ausgedrückt. Was unsere Ahnen gedacht erstrebt und erreicht, was sie erlitten, was sie an Kulturwerten hevorgebracht haben, erfahren wir durch die überkommenen Denkmäler unseres Schrifttums. Sie sind durch ihren Inhalt Urkunden und Erkenntnisquellen der jeweiligen Kultur. Fertigkeit im Lesen und Schreiben, Übung im Verständnis des Gelesenen, und ein sicherer, der Altersstufe angemessener mündlicher und schriftlicher Ausdruck sind deshalb Grunderfordernis des Deutschunterrichts.

Aber die Muttersprache ist uns noch mehr: nicht bloß Mittel für die Teilnahme an der Kultur, sondern selbst ein Stück wertvoller Kultur. Deshalb ist es nötig, der Jugend einen Einblick in die Eigenart und Entwicklung derselben zu geben, sie aber auch mit edlen sprachlichen Kunstgebilden und ihren Lebensgesetzen vertraut zu machen.

Ich sehe davon ab, im einzelnen den Lehrplan für das Deutsche zu skizzieren und gebe nur ein paar Hinweise

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auf Dinge, die mir bei dem Besuch des Unterrichts als besonders beachtens- und nachahmenswert aufgefallen sind.

  1. Der Sprachunterricht im engeren Sinne wird auf unsern höheren Schulen viel zu stiefmütterlich behandelt. Was er leisten sollte und leisten könnte, hat Otto Weise in seinen Büchern: Unsere Muttersprache, ihr Werden und Wesen, und: Ästhetik der deutschen Sprache mit Meisterschaft behandelt. Die Dürerschule in Hochwaldhausen pflegt diese Gebiete besonders.

  2. Die freien Schulgemeinden halten darauf, daß die Werke der modernen Dichtung und Prosa den Schülern in viel weiterem Umfange erschlossen werden, als dies an den öffentlichen Schulen geschieht. Das was die jungen Geschlechter hervorbringen und bieten, liegt der Jugend am nächsten.

  3. Literaturgeschichtliche Gesamtorientierung ist nicht zu verwerfen und in gewissem Umfange nötig; höher aber steht wirkliche Kenntnis des Wertvollsten unserer Literatur; Dichter und Denker müssen aus ihren Werken selbst zur Jugend sprechen, nicht der Literaturhistoriker über sie.

  4. Zur Privatlektüre ist anzuregen mit der Maßgabe, daß diese nicht planlos gewählt wird, sondern daß sie die Bildungsarbeit der Klasse organisch ergänzt und erweitert. Frei vorgetragene Berichte in der Klasse oder vor der ganzen Schulgemeinde dienen zur Kontrolle des Verständnisses. Es ist Bedingung, daß die Vorträge klar und sachlich und den Klassengenossen verständlich sind. Freimütige Kritik der Klassengenossen ist besonders wertvoll.

  5. Die schriftlichen Arbeiten der Schüler müssen dem Erfahrungskreise und Bildungsstand der Schüler angemessen sein. Das eigene Erlebnis, Beobachtungen, Beschreibungen, Schilderungen stehen auf der Unter- und Mittelstufe im Vordergrund.

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    Die eigene Auffassung und Meinung des Schülers darf in keiner Weise geknebelt und muß ernst genommen werden; denn nur so erzielt man Mut zu selbständigem Urteil und persönlicher Stellungnahme.

  6. In besonders angenehmer Erinnerung habe ich hinsichtlich dieses Punktes die Dürerschule; sie legt besonderen Wert auf schöpferische Leistungen, auf Anregung und Betätigung der Phantasie. Vor mir liegt ein gedrucktes Bändchen freier Arbeiten in Prosa und Poesie, die in den letzten Jahren von 10- bis 20jährigen Schülern und Schülerinnen gefertigt und mir aus ihren Tagebüchern und Aufsatzheften zur Verfügung gestellt worden sind; einige sind von ansehnlichem Umfang, andere bestehen nur aus wenigen Zeilen. Ich nenne einige Überschriften nach Gruppen geordnet:

    1. Reiseskizzen: Die Pfingstfahrt 1913 (10 Druckseiten in 4o) - Eine Reise nach Skagen.

    2. Märchen: Eine lustige Mär vom Teufel und den zwei Brüdern - Warum es im März 1919 soviel geschneit hat - Die Schatzgräber - Die beiden Spatzen - Die Wunder des Tannenwaldes - Ein Wintermärchen - Was die Wichtel der Dürerschule zu Weihnachten schenkten.

    3. Hochwaldhäuser Skizzen: Morgendämmerung - Sonnenaufgang - Maimorgen im Felsenmeer - Sommer im Oberwald - Die Grebenheimer Landstraße im Winter - Sonne im Zimmer.

    4. Menschen: Elisabeth - Helene - Der Gastwirt - Der Bahnhofsvorstand - Der Bürgermeister.

    5. Leben: Ein Zimmer im Dorf - Der erste Skilauf - Arbeitsstunde - Studientag - Über das schweigende Sitzenbleiben bei Tisch.

    6. Fabeln und Verwandtes: Der Esel und der Stier - Die Spinne und die Mücke - Die Lerche und die Unke - Hund und

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    Igel - Spatz und Star - Der Wanderer und das Irrlicht - Grasmücke und Kukuk - Distel und Kornblume - Der Paradiesvogel - Sprüche.

    7. Von der jungen Seele: Aus meinen Kindheitserinnerungen - Aufwärts - Frühlingserwachen - Wenn ich tanze - Wie höre ich Musik? - Zirkus im Dorf - Donna Beatrice - Ein alter Bekannter - Im Königsschlosse. usf.

Man darf diese Aufsätze, obwohl sie gedruckt sind, nicht sämtlich als druckreif ansehen, es sind Schülerübungen - Aber ich habe sie gern gelesen und meine Freude daran gehabt. Vor allem berührt die Schlichtheit und Wahrhaftigkeit wohltuend, mit der sich die Schreiber geben. Sie sagen nicht mehr, als sie wirklich beobachtet, empfunden, erlebt haben; es fehlt durchweg jeder Schein und verlogener Aufputz. Die sprachliche Form läßt gelegentlich zu wünschen übrig, aber oft ist sie auch überraschend gut gelungen; Gemütstiefe und zartes Empfinden, derbe Komik und feine Satire, ernste Lebensauffassung neben sonnigem Frohsinn werden geboten; Rhythmik und Melodik der Sprache sind deutlich fühlbar.

Am wenigsten befriedigen mich die Sprüche. Man merkt den Urteilen die unzureichende Lebenserfahrung an. Man sollte die Schüler nicht dazu ermutigen; sie sind dem Lebensalter nicht angemessen.

In einer Lektion über Stilistik wurden einige solcher freien Aufgaben besprochen, die die Schüler gefertigt hatten: der Autor las vor, die Mitschüler kritisierten. Mit erstaunlicher Sicherheit und Feinfühligkeit wurde in Inhalt und Ausdruck Verfehltes herausgefunden und verbessert, Gutes und Treffendes fand aber auch sein Lob.

Die Befürchtung, solcherlei schriftstellerische Betätigung sei bedenklich, weil sich die Verfasser gelungener Arbeiten als fertige Dichter und Schriftsteller fühlen möchten oder meinten, sie sollten dazu erzogen werden, teile

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ich nicht.

Mir scheint, daß in unsern Schulen die Stilkunde noch sehr stiefmütterlich behandelt wird; ein Mehr wäre wünschenswert.


Die Künste.

An den Landerziehungsheimen findet die Kunst sorgsame Pflege. Kunstwerke sind Höhepunkte der menschlichen Kultur. Das Ahnen des Göttlichen, das Vorhandensein einer andern Welt jenseits der Dumpfheit des erdlichen Daseins erhält in der Kunst seinen unmittelbaren Ausdruck. Aufgabe der Erziehung ist es, die jugendliche Seele zum Miterleben des Göttlichen zu bringen. Aber dazu gelangt nur der, in dem selber Gottes Geist lebt. Bildung des Herzens und Geistes ist also nicht Folge oder Wirkung der Kunsterziehung, sondern Vorbedingung. Erst wer jene Bildung sich erkämpft hat, dem wird als Lohn das Erleben der Kunst zu Teil.

Drei Ziele stellen sich die Heime für den Kunstunterricht:

  1. Entwicklung der eigenen künstlerischen Ausdrucksfähigkeit;

  2. Sinn für künstlerische Gestaltung der Umwelt und

  3. Gewinnung eines tieferen Verhältnisses zu den Schöpfungen der Kunst.

Und nicht weniger hoch bewerten die freien Schulgemeinden die Kunst. Ihre Schöpfungen, sagt Wyneken, sind Blumen aus dem Paradiese, sie sind das unbedingt Wertvolle, gehören einer Welt an, die dem Dienst des vergänglichen Wesens entzogen ist. Die Schönheit dieser Welt zu erleben und in dem Erlebnis den Sieg des Geistes über den Stoff zu feiern, dazu muß die Jugend bereit und fähig gemacht werden. Die Kunst soll ihr nicht Mittel und Zweck sein, etwa im Lebenskampfe Erholung und Erquickung zu finden, da Gemüt zu erwärmen und für höhere Regungen empfänglich zu machen, sondern die Jugend soll sie pflegen, um des unmittelbaren Wertes selbst willen, der in

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dem Kunsterlebnis liegt.

Zu dem Zwecke ist die Jugend zum richtigen Hören und Sehen, zum Verstehen und Beurteilen wahrer Kunst zu erziehen, es müssen ihr die Wege zu solchem Urteilenkönnen geöffnet werden, damit sie den Mut gewinnt, ihrer Überzeugung Ausdruck zu geben und Afterkunst abzulehnen, und sie muß schließlich mit der Sprache echter Kunst so vertraut gemacht werden, daß sie ihr nicht mehr Fremdsprache ist, daß sie dichterisch, malerisch, musikalisch zu denken vermag.

Die Einführung in die Kunst kann nur durch den erfolgen, der selbst ihre Sprache versteht. Deshalb wird in allen diesen Schulen wert darauf gelegt, daß Musik- und Zeichenlehrer echte Vertreter der Kunst sind; die Teilnahme am Kunstunterricht ist pflichtmäßig.

Auf die Ausgestaltung des Musikunterrichts näher einzugehen, bin ich leider nicht imstande, da ich nicht musikalisch bin. August Halms Bücher: Von zwei Kulturen der Musik und die Symphonie Anton Bruckners dienen, wie es scheint, als Wegführer. Gelegenheit gute Musik zu hören, wird in den Heimen reichlich geboten. Der Musiklehrer eröffnet und beendigt die Kapellen durch ein Vorspiel zumeist klassischer Stücke; die eigenen Konzerte und Darbietungen des Gesangchores bringen nur gute Musik. Nicht selten werden Reisen in eine größere Stadt unternommen, um ein Meisterwerk der Tonkunst zu hören. Jeder Musikbegabte hat Gelegenheit, im Heim sein künstlerisches Können zu entwickeln.

In Wickersdorf finden zweimal wöchentlich Musikabende statt. Der Chor singt oder einer der Lehrer - man hält darauf, daß sie musikalisch beanlagt und auf einem Instrumente Meister sind - spielt Bach, Bruckner, Halm, aber auch Beethoven und Mozart vor. Für die Kleinen ist außerdem zweimal vormittags eine Stunde Vorspiel.

Auch in der Dürerschule wird das Verständnis für die Werke der Tonkunst in ernster Arbeit gepflegt. Die Anstalt

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scheint in dem derzeitigen Musiklehrer Hilmar Höckner einen vortrefflichen Musikpädagogen zu besitzen, der auch in weiteren Kreisen mit Erfolg reformierend wirkt. Unermüdlich geübte Kultur des Hörens und eindringendes Studium der Gesetze der musikalischen Formsprache führen neben eigenem tätigen Musizieren die Jugend zu einer Liebe und Begeisterung für die Tonkunst, die ich an öffentlichen Schulen noch niemals kennen gelernt habe. Die großen Formen der Fuge und der Sonate sind die höchsten Gegenstände des Kunsterlebens.

Mit gleicher Liebe werden die darstellenden Künste, insbesondere das Zeichnen gepflegt. Hier gilt es das Auge zum bewußten Sehen zu erziehen, den Geschmack und das Gedächtnis für Formen und Farben zu bilden und die eigene Ausdrucksfähigkeit für bildliche und plastische Darstellungen zu üben. Das Erleben echter Kunstwerke der Malerei und Plastik ist auch hier Ziel der Erziehung. Nebenbei sei bemerkt, daß das Modellieren in Plastilin und Ton in Ilsenburg nicht nur in den Vorschulklassen, sondern bis zur Tertia hinauf geübt wird; es sind mir ganz reizende Sachen gezeigt worden, z.T. von Schülern, die im Zeichnen wenig Gutes leisteten; die größeren Schüler dürfen neben dem Zeichnen und Malen die Technik des Linoleum- und Holzschnitts und der Keramik üben, auch Versuche in der Kunst der Radierung, des Steindrucks der Gipsplastik sind gemacht worden.

Ein hübsches Experiment machte der Zeichenlehrer in der V des Heims zu Ilsenburg. Vor einigen Wochen hatten die Jungen zum ersten Mal Pinsel und Farbe in die Hand bekommen. Auf einem Sockel vor den Schülern stand ein Strauß bunter großblättriger Gartenblumen; sie erhielten den Auftrag ihn zu malen. Die Jungen malten frisch darauf los; nach 2 Stunden war das Werk vollendet. Man sah: Unverständliche Klexereien, zusammengelaufene Farben, also schlimmsten Expres-

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sionismus, aber man sah auch wohl erkennbare Abbilder des Straußes, kühn und flott hingeworfene, durchaus richtig gesehene Formen und Farben. Hier zeigten sich unverkennbar Talente, die nur gefördert zu werden brauchen, um achtbare Leistungen zu erzielen.

Den Tertianern, also schon geübten Zeichnern, erzählte derselbe Zeichenlehrer die Geschichte der Kreuzigung Jesu. Die Schüler mußten während der Schilderung die Augen schließen und sie nachher noch eine Zeitlang geschlossen haben, um sich die Szene so lebendig wie möglich zu vergegenwärtigen. Dann gingen sie mit versonnenem Blick und nachdenklicher Miene ans Malen. Das Ergebnis war überraschend gut; ich sah Bildchen, welche nach jeder Richtung hin beachtenswert waren. Für eins waren von einem Liebhaber 100 M geboten worden.

Übrigens wird das Zeichnen nicht nur als Unterrichtsfach betrieben, sondern es wird nach Möglichkeit in allen Lehrfächern gezeichnet, um die Beobachtung zu schärfen.

Ich erwähne in diesem Zusammenhange noch allerlei kunstgewerbliche Arbeit Gehobeltes und Gedrehtes, Bucheinbände und Papparbeiten, die mir an verschiedenen Schulen gezeigt wurden. Auch manch hübschen Apparat für den physikalischen, chemischen, mathematischen und erdkundlichen Unterricht begegnete ich, die aus den Händen der Schüler hervorgegangen waren. In Ilsenburg besaßen die Quartaner selbstgefertigte Meßtische und Meßwerkzeuge, mit denen sie gruppenweise unter der Leitung des Mathematikers in Garten und Feld Aufnahmen machten. In Wickersdorf befindet sich eine musterhaft eingerichtete geräumige Tischlerwerkstatt, wo eine große Zahl von Schülern unter Leitung eines Handwerksmeisters fleißig der Tischlerei obliegt. Ganze Zimmerausstattungen sollen schon daraus hervorgegangen sein.

Besonderer Erwähnung wert sind noch die Theateraufführungen, die sowohl in den Heimen wie in den Schulgemeinden

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mindestens einmal vierteljährlich stattfinden. Gleich bei meiner Ankunft in Ilsenburg nahm ich an einer Darstellung Schneewittchens bei den sieben Zwergen teil, und in Wickersdorf sah ich wenigstens die Vorübungen für die Aufführung eines Lustspiels. Die Wickersdorfer haben sogar einen eigenen Theaterdichter, den von den Zöglingen sehr verehrten Dr. [Martin] Luserke; seine Lustspiele werden mit Vorliebe aufgeführt. Selbstverständlich hat die Pflege des Schauspiels nichts mit dem Theaterbetrieb der bürgerlichen Welt zu tun. Es ist vielmehr ein Teil des geistigen Lebens der Anstalten, eine unmittelbare Äußerung ihres Gemeinschaftslebens. Die szenische Aufmachung ist höchst primitiv und bedarf der Ergänzung durch die Phantasie. Die Auffassung zeigt gleichsam - so drückt es Wyneken treffend aus - die durch ein Zauberwort in eine andere Welt entrückte verwandelte Gemeinschaft selbst. Ich stimme ihm durchaus darin bei, daß es kaum ein Mittel gibt, durch das mit einer gleichstarken Gewalt und Eindringlichkeit der Jugend die Ahnung eines höheren, freieren schöneren Daseins vermittelt und sie über sich selbst erhoben werden kann.


Körperliche Erziehung.

Die Landerziehungsheime wie die Schulgemeinden legen auf die körperliche Erziehung ihrer Zöglinge den höchsten Wert. Die Gründe liegen auf der Hand. Die Großstädte verbrauchen mit ihrem aufreibenden, der Natur immer ferner rückenden Leben Nerven und Kräfte der Jugend; auch der einseitig intellektuelle Schulbetrieb, die langen Schulwege und Fahrten nehmen dem Körper seine Frische. Sollen die schlimmen Folgen wett gemacht werden, so muß das ganze Leben der Jugend umgestaltet werden. Schon die Verlegung der Schulen auf das Land, die Verpflanzung der Jugend aus der städtischen Umgebung mit ihren ungünstigen Einwirkungen in die freie Natur ist ein Mittel dazu. Hinzu kommt die strenge

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Durchführung des Wechsels zwischen rein geistiger und körperlicher Betätigung und Freizeit; wobei die gebrauchten Kräfte jedesmal ausspannen können.

Man beginnt in den Heimen morgens frühzeitig mit einem Dauerlauf, dessen Länge dem Alter der Zöglinge angepaßt ist. Gleich nach dem Aufstehen, treten sie in leichtester Bekleidung auf dem Hofe an, machen unter Leitung eines Erwachsenen einige Minuten lang Frei- und Atemübungen, und dann verschwindet alles in hurtigem Laufe im Grün des Waldes. Nach Rückkehr ziehen sich die Schüler fertig an, bringen ihre Zimmer in Ordnung und frühstücken. Die Älteren haben zwischen 1/2 7 und 12 Uhr, die Kleineren in kürzerer Zeit ihren wissenschaftlichen Unterricht mit höchstens 5 Stunden von 45 Minuten. Zwischen den Stunden liegen Pausen von 15-30 Minuten Länge. Außerdem wird auch der Unterricht, so oft es geht, im Freien abgehalten. Um 12 Uhr Mittagessen. Es wird wenig Fleisch, viel Gemüse, Obst oder eine Milchspeise gereicht; daß sie dabei gedeihen, zeigt ihr gesunder Appetit und ihr blühendes Aussehen. Nach 2 stündiger Mittagspause folgen an 4 Wochentagen von 2 - 3 1/2 Uhr abwechselnd praktische Arbeiten in Garten und Feld, oder Zeichnen und Modellieren. Von 5 Uhr ab ist Arbeitsstunde, die bei den Älteren bis 7 1/2 Uhr dauert. Nach dem Abendessen, das stets fleischfrei ist, ist Sonntags und viermal Wochentags die Kapelle; der Mittwoch- und Sonnabendnachmittag ist ganz frei zu beliebiger Beschäftigung. Die Pfingst- und Michaeliswoche werden zu längeren Ausflügen benutzt. Familienweise macht man sich zu Fuß oder zu Rad auf den Weg, um ein schönes Gebiet deutschen Landes kennen zu lernen. Die Kleinen besuchen den Harz, die Weserberge, die Lüneburger Heide und die Nordseeinseln, die Größeren dehnen ihre Reisen weiter auf das ganze Gebiet der deutschen Mittelgebirge und den Rhein mit seinen Nebentälern aus. Auf diesen Reisen geht es

((S. 59))

durchaus spartanisch zu. Man kocht oft draußen ab, schläft im Freien und hat so die herrlichste Gelegenheit zur Abhärtung. Daneben lernt man die Heimat kennen und erwirbt auch sonst förderliche Kenntnisse.

Geturnt wird jeden Tag, die Turnhalle steht immer zur Benutzung offen; es herrscht ein frischer Zug von Freiwilligkeit. Im Sommer badet und schwimmt man, im Winter läuft man Schlittschuh und Ski.

Was bei dieser körperlichen Erziehung herauskommt, das tritt in den gelenkigen, kräftigen wettergebräunten Gestalten der älteren Schüler zu Tage; es ist eine Freude sie zu sehen.

Auch in den freien Schulgemeinden nimmt die leibliche Ausbildung einen hervorragenden Platz ein. Die Tageseinteilung der Wechsel zwischen Unterricht und Freizeiten ist den Heimen nachgebildet. In Wickersdorf und in der Odenwaldschule [Anm 5] nehmen Schüler und Schülerinnen vormittags, selbst im Winter ein Luftbad mit Freiübungen; auch Dauerläufe finden mehrmals wöchentlich statt; ebenso wird der Nachmittag neben praktischer Arbeit reichlich für Sport und Spiel benutzt. Im Landerziehungsheim in Gaienhofen am Bodensee unterbrechen die Mädchen das tägliche Freibad im See auch im Winter nur kurze Zeit und nehmen es oft im Januar oder Februar schon wieder auf.

Ein Wort noch über die Haltung der Schüler im allgemeinen. Ich bin viel mit ihnen zusammen gewesen, mit Knaben und Mädchen, Kleinen und Großen, habe mir von ihnen erzählen lassen, habe teilgenommen an ihren Spielen und Arbeiten - und ich muß ihnen volles Lob spenden: nirgends sind mir Unbeholfenheit oder Schüchternheit, aber auch nirgends Unbescheidenheit, schlechte Manieren oder ordinäres Wesen entgegengetreten, überall aber bei einem gewissen selbstbeherrschten Wesen Freundlichkeit, Offenheit, Freimut, und liebenswürdiges

((S. 60))

Entgegenkommen. Sehr herzlich gaben sich die Kinder an der Dürerschule. Die Kleinen wie die Großen ließen es sich nicht nehmen, mich, obwohl ich an sich schon Gast der Schule war, noch besonders zu Kaffee, Schokolade und Kuchen einzuladen.

Besonders fiel die sonnige Heiterkeit der Jugend in Ilsenburg, an der Dürer- und Odenwaldschule auf, die für den Fremdling etwas geradezu Beglückendes hatte. Man empfand deutlich: Hier ist der Jugend eine Stätte bereitet, in der sie sich wohl fühlt, weil sie sich nach ihrer besten Eigenart entfalten kann. Die älteren Schüler in Bieberstein zeigten starken männlichen Ernst; die Wickersdorfer etwas mehr Zurückhaltung und beobachtendes Wesen, ebenso die Mädchen in Gaienhofen. Man hat Wyneken vorgeworfen, er erziehe die Jugend zur Frühreife und vorzeitigen Unkindlichkeit, zur Unbescheidenheit und Blasiertheit. Ich kann das nach meinen Beobachtungen nicht bestätigen. Gewiß die Älteren zeigen ein gewisses Selbstbewußtsein, eine auch dem Fremden fühlbare Zurückhaltung, es spricht aus ihrer Art sich zu geben eine typische Lebensform, wie sie etwa der Geburtsadel in seiner edelsten Ausprägung zu zeigen pflegt. Aber von Dünkel und Blasiertheit habe ich nichts gemerkt.

Besonders erfreut hat mich immer die Begeisterungsfähigkeit, die so oft im Unterricht zu Tage trat, das feinfühlige Verständnis und die Hingabe an sittliche Werte, die Freude an allen Gesunden und Kräftigen, an der Natur und an dem Leben auf dem Lande, und schließlich eine Anhänglichkeit und Liebe zu ihrer Schule, wie sie an unseren öffentlichen Schulen selten gefunden wird. Zählt man in diesen die Tage bis zu den Ferien, wo man der Schule entfliehen kann, so ersehnen dort die Kinder in den Ferien den Tag, an den sie zu ihrer Schule zurückreisen dürfen.

((S. 61))


Schluß.

Ich bin am Ende meiner Ausführungen. Ich glaube gezeigt zu haben, daß das, was die Landerziehungsheime und freien Schulgemeinden auf dem Gebiete der Schulreform geleistet haben, durchaus beachtenswert ist und Nachfolge verdient. Unsre öffentlichen Schulen auf einmal auf das Neue umzustellen geht aber nicht an, der Schwierigkeiten und Hemmnisse sind zu viele. Aber das läßt sich ermöglichen, daß zahlreiche Versuchsschulen gegründet und staatlich unterstützt werden, an denen in dem neuen Geiste gearbeitet wird [Anm 6]. Ich bin überzeugt, daß es an geeigneten und willigen Lehrern nicht fehlen wird. Die Reform kann nicht ohne Lehrer gemacht werden. Wenn die Schulreformer die alten Lehrer als ungeeignet ablehnen und meinen, die Jugend müsse selbst die neue Schule aufbauen, so ist das eine Utopie. Es mag sein, daß ein großer Teil der Lehrer zähe am Alten hängt und dem Werdenden mit äußerstem Mißtrauen gegenübersteht, aber daraus folgt noch nicht, daß sie unfähig sind umzulernen und sich für das Neue zu erwärmen. Man muß sie nur dafür zu gewinnen suchen. Das geschieht aber ganz gewiß nicht durch Schelten und Schimpfen, sondern durch Belehrung und sachliche Gründe. Die heftige Sprache in den Veröffentlichungen der entschiedenen Schulreformer hat die Oberlehrerschaft aufs tiefste erbittert. Der Weg zur Erneuerung der Schule kann nur über die Lehrerschaft zu den Schülern gehen, nicht umgekehrt. Nur auf dem Wege geduldiger Aufklärung ist sie zu erreichen, nicht anders; es ist selbstverständlich, daß festgewordene Überzeugungen nicht von heute auf morgen abgelegt werden können.

Und eben dies, die Gewinnung der Oberlehrerschaft, scheint gegenwärtig die wichtigste Aufgabe der Schulaufsichtsbehörde zu sein. Man wird um so besseren Erfolg haben, wenn

((S. 62))

man aus eigener Anschauung heraus ihnen sagen kann: Das was da von den Reformern gefordert wird, ist keine Utopie; da sind Schulen, in denen es längst wirkliche ist und sich besser bewährt als das, was bisher gewesen ist.


Benutzte Literatur.

Dr. F.[riedrich] Grunder, Landerziehungsheime und Freie Schulgemeinden[. Aus vieljähriger Praxis in Deutschland, England, Frankreich und der Schweiz (=Pädagogogium, 7)] bei Klinkhardt in Leipzig 1916.

Dr. G.[ustav] Wyneken, Schule und Jugendblätter bei Eugen Diederichs in Jena [3., unveränd. Aufl.] 1919.

Derselbe, Revolution und Schule bei Klinkhardt Leipzig [1919].

M.[artin] Luserke. Schulgemeinde. [Der Aufbau der neuen Schule], Furcheverlag Berlin 1919.

Dr. G.[ustav] Wyneken, Wider den altsprachlichen Unterricht bei Diederichs in Jena 1916 [erw. Fassung des gleichlautenden Aufsatzes in: Die Freie Schulgemeinde, Jg. 6 (1916), Heft 3, S. 59-79].

Hefte der Freien Schulgemeinde (Blatt des Bundes für freie Schulgemeinden) 1919/20 [Anm 7].

Hermann Lietz, die ersten 3 deutschen Landerziehungsheime. Verlag des Landwaisenheimes [Veckenstedt] an der Ilse 1918.

Derselbe, die deutsche Nationalschule. [Beiträge zur Schulreform aus den deutschen Landerziehungsheimen,] 2. Aufl. [hrsg. von Alfred ANDREESEN] 1920, ebenda.

Derselbe, Leben und Arbeit, Von Bürgern und Freunden der deutschen Landerziehungsheime 1919/20 [Anm 8], ebenda.

Dürerschule, Zeitschrift des Bundes Dürerschule E.V. herausgegeben von G.[eorg] H.[elmuth] Neuendorff 1919/20 bei Friedrich Ehrenklau Lauterbach (Hessen).

Zweiter Bericht der Dürerschule Hochwaldhausen, von G.[eorg] H.[elmuth] Neuendorff u.a. bei Teubner Leipzig 1915.

[Kummerow] [Anm 9].





Anmerkungen:

Anm. 1

Die Reichsschulkonferenz fand vom 11.-16.06.1920 im Berliner Reichstag statt. - Oberhambach, Archiv der Odenwaldschule: Gästebuch vom 09.05.1910 bis 01.02.1921: Hier findet sich [auf S. 152] am 16.06.1920 ein Eintrag von "Prof. Kummerow, Geh. Oberregierungsrat, Berlin".

Anm. 2

Gemeint: LIETZ, Hermann, Die ersten drei Landerziehungsheime - zwanzig Jahre nach der Begründung. Ein Versuch ernsthafter Durchführung deutscher Schulreform, Veckenstedt 1918; 2., unveränd. Aufl. ebd. 1919.

Anm. 3

Bleistiftzusatz: "nein, volles Stimmrecht von 6 Jahren an".

Anm. 4

Diese Anlage fehlt in dem im Archiv der Schulfarm Insel Scharfenberg vorhandenen Exemplar.

Anm. 5

Wickersdorf ist mit Bleistift nachträglich durchgestrichen.

Anm. 6

Dieser Satz ist herausgehoben durch einen lilafarbenen Farbstift am Rande des Textes - evt. nachträglich angefügt von Blume.

Anm. 7

Blätter der Arbeitsgemeinschaft Nürnberg des Bundes für Freie Schulgemeinden, Nürnberg.

Anm. 8

Leben und Arbeit. Zeitschrift der Bürger und Freunde der deutschen Landerziehungsheime.

Anm. 9

Unterschrift.







Nachbemerkung von Dietmar Haubfleisch


Über die Biographie Erich Kummerows, der im Sommer 1920 einige deutsche Landerziehungsheime besuchte und über diesen Besuch den hier vorliegenden Bericht verfaßte, ist nicht viel bekannt. Laut Informationen im 'Philologen-Jahrbuch (Kunzes Kalender) für das höhere Schulwesen Preußens und einiger anderer deutscher Länder' wurde er am 18.12.1888 geboren; er wurde Jurist und war ab 01.04.1920 im Reichsarbeitsministerium (Besoldungsdienstalter: 22.11.1920), ab 23.01.1922 in der preußischen Unterrichtsverwaltung, ab 16.05.1922 im Berlin-Brandenburgischen Provinzialschulkollegium und von 1927-29 als Justiziar im Provinzialschulkollegium Sachsen/Magdeburg tätig [Anm. 1]. Das 'Magdeburger Adreßbuch' für das Jahr 1929 enthält den Hinweis, Regierungsrat Kummerow, sei "Prokurator des Pädagogiums am Kloster Unser Lieben Frauen, Regierungsstraße 2 I" [Anm. 2]. Im nächsten Jahrgang des 'Adreßbuches' wird Kummerow nicht mehr genannt; damit verliert sich seine Spur weitestgehend.

Bis Anfang der 30er Jahre veröffentlichte Kummerow einige schulrechtliche Arbeiten [Anm. 3]. In den Jahren 1947 bis 1949 erschienen einige juristische Publikationen von einem Autor namens Erich Kummerow [Anm. 4]; geht man davon aus, daß es sich hier um dieselbe Person handelt, so kann vermutet werden, daß Kummerow seit Anfang der 30er Jahre als Jurist tätig war und Ende der 40er Jahre noch lebte [Anm. 5].

Der 62seitige maschinenschriftliche von Erich Kummerow verfaßte 'Bericht über einen Besuch von Landerziehungsheimen' ist undatiert. Doch läßt sich eindeutig erschließen, daß Kummerow seine Reise im Sommer 1920 unternahm; denn er weist in seiner Arbeit darauf hin, daß er Paul Geheeb (1870-1961) an der Odenwaldschule nicht kennenlernen konnte, da dieser "zur Reichschulkonferenz [die vom 11. bis 16. Juni 1920 im Berliner Reichstag stattfand] einberufen war" (S. 2). Zur Bestätigung dieser Terminierung findet sich im Gästebuch vom 09.05.1910 bis 01.02.1921 am 16.06.1920 ein Eintrag von "Prof. Kummerow, Geh. Oberregierungsrat, Berlin" [Anm. 6].

Der Bericht ist ein interessantes Dokument, vermittelt er doch interessante Einblicke in die Unterrichts- und Erziehungsrealität einiger Landerziehungsheime im Jahr 1920 aus der Sicht eines Besuchers.

Er ist zugleich einer der zahlreichen Belegen

Liest man den Bericht unter dem Gesichtspunkt, daß sein Autor - der seiner Auffassung Ausdruck verleiht, eine breitere Schulreform könne "nicht ohne Lehrer gemacht werden" (S. 61) und die Gewinnung der Lehrerschaft für eine solche Schulreform sei "gegenwärtig die wichtigste Aufgabe der Schulaufsichtsbehörde" (ebd.) - (wohl) 1922 Mitarbeiter im berlin-brandenburgischen Provinzialschulkollegium - "für die Lehrer der höheren Schulen [in Preußen] nicht nur Aufsichts-, sondern auch Anstellungsbehörde" [Anm. 9] - wurde, so gibt der Bericht auch einen Hinweis darauf, daß in der Literatur hin und wieder aufzufindenden undifferenzierten Hinweisen, das berlin-brandenburgische Provinzialschulkollegium der 20er Jahre sei im wesentlichen konservativ bis reaktionär ausgerichtet wesen, zumindest mit etwas Vorsicht begegnet werden sollte.

Das als Vorlage für diese Edition dienende Exemplar des 62seitigen maschinenschriftlichen Berichtes, das - bis auf die fehlende 1. Seite - im Archiv der Schulfarm Insel Scharfenberg (Bestand im Landesarchiv Berlin) erhalten geblieben ist [Anm. 10], hat eine nicht uninteressante eigene "Rezeptionsgeschichte":

Am 23.01.1922 - also exakt an dem Tag, an dem laut 'Kunzes Kalender' Kummerow seinen Dienst im berlin-brandenburgischen Provinzialschulkollegium angetreten hatte - besuchte der Reformpädagoge Wilhelm Blume (1884-1970) Kummerow an seinem neuen Arbeitsplatz, um hier um Unterstützung für seinen geplanten reformpädagogischen Schulversuch auf der im Tegeler See gelegenen Insel Scharfenberg im Nordwesten Berlins zu werben [Anm. 11] und - da er gerade an seinem kurze Zeit später, zu Anfang Februar 1922 eingereichtes "Gesuch an den Magistrat, die Deputation für die äußeren Angelegenheiten der höheren Schulen und den Ausschuß für Versuchsschulen um Ausbau der 1921 für das städtische Humboldtgymnasium begründeten Sommerschule auf der Insel Scharfenberg zu einer eigenständigen Sammelwahlschule für Schüler Berlins zunächst in der Form einer Versuchs-Oberschule" [Anm. 12] arbeitete - die allerneuesten Informationen über die aktuelle schulpolitischen Diskussionen "hinter den Kulissen des preußischen Ministeriums" [Anm. 13] einzuholen und sicherlich auch, um sein Gesuch 'vorzutesten'.

Kummerow, der auch den 'Bericht der drei Studienräte Cohn, Schmidt und Blume vom städtischen Humboldtgymnasium zu Berlin über die Sammelschule auf der Insel Scharfenberg' [Anm. 14] - einer Art 'Vorversuch' des Anfang 1992 geplanten Vorhabens zur Gründung eines reformpädagogischen Internats - gelesen hatte [Anm. 15] und stellte Blume ein Exemplar seines 'Berichts' zur Verfügung [Anm. 16]. Er sah "der weiteren Entwicklung mit wirklich innerer Anteilnahme entgegen" [Anm. 17], konnte Blume aber bezüglich der von diesem erhofften Neuerungen für die Oberstufe zu diesem Zeitpunkt noch nicht allzu gute Aussichten vorbringen, denn "der Widerstand der am Alten hängenden sei noch zu groß"; immerin aber habe "der Minister [...] einen Herrn Dr. [Hans] Richert [(1869-1940)] mit der Ausarbeitung neuer Pläne betraut." [Anm. 18]

Blumes Bemühungen sollten tatsächlich von Erfolg gekrönt sein: Im Mai 1922 kam der Versuch zustande und entwickelte sich bald als "Schulfarm Insel Scharfenberg" zu einer der exponiertesten öffentlichen reformpädagogischen Schulen der Weimarer Republik.

Kummerow war - wie Blume an verschiedenen Stellen immer wieder bemerkte - in den ersten Entwicklungsjahren der Schulfarm innerhalb des Provinzialschulkollegiums eine der wenigen Stützen des Scharfenberger Reformversuches [Anm. 19].



Anmerkungen zu den Nachbemerkungen:


Anm. 1

Philologen-Jahrbuch (Kunzes Kalender) für das höhere Schulwesen Preußens und einiger anderer deutscher Länder, Jg. 34: Schuljahr 1927/28, 2. Teil, Breslau 1927, S. 75*, und Jg. 35: Schuljahr 1928/29, 2. Teil, Breslau 1928, S. 79*.

Anm. 2

Magdeburger Adreßbuch, Jg. 85 (1929), S. 211

Anm. 3

U.a.: KUMMEROW, Erich, Die Primarreife. Wie erwirkt man sie, und welche Bestimmungen gewährt ihr Besitz? Auf Grund amtlichen Materials und unter besonderer Berücksichtigung der im Kriege erlassenen Sonderbestimmungen zusammengestellt, Berlin o.J. [1917]. - KUMMEROW, Erich, Die Reifeprüfung an den neunklassigen höheren Lehranstalten und den an den Besitz des Reifezeugnisses geknüpften Berechtigungen. Auf Grund amtl. Mat. und unter besonderer Berücksichtigung der durch den Krieg geschaffenen Verhältnisse, Berlin o.J. [1917]. - KUMMEROW, Erich, Der Volksschullehrer. Die Bestimmungen über Anstellungen, Rechte und Pflichten der Volksschullehrer. Ges. und erl., 2 Teile (=Weidmannsche Taschenausgaben und Verfügungen der preußischen Unterrichtsverwaltung, 54 und 55), Berlin 1918. - KUMMEROW, Erich, Die neuesten amtlichen Bestimmungen betr. der Reifeprüfung, Versetzung und sonstigen Vergünstigungen für frühere Schüler höherer Lehranstalten, die am Kriege teilgenommen, im vaterländischen Hilfsdienst, in der Reichswehr oder im Grenzschutz Dienste geleistet hatten, verwundet oder in Gefangenschaft waren (=Sammlung amtlicher Bekanntmachungen, 19), Berlin 1920. - KUMMEROW, Erich, Die jetzt gültigen amtlichen Bestimmungen betr. der Lehramtsprüfung, Versetzung und sonstigen Vergünstigungen für frühere Zöglinge der Lehrerseminare und Präparantenanstalten, die am Kriege teilgenommen, im vaterländischen Hilfsdienst, in der Reichswehr oder im Grenzschutz Dienste geleistet hatten, verwundet oder in Gefangenschaft waren (=Sammlung amtlicher Bekanntmachungen, 20), Berlin 1920. - KUMMEROW, Erich, Der Junglehrer. Die Bestimmungen über die Prüfungen, die Beschäftigung und die äußere Stellung der Anwärter des Volksschuldienstes. Ges. und erl. Stand vom 15.03.1929 (=Weidmannsche Taschenausgaben von Verfügungen der Preußischen Unterrichtsverwaltung, 64), Berlin 1929. - KUMMEROW, Erich, Aufbringung der Mittel für die höhere Schule, in: Wesen und Wege der Schulreform. Hans Richert dem Sechzigjährigen zum 21. September 1929, hrsg. von Adolf Grimme, Berlin 1930, S. 284-292. - KUMMEROW, Erich, Begabtenförderung in Preußen, Leipzig 1931.

Anm. 4

KUMMEROW, Erich, Erbrecht (=Bürgerliches Gesetzbuch, Buch 5; =Leitfaden der Rechtswissenschaft, 5 ), Berlin 1947. - KUMMEROW, Erich, Familienrecht (=Bürgerliches Gesetzbuch, Buch 4; =Leitfaden der Rechtwissenschaft, 4), Berlin 1947. - KUMMEROW, Erich, Sachenrecht (=Bürgerliches Gesetzbuch, Buch 3; =Leitfaden der Rechtswissenschaft, 6), Berlin 1948. - KUMMEROW,Erich, Allgemeiner Teil [des Bürgerlichen Gesetzbuches] (=Bürgerliches Gesetzbuch, Buch 1; =Leitfaden der Rechtswissenschaft, 1), Berlin 1949. - KUMMEROW, Erich, Gesetz über die Verschollenheit, die Todeserklärung und die Feststellung der Todeszeit vom 4.VII.1939 (=Guttentagsche Sammlung deutscher Reichsgesetze, 234), Berlin 1949.

Anm. 5

In nachfolgenden Archiven befinden sich laut brieflicher Auskunft keine (!) Archivalien, die weitere Auskunft über Kummerows Biographie geben könnten: Berlin, Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung / Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung / Archiv (BBF) (Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung (Archiv) an D. Haubfleisch briefl. vom 08.01.1999), - Berlin, Bundesarchiv (Bundesarchiv (Berlin) an D. Haubfleisch briefl. vom 26.02.1999), - Potsdam, Brandenburgisches Landeshauptarchiv (Brandenburgisches Landeshauptarchiv (Potsdam) an D. Haubfleisch briefl. vom 15.03.1999), - Magdeburg, Kunstmuseum Kloster Unser Lieben Frauen [Archiv] (Kunstmuseum Kloster Unser Lieben Frauen [Archiv] (Magdeburg) an D. Haubfleisch briefl. vom 07.05.1999), - Magdeburg, Landesarchiv (Landesarchiv Magdeburg an D. Haubfleisch briefl. vom 17.03.1999), - Magdeburg, Stadtarchiv (Kunstmuseum Kloster Unser Lieben Frauen [Archiv] (Magdeburg) an D. Haubfleisch briefl. vom 07.05.1999.

Anm. 6

Oberhambach, Archiv der Odenwaldschule: Gästebuch vom 09.05.1910 bis 01.02.1921, S. 152. - Zu dieser Quelle s.: SCHMITT, Hanno, Die Besucherbücher der Odenwaldschule (1910-1933), in: Nationale und internationale Verbindungen der Versuchs- und Reformschulen in der Weimarer Republik. Beiträge zur schulgeschichtlichen Tagung vom 17.11.-18.11.1992 im Hamburger Schulmuseum, hrsg. von Reiner LEHBERGER (=Hamburger Schriftenreihe zur Schul- und Unterrichtsgeschichte, 5), Hamburg 1993, S. 130-135; mit akt. Anmerkungsteil wieder: Marburg 1999: http://archiv.ub.uni-marburg.de/sonst/1999/0006.html

Anm. 7

BLUME, Wilhelm, Die Oktoberstudienfahrt des Ausschusses [der Schulfarm Insel Scharfenberg im Oktober 1924] [Berlin, Landesarchiv, Berlin, Landesarchiv: Rep. 140: Schulen, Acc. 4573: Schulfarm Insel Scharfenberg: Chronik der Schulfarm Insel Scharfenberg, Bd. V, S. 61-64 und S. 69-83], hrsg. von Dietmar HAUBFLEISCH, Marburg 1999: http://archiv.ub.uni-marburg.de/sonst/1999/0001/q21.html (hier S. 71).

Anm. 8

S. u.a.: Nationale und internationale Verbindungen der Versuchs- und Reformschulen in der Weimarer Republik. Beiträge zur schulgeschichtlichen Tagung vom 17.11.-18.11.1992 im Hamburger Schulmuseum, hrsg. von Reiner LEHBERGER (=Hamburger Schriftenreihe zur Schul- und Unterrichtsgeschichte, 5), Hamburg 1993. - HAUBFLEISCH, Dietmar, Die Schulfarm Insel Scharfenberg (Berlin) und ihre vielfältigen Vernetzungen mit Personen und Institutionen der Reformpädagogik der Weimarer Republik. Einige Beispiele und Funktionen, in: Nationale und internationale Verbindungen der Versuchs- und Reformschulen in der Weimarer Republik. Beiträge zur schulgeschichtlichen Tagung vom17.11.-18.11.1992 im Hamburger Schulmuseum, hrsg. von Reiner LEHBERGER (=Hamburger Schriftenreihe zur Schul- und Unterrichts- geschichte, 5), Hamburg 1993, S. 52-64; im Anmerkungsteil leicht verändert wieder: Marburg 1997: http://archiv.ub.uni-marburg.de/sonst/1997/0006.html

Anm. 9

BATH, Herbert, Zur Organisation von Schulaufsicht und Schulverwaltung in Groß-Berlin und seinen Verwaltungsbezirken vor 1945, in: Reformpädagogik in Berlin - Tradition und Wiederentdeckung. Für Gerd Radde, hrsg. von Wolfgang KEIM und Norbert H. WEBER (=Studien zur Bildungsreform, 30), Frankfurt [u.a.] 1998, S. 83-97; ['leicht'] veränderte Fassung des Aufsatzes 'Berliner Bezirke und Schule - Schulaufsicht und Schulverwaltung in Groß-Berlin vor 1945' [nicht, wie in der Festschrift angegeben u.d.T. 'Die Organisation von Schulaufsicht und Schulverwaltung in Groß-Berlin und seinen Verwaltungsbezirken vor 1945'], in: Pädagogik und Schulalltag, Jg. 1 (1994), S. 51-59; hier (1998), S. 90.

Anm. 10

Berlin, Landesarchiv: Rep. 140: Schulen, Acc. 4573: Schulfarm Insel Scharfenberg.

Anm. 11

BLUME, Wilhelm, Die Anfänge ... anno 1921/22, in: Wilhelm Blume zum 100. Geburtstag (=Neue Scharfenberg-Hefte, 6), Berlin 1984, S. 9-12, hier S. 10.

Anm. 12

BLUME, Wilhelm, Gesuch an den Magistrat, die Deputation für die äußeren Angelegenheiten der höheren Schulen und den Ausschuß für Versuchsschulen um Ausbau der 1921 für das städtische Humboldtgymnasium begründeten Sommerschule auf der Insel Scharfenberg zu einer ständigen Sammelwahlschule für Schüler Berlins zunächst in der Form einer Versuchs-Oberschule, - eingereicht von Studienrat W. Blume vom städtischen Humboldtgymnasium. Anfang Februar 1922, hrsg. von Dietmar HAUBFLEISCH, Marburg 1999: http://archiv.ub.uni-marburg.de/sonst/1999/0001/q12.html

Anm. 13

BLUME, Anfänge, S. 10.

Anm. 14

Bericht der drei Studienräte Cohn, Schmidt und Blume vom städtischen Humboldtgymnasium zu Berlin über die Sammelschule auf der Insel Scharfenberg [Berlin, Geheimes Staatsarchiv PK: Rep. 76 VI, Sekt. 14 z, Nr. 48 II, Bl. 38-66; sowie: Berlin, Landesarchiv, Berlin, Landesarchiv: Rep. 140: Schulen, Acc. 4573: Schulfarm Insel Scharfenberg], hrsg. von Dietmar HAUBFLEISCH, Marburg 1999: http://archiv.ub.uni-marburg.de/sonst/1999/0001/q10.html zuerst veröffentlicht als: Zur Geschichte der Schulfarm. Bericht der drei Studienräte Blume, Cohn und Schmidt vom städtischen Humboldt-Gymnasium zu Berlin über die Sommerschule auf der Insel Scharfenberg (1921) (=Neue Scharfenberg-Hefte, 1), Berlin 1982.

Anm. 15

BLUME, Anfänge, S. 10.

Anm. 16

BLUME, Anfänge, S. 10.

Anm. 17

BLUME, Anfänge, S. 10.

Anm. 18

BLUME, Anfänge, S. 10.

Anm. 19

Vgl. u.a. die unterschiedlichen Hinweise zu Kummerow in: BLUME, Wilhelm, Bericht über die Entwicklung der städtischen Scharfenbergschule, erstattet von ihrem Leiter Wilhelm Blume unter Mithilfe der Fachvertreter, verbunden mit dem Gesuch um staatliche Anerkennung zu Oktober 1923, unter Beifügung von Stundentafeln und Lehrplänen. Eingereicht an Herrn Geheimrat Dr. Michaelis als Vertreter des Provinzialschulkollegiums im Juli 1923 [Berlin, Geheimes Staatsarchiv PK: I. HA, Rep. 76 VI, Sekt. 14 z, Nr. 48 II, Bl. 174-267], hrsg. von Dietmar HAUBFLEISCH, Marburg 1999: http://archiv.ub.uni-marburg.de/sonst/1999/0001/q13.html