Prävalenz, Ätiologie und Prognose von Husten in der Primärversorgung – eine systematische Übersichtsarbeit symptomevaluierender Studien

Hintergrund: Husten ist einer der häufigsten Beratungsanlässe in der Primärversorgung. Für eine evidenzbasierte Entscheidungsfindung benötigen Hausärztinnen und Hausärzte Setting-spezifisches Wissen über die Häufigkeit, die Prätestwahrscheinlichkeiten zugrunde liegender Erkrankungsbilder und den Ver...

Ausführliche Beschreibung

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Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Bergmann, Milena
Beteiligte: Becker, Annette (Prof. Dr.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2022
Schlagworte:
Online Zugang:PDF-Volltext
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Beschreibung
Zusammenfassung:Hintergrund: Husten ist einer der häufigsten Beratungsanlässe in der Primärversorgung. Für eine evidenzbasierte Entscheidungsfindung benötigen Hausärztinnen und Hausärzte Setting-spezifisches Wissen über die Häufigkeit, die Prätestwahrscheinlichkeiten zugrunde liegender Erkrankungsbilder und den Verlauf eines Symptoms. In der vorliegenden systematischen Übersichtsarbeit und Metaanalyse symptomevaluierender Studien wurden daher Studien zur Prävalenz/Inzidenz, Ätiologie und Prognose des Symptoms Husten in der Primärversorgung ausgewertet. Die Daten wurden sowohl für Erwachsene, Patient*innen aller Altersgruppen als auch für Kinder erhoben. Methoden: Entsprechend eines vorab definierten Algorithmus erfolgte eine systematische Literatursuche in den Datenbanken MEDLINE und EMBASE bis einschließlich November 2019 bzw. Januar 2020. Im Sinne einer Schneeballsuche wurden die anhängigen Literaturverzeichnisse der eingeschlossenen Studien gescreent. Eingeschlossen wurden englische, französische und deutsche Originalarbeiten mit unselektierten Studienkollektiven von Patient*innen, welche aufgrund von Husten eine hausärztliche Praxis konsultierten. Zwei unabhängige Reviewer*innen beurteilten Ein- und Ausschlusskriterien sowie die methodische Qualität der Studien. Die Effektschätzer sowie die Varianz zwischen den jeweiligen Einzelstudien (Between-Study Variance) wurden in Forest Plots dargestellt. Für eine Metaanalyse innerhalb geeigneter Subgruppen - sofern im Rahmen der Heterogenität vertretbar - verwendeten wir das Random Effects Model. Ergebnisse: Dreiundsiebzig Publikationen erfüllten die Einschlusskriterien. Sechzig Veröffentlichungen entsprechend 31 Studien enthielten Daten zu Erwachsenen bzw. Patient*innen aller Altersgruppen, davon 22 Studien mit Schätzern zur Prävalenz/Inzidenz, zwölf zur Ätiologie und vier zur Prognose. Bei den Kindern ließen sich 20 einschlägige Veröffentlichungen (19 Studien) identifizieren, hiervon enthielten 14 Studien Daten zur Prävalenz/Inzidenz, fünf zur Ätiologie und eine Studie zur Prognose. Die Prävalenzschätzer für Erwachsene und Patient*innen aller Altersgruppen lagen bei 3,8-4,2% in westlicher Primärversorgung und bei 10,3-13,8% in Afrika, Asien und Südamerika. Die entsprechenden Inzidenzen wurden mit 12,5% (westliche Primärversorgung) bzw. 6,3-6,5% (Afrika, Asien und Südamerika) bestimmt. Husten war bei Kindern häufiger als bei Erwachsenen, mit niedrigen Prävalenzen bei Jugendlichen und im Sommer: Die Prävalenzschätzer lagen zwischen 4,7-23,3% (Beratungsanlässe) und bis zu 60% bezogen auf Patient*innen oder Konsultationen. In westlichen Ländern wurde akuter Husten sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern vor allem durch obere Atemwegsinfektionen und Bronchitis verursacht, gefolgt von Influenza und Asthma. Abwendbar gefährliche Verläufe wie Pneumonie, COPD, Herzinsuffizienz und Verdacht auf eine maligne Erkrankung lagen im Niedrigprävalenzbereich. Zu subakutem und chronischem Husten bei Erwachsenen und Kindern fanden sich nur wenige Daten. Zugrunde liegende Ätiologien von Husten über zwei Wochen bei Kindern waren wiederkehrende Atemwegsinfektionen (27,7%), Asthma (bis zu 50,4%) und Pertussis (37,2%). 40,2-67% der Erwachsenen und Patient*innen aller Altersgruppen mit akutem Husten berichteten eine Genesung nach zwei Wochen und 79% nach vier Wochen. Die mittlere Zeit bis zur Genesung lag zwischen neun und elf Tagen. 21,1-35% der Patient*innen rekonsultierten, 0-1,3% wurden im Krankenhaus aufgenommen, niemand verstarb. Die Gesamthustendauer bei Kindern mit subakutem und chronischem Husten lag zwischen 24 und 192 Tagen, zwei Monate nach Symptombeginn husteten noch 62,3%. Diskussion: Die Prävalenz und Inzidenz von Husten sind hoch und regional unterschiedlich. Die Ergebnisse dieser Arbeit stützen die Empfehlungen gängiger Leitlinien bezüglich eines abwartenden Offenhaltens bei akutem Husten, da dieser überwiegend durch selbstlimitierende Atemwegsinfekte verursacht wird. Bei chronischem Husten ist bei Kindern eine Genese durch Asthma oder Pertussis zu bedenken. Weitere hochqualitative Forschung zu ätiologischen Prätestwahrscheinlichkeiten wird benötigt, da sich nur wenige Daten insbesondere zur Ätiologie von subakutem und chronischem Husten in westlicher Primärversorgung fanden. Um die Evidenz bezüglich der Entscheidung zwischen einem abwartenden Offenhalten vs. der Einleitung weiterer Diagnostik, Überweisung oder Therapie zu verbessern, sind prognostische Studien zum Symptom Husten in der Primärversorgung notwendig. Essentiell sind dabei standardisierte Outcomes, eine ausreichende Länge der Follow-Up-Periode und eine unselektierte Studienpopulation. Die epidemiologischen Daten dieser Arbeit wurden vor dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie erhoben. Es wird interessant sein, sie mit zukünftiger Forschung der Post-Pandemie-Ära zu vergleichen.
Umfang:104 Seiten
DOI:10.17192/z2022.0350