Internationale Feldstudien zur Evaluation der Klassifikation chronischer Schmerzen in der 11. Revision der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD-11)

Am 1. Januar 2022 wird die 11. Revision der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD-11) international in Kraft treten. Die Einsatzgebiete der ICD sind breit gefächert und umfassen neben Mortalitäts- und Morbiditätsstatistiken auch die klin...

Ausführliche Beschreibung

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Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Korwisi, Beatrice
Beteiligte: Barke, Antonia (PD Dr.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2020
Schlagworte:
Online Zugang:PDF-Volltext
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Beschreibung
Zusammenfassung:Am 1. Januar 2022 wird die 11. Revision der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD-11) international in Kraft treten. Die Einsatzgebiete der ICD sind breit gefächert und umfassen neben Mortalitäts- und Morbiditätsstatistiken auch die klinische Dokumentation, Abrechnung medizinischer Leistungen und gesundheitspolitische Entscheidungen. Trotz hoher Prävalenzen und erheblicher Krankheitslast wurden chronische Schmerzen in der bisherigen 10. Revision der ICD (ICD-10) nur unzureichend abgebildet. Daher wurde für die ICD 11 eine umfassende Klassifikation chronischer Schmerzen entwickelt, welche sieben Hauptkategorien chronischer Schmerzen definiert. Diagnostische Klassifikationssysteme sollten verschiedene Gütekriterien erfüllen. Hierzu zählen Validität und Reliabilität, die wiederum wichtige Voraussetzungen für die klinische Nützlichkeit des Klassifikationssystems darstellen. Eine Verbesserung der klinischen Nützlichkeit wurde neben globaler Anwendbarkeit als Hauptziel des ICD-Revisionsprozesses festgelegt. Das übergeordnete Ziel der vorliegenden Dissertation war die Evaluation der ICD-11-Klassifikation chronischer Schmerzen im Rahmen von internationalen formativen und evaluativen Feldstudien. Formative Feldstudien werden im Laufe der Entwicklung eines Klassifikationssystems durchgeführt, um notwendige Anpassungen der Struktur zu ermöglichen. Daher hatte Studie 1 zum Ziel, die Hauptkategorien der ICD-11-Klassifikation chronischer Schmerzen im Rahmen einer formativen Feldstudie zu überprüfen. Die Studie wurde in der klinischen Routineversorgung in Schmerz- und allgemeinmedizinischen Kliniken in Australien, Deutschland, Japan und Norwegen durchgeführt. Es zeigte sich, dass die sieben Hauptkategorien 97 % der vorliegenden chronischen Schmerzsyndrome erfassten. Nur 2 % der Schmerzsyndrome fielen in mehr als eine Kategorie. Mit der vollständigen Erfassung zugrundeliegender Schmerzsyndrome und dem gegenseitigen Ausschluss der Kategorien erfüllt die neue Klassifikation zwei wichtige Eigenschaften diagnostischer Klassifikationssysteme. In einer weiteren formativen Feldstudie (Studie 2) sollte die neue Klassifikation dahingehend überprüft werden, ob sie sich in die übergeordnete Struktur der ICD-11 integrieren lässt und ob sich die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) definierten Kodierregeln auf die neuen Schmerzdiagnosen anwenden lassen. Hierzu wurde eine internetbasierte Feldstudie international durchgeführt. Schmerzspezialistinnen und -spezialisten ordneten diagnostischen Begriffen die jeweilige ICD-10- und ICD-11-Diagnose zu. Weiterhin erfolgte eine Zuordnung von ICD-11-Diagnosen zu kurzen Fallvignetten. Die ICD-11-Diagnosen waren den ICD-10-Diagnosen hinsichtlich korrekter Kodierung, Einfachheit, Detailtiefe und Ambiguität überlegen. Die Kodierregeln wurden bei einem Großteil der Vignetten korrekt angewendet. Die klinische Nützlichkeit der neuen Diagnosen wurde als sehr hoch eingeschätzt. Um die Anwendung der Klassifikation zu vereinfachen und um die Diagnosevergabe für Forschung und Praxis zu standardisieren, wurde im Rahmen von Studie 3 ein Klassifikationsalgorithmus entwickelt. Im Rahmen einer Pilotevaluation wurde der Algorithmus von Schmerzspezialistinnen und -spezialisten hinsichtlich seiner Nützlichkeit evaluiert. Die Struktur des Algorithmus folgt international etablierten Richtlinien. Der Algorithmus stellt einen linearen Entscheidungsbaum dar. Wer den Boxen und Pfeilen des Baumes folgt, wird zu den entsprechenden ICD-11-Diagnosen für chronische Schmerzen geleitet. Hyperlinks und Seitenverweise erleichtern die Anwendung des PDF-Dokuments. Im Rahmen der Pilotevaluation wurde der Algorithmus als sehr nützlich eingeschätzt. In Ergänzung zu den formativen Feldstudien (Studien 1 und 2) wurde im Rahmen der vorliegenden Dissertation auch eine umfassende evaluative Feldstudie international durchgeführt (Studie 5). Zunächst wurde ein Studienprotokoll für diese naturalistische Implementierungs-Feldstudie entwickelt (Studie 4). Das Studienprotokoll definiert zwei Erhebungswellen für die Feldstudie, welche in Ländern aller Einkommensgruppen durchgeführt werden sollen. Die Teilnehmenden sollen die neuen ICD-11-Schmerzdiagnosen auf konsekutive Patientinnen und Patienten anwenden. Die Interrater-Reliabilität der Diagnosen sowie deren eingeschätzte klinische Nützlichkeit stellen die Hauptergebnismaße dar. Im Rahmen von Studie 5 wurde das Studienprotokoll in Schmerzkliniken in Indien (niedrig-mittlerer Einkommensstatus), Kuba (hoch-mittlerer Einkommensstatus) und Neuseeland (hoher Einkommensstatus) umgesetzt. Für elf Diagnosen konnte die Interrater-Reliabilität bestimmt werden, die für zehn Diagnosen im substanziellen Bereich lag. Die klinische Nützlichkeit der neuen Diagnosen wurde als sehr hoch eingeschätzt. Insgesamt liefert die vorliegende Dissertation Befunde für die hohe Qualität der neuen ICD-11-Klassifikation chronischer Schmerzen, die sich in den berichteten Feldstudien als global anwendbar erwies und somit die übergeordneten Hauptziele der ICD-11 erfüllt.
Umfang:239 Seiten
DOI:10.17192/z2021.0108