Evaluation einer zahnmedizinischen Intensivprophylaxebei 12-jährigen mit erhöhtem Kariesrisiko
Die Polarisierung des Kariesbefalls in bestimmten sozialen Gruppen macht die Entwicklung von Intensivprophylaxe-Programmen für Kinder aus diesen Gruppen notwendig. In Marburg wurde eine solche selektive Intensivprophylaxe (SIP) Mitte der 90er Jahre als Kooperation zwischen der Marburger Universität...
Saved in:
Main Author: | |
---|---|
Contributors: | |
Format: | Doctoral Thesis |
Language: | German |
Published: |
Philipps-Universität Marburg
2010
|
Subjects: | |
Online Access: | PDF Full Text |
Tags: |
Add Tag
No Tags, Be the first to tag this record!
|
Summary: | Die Polarisierung des Kariesbefalls in bestimmten sozialen Gruppen
macht die Entwicklung von Intensivprophylaxe-Programmen für Kinder aus diesen Gruppen notwendig. In Marburg wurde eine solche selektive Intensivprophylaxe (SIP) Mitte der 90er Jahre als Kooperation zwischen der Marburger Universitäts-zahnklinik und dem jugendzahnärztlichen Dienst des Gesundheitsamtes implementiert. Sie umfasst neben gesundheitserzieherischen Elementen Zahnpflege-unterweisungen nach der KAI-Technik und Fluoridlackapplikationen
4x/Jahr.Die vorliegende Studie zielte darauf ab, den Effekt der Marburger SIP auf die Mundgesundheitan 12-jährigen zu überprüfen. Ein Meilenstein war dabei die Erprobung des International Caries Detection and Assessment System (ICDAS II). Die vorliegende Studie wurde nach dem Konzept einer Kohortenstudie mit zurückverlegter Anfangszeit durchgeführt. Die Probanden der Prüfgruppewurden aus 3 Schulen in sozialen Brennpunkten im Landkreis Marburg-Biedenkopf rekrutiert, in denen bis zur 6. Klasse eine SIP durchgeführt und dokumentiert worden war. Als Vergleichsgruppe wurden Sechstklässler aus 34 Brennpunktschulen in einer anderen Region rekrutiert, die nur an einer Basisprophylaxe teilgenommen und im Rahmen der Gruppenpropylaxe keine Fluoridpräparate erhalten hatten. Die zahnärztlichen´sowie psychometrischen Untersuchungen wurden im Schuljahr 2007/2008 durchgeführt. Die Fragebögen dienten der Erfassung von sozialen und prophylaxebezogenen Einflussgrößen. Die Erfassung der Karies erfolgte nach dem ICDAS II.Die Einflussvariablen Ernährungsverhalten, Beginn und Häufigkeit der Zahnpflege, Tablettenfluoridierung, Anwendung von Fluoridlack- bzw. –lösung sowie Fissurenversiegelung in der Zahnarztpraxis, Zahngesundheitswissen, Soziale Schichtzugehörigkeit und Ethnie wurden hinsichtlich ihrer Wirkung auf die Karieserfahrung in der Gesamtgruppe überprüft. Dabei wurden bivariate und multivariate Analysetechniken eingesetzt.
Als alleinige Zielgröße diente der D3-6MF-T- Index. Für den Vergleich der Mundgesundheitsparameter (D3-6MF-T, D5,6MF-T, D3-6F-S, D1,2F-S, SiC, GI) erfolgte eine Parallelsierung der Prüf-und Vergleichsgruppe.Zur Einschätzung von Differenzen zwischen der Prüfgruppe und der Vergleichsgruppe wurde der Mann-Whitney-U-Test eingesetzt. Zum Vergleich von Häufigkeiten kam der Chi-Quadrat-Test nach Pearson zum Einsatz. Differenzen zwischen Prüf- und Vergleichsgruppe wurden dann als signifikant eingeschätzt, wenn die Irrtumswahrscheinlichkeit p kleiner als 0,05 war.
Die Stichprobenausschöpfung lag bei 65,9%. Insgesamt gingen 925 12-
Jährige in die Auswertung ein.Es konnten Zusammenhänge zwischen der Zielgröße D3-6MF-T–Index und der Ethnie, dem Sozialstatus, einer Tablettenfluoridierung in der Vergangenheit, dem Beginn der Zahnpflege, Fluoridlackapplikationen in der Zahnarztpraxis, Fissurenversiegelungen, dem Prophylaxewissen sowie Fluoridlacktouchierungen in der Gruppenprophylaxe nachgewiesen werden. In der binären logistischen Regression erwiesen sich folgende unabhängigen Variablen als signifikante Einflussgrößen: Summe versiegelter Zähne, Zuckerindex, früher Beginn der Zahnpflege und Fluoridtouchierungen insgesamt.Intensivprophylaxe-Teilnehmer hatten im Mittel 0,88, die Schüler der Vergleichsgruppe durchschnittlich 1,73 D3-6MF-Zähne. Deutliche Unterschiede zugunsten der Prüfgruppe traten in den kariösen Übergangsstadien (ICDAS Score 3 und 4), dem Significant Caries Index (SiC) und dem Sanierungsgrad auf. Bezüglich des Vorhandenseins von Plaque und dem GI waren keine signifikanten Unterschiede zu verzeichnen. Teilnehmer der Intensivprophylaxe wiesen mehr Fissurenversie-gelungen auf und erhielten häufiger Fluoridtouchierungen beim Hauszahnarzt. Die Ergebnisse unserer Studie bestätigen die kariespräventive Wirkung der Marburger Intensivprophylaxe. Für die Prüfgruppe dokumentierten alle erhobenen Outcome-Variablen eine bessere Zahngesundheit. Damit kann die Marburger selektive Intensivprophylaxe als Modell für die deutsche Präventionslandschaft dienen. Mit der differenzierten Karieserfassung nach dem ICDAS II konnte auch die für Fluoridlack- Programme typische Progressionshemmung von Initialläsionen bestätigt werden. Es dient also der Verbesserung der Ergebnisqualität, wenn bei epidemiologischen Erhebungen oder Evaluationen von Prophylaxemaßnahmen differenzierte visuelle Klassifizierungssysteme wie das ICDAS-II zur Anwendung kommen. Da sich die beiden Gruppe bezüglich des Ernährungsverhaltens, des Prophylaxewissens und der Mundhygiene kaum unterschieden, legt unsere Studie den Schluss nahe, dass der Effekt der Marburger SIP vor allem auf der Intervention mit Fluoridlack beruht. Der nachgewiesene Zusammenhang der Karieserfahrung mit bestimmten Einflussvariablen kann helfen, Risikogruppen zu erkennen und sie einer Intensivprophylaxe zuzuführen. |
---|---|
DOI: | 10.17192/z2011.0401 |