Wirksamkeit und Nutzen ambulanter kinder- und jugendpsychiatrischer Behandlungen. Eine kontrollierte Therapiestudie an einer klinisch-repräsentativen Stichprobe
In der Psychotherapieforschung wird zunehmend die Frage nach der Effektivität von „naturalistischen“ Behandlungen in der realen Gesundheitsversorgung („effectiveness“-Studien) gestellt. Im deutschsprachigen Raum wurden bisher keine kontrollierten klinisch-repräsentativen Therapiestudien mit ambulant...
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Beteiligte: | |
Format: | Dissertation |
Sprache: | Deutsch |
Veröffentlicht: |
Philipps-Universität Marburg
2009
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Online-Zugang: | PDF-Volltext |
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Zusammenfassung: | In der Psychotherapieforschung wird zunehmend die Frage nach der Effektivität von „naturalistischen“ Behandlungen in der realen Gesundheitsversorgung („effectiveness“-Studien) gestellt. Im deutschsprachigen Raum wurden bisher keine kontrollierten klinisch-repräsentativen Therapiestudien mit ambulanten Behandlungssetting durchgeführt.
Zielsetzung/Hypothesen: In einer Institutsambulanz wurde eine kontrollierte Studie durchgeführt, um die Wirksamkeit der therapeutischen Interventionen zu überprüfen. Diese zeichnet sich durch zwei Hauptmerkmale aus: Es handelte sich um eine naturalistische Studie mit zugewiesenen Patienten, die eine normale Behandlung im Rahmen der allgemeinen Gesundheitsversorgung erhielten. Das zweite Hauptmerkmal besteht darin, dass es sich um eine kontrollierte Therapiestudie handelte, d. h. das Untersuchungsdesign war so konzipiert, dass eine Wartekontrollbedingung (Eigenkontrollgruppe) mit der Behandlungsbedingung verglichen werden konnte. Ein weiteres wichtiges Merkmal ist die relativ lange Follow-up-Untersuchung. Stichprobe und Methode: In die Hypothesenüberprüfung gingen alle die Patienten ein, bei denen zu allen 4 Zeitpunkten eine Messung durchgeführt werden konnte (N=46 Patienten). Hierdurch war es möglich, die Veränderungen über die 4 Messzeitpunkte im Beobachtungszeitraum zu analysieren und insbesondere die Veränderungen der Wartezeit mit den Veränderungen nach erfolgter Intervention zu vergleichen. Nach telefonischer Anmeldung wurde eine Fragebogenerhebung durchgeführt (T1-Messung) und die Patienten wurden auf eine Warteliste gesetzt. Nach 3 bis 4 Monaten wurde eine weitere Messung (T2) durchgeführt und die Behandlung begonnen. Nach 6 Monaten erfolgte eine dritte Messung (T3. Eine abschließende Follow-up Messung (T4) wurde nach weiteren 6 Monaten, d. h. insgesamt ein Jahr nach Behandlungsbeginn, durchgeführt. Es wurden drei Kriterienmaße ausgewählt: (1) die psychiatrische Symptombelastung des Kindes/Jugendlichen aus Elternsicht (CBCL-Gesamt-T-Wert), (2) die Lebensqualität des Kindes/Jugendlichen aus Elternsicht (LQ28-Rohwert der ILK-Elternversion) und (3) die Lebensqualität des Kindes/Jugendlichen aus Patientensicht (LQ28-Rohwert der ILK-Kinder-/ Jugendlichenversion). Diese Daten lagen für alle 4 Messzeitpunkte vor.
Ergebnisse: Die erste Hypothese: „Im Beobachtungszeitraum zeigt sich eine bedeutsame Verbesserung in der Psychopathologie und in der Lebensqualität der Patienten“ konnte bei zwei von drei Überprüfungen, nämlich bei der Psychopathologie aus Sicht der Eltern (CBCL) und bei der Lebensqualität der Kinder und Jugendlichen aus Elternsicht (ILK-Elternversion), eindeutig bestätigt werden. Dabei zeigte sich weiterhin, dass die bedeutsamen Verbesserungen sich nicht in der Wartezeit, sondern im Therapieverlauf einstellten. Beim Kriterienmaß „Lebensqualität“ (Elternangaben) zeigten sich diese Verbesserungen schon im kurzfristigen Verlauf deutlich, beim Kriterienmaß „Psychopathologie“ erst im längerfristigen Verlauf. Die Höhe der Prä-Post-Effekte lag im Therapieverlauf in einem niedrigen bis mittleren Bereich (ES: 0,22 bis 0,48). Die Hypothese 2 „Die Behandlung ist wirksam“ kann nur als partiell bestätigt gelten. Wenn man die Verbesserung der Lebensqualität als Kriterium heranzieht, kann die Hypothese als bestätigt gelten: Die Therapiegruppe schnitt im Vergleich zur Wartegruppe deutlich besser ab. Bei den Elternangaben zur Lebensqualität lagen die Effektstärken immerhin in einem mittleren Bereich (Wirksamkeit A: ES=0,52 bei T2-T1 versus T3-T2; Wirksamkeit B: ES=0,65 bei T2-T1 versus T4-T2); bei den Jugendlichenangaben waren die Effekte geringer (Wirksamkeit A: ES=0,31; Wirksamkeit B: ES= 0,28). Im Hinblick auf die Verbesserung der psychopathologischen Symptomatik dagegen konnte die Wirksamkeit der Behandlung im Kontrollgruppenvergleich nicht nachgewiesen werden.
Diskussion: Die vorliegenden Ergebnisse geben erstmals im deutschsprachigen Raum Auskunft über erreichbare Effekte einer ambulanten kinder- und jugendpsychiatrischen Behandlung in einer Institutsambulanz mit Regelversorgung. Die Wirksamkeit der Therapie konnte partiell bestätigt werden: die Lebensqualität zeigte aus Elternsicht eine Verbesserung im Laufe des Jahres mit einer mittleren Effektstärke. Im Vergleich zu den bisherigen Erkenntnissen von amerikanischen Forschergruppen, die keinen oder nur einen geringen Effekt einer ambulanten Behandlung nachwiesen, sind die Ergebnisse sehr positiv und ermutigend. Die Ergebnisse der Untersuchung sollten durch weitere Studien, möglichst mit größerer Stichprobengröße zur Erhöhung der Teststärke, überprüft werden. Da im ambulanten Setting die Drop-out-Rate in der Regel bedeutsam sein kann, empfiehlt sich eine Untersuchung im Cross-over-Design mit Eigenkontrollgruppe. Im weiteren sollten Moderatoren und Mediatoren des Erfolges analysiert werden. |
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Umfang: | 249 Seiten |
DOI: | 10.17192/z2009.0463 |