Entwicklung qualitativer Bilddeskriptoren zur Klassifikation morphologischer intrakranieller CT- und MRT-Befunde

HINTERGRUND: Klinisch-medizinisches Wissen ist einer schnellen Evolution unterworfen, gleichzeitig zunehmend differenzierter und schwierig in transdisziplinären Wissenssystemen zu organisieren. Informiertes Entscheiden nach Vorgaben einer evidenzbasierten Medizin wird auf der anderen Seite vom klini...

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Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Sämann, Philipp Georg
Beteiligte: Auer, Dorothee (Dr.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2006
Schlagworte:
Online-Zugang:PDF-Volltext
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Beschreibung
Zusammenfassung:HINTERGRUND: Klinisch-medizinisches Wissen ist einer schnellen Evolution unterworfen, gleichzeitig zunehmend differenzierter und schwierig in transdisziplinären Wissenssystemen zu organisieren. Informiertes Entscheiden nach Vorgaben einer evidenzbasierten Medizin wird auf der anderen Seite vom klinischen Arzt erwartet und neben der Erfahrung zu einer Frage optimaler Informationsquellen. Im Idealfall sollen wissensbasierte Informationssysteme mit individuellen Patientenbefunden konfrontiert werden und differenzialdiagnostische oder –therapeutische Entscheidungen unterstützen. ZIEL: Vorbereitend für die Wissensabbildung in einem solchen Informationssystem für die klinischen Neuroradiologie (NR) bietet sich daher zunächst die Fragmentierung von Lehrbuchwissen in prototypische Einzelbefunde (Deskriptoren) an, die verbunden mit Bildbeispielen als eigenständige Wissenseinheiten fungieren können. MATERIAL UND METHODEN: In der Abteilung für Kernspintomographie des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie, München, wurden retrospektiv 141 diagnostisch gesicherte Fälle der Bereiche Neoplasie (42), Gefäßkrankheiten (49), Entzündung und Demyelinisierung (13), Neurodegeneration (8) und sonstige Erkrankungen (4) auf Bild- und Befundebene auf diagnosetypische und –relevante MRT- und CTCharakteristika hin untersucht. Die Deskriptorsammlung wurde durch manuell aus über 280 Lehrbuch-Bildbeschreibungen und –texten extrahierte Deskriptoren ergänzt und in einem hierarchisch aufgebauten neuroradiologischen Deskriptionsschema (NRDS) zusammengefasst. Nach dem rekursiven Abgleich des NDRS mit weiteren Quellen sowie der Diskussion mit NRExperten wurde es in die multidisziplinäre Wissensdatenbank N-EXPERT (Institute of Applied Sciences in Medicine, München) integriert und herangezogen, um probatorisch Einträge für ein digitales Lehrbuch, strukturierte Einzelbefunde und Einzelbildbeispiele zusammenzustellen. Es wurde weiterhin die Abdeckungsbreite renommierter klinischer Thesauren und die Text-Bild-Verbindung in frei zugänglichen Online-Neuroradiologie-Informationssystemen untersucht sowie alternative Wissensabbildungsmodelle und die Rolle strukturierter Bilddeskription für radiologische Diagnoseunterstützungssysteme recherchiert. ERGEBNISSE UND DISKUSSION: Das aus circa 150 Einzelbegriffen bestehende NRDS kann verwendet werden, um Kernbefunde der kraniellen CT und MRT strukturiert in einem digitalen Lehrbuch zu verankern und als Navigationsinstrument einen Anwender effizient zu einer Lehrbuchseite, einer Einzelfallbeschreibung oder zu Einzelbildbeispielen zu führen. Diagnoseunterstützung kann durch einen im Vergleich zu herkömmlichen Atlanten beschleunigten Zugriff auf die gesuchte NR Rubrik und durch Suchperspektiven entlang eines oder mehrerer Schlüsselbefunde in mehreren Granularitätsstufen erfolgen. Die gleichzeitigen Zugriffsmöglichkeiten entlang einer anatomischen Achse, einer Diagnose-Achse sowie über neuroradiologische oder nicht-neuroradiologische Einzelbefunde sind im Vergleich zu existierenden Neuroradiologie-Online-Informationssystemen innovativ und wirken ineffizientem Browsing entgegen. Die Verknüpfung zwischen prototypischen Einzelbefunden und Bildbeispielen in der Systemumgebung N-EXPERT erlaubt daneben die schnelle Rekrutierung von Material für Lehre und Ausbildung. Eine tiefere, expertenähnliche diagnostische Logik kann innerhalb des NRDS durch die rein monohierarchische Strukturierung nur eingeschränkt abgebildet werden kann. Im Speziellen fehlen mindestens eine zwischen Elementarbefunden und Diagnose stehende Entität zur Aggregation von Teilbefunden und explizit definierte Beziehungen zwischen NRDS-Komponenten sowie dem NRDS und anderen N-EXPERT-Komponenten. Während die Befundverschlüsselung von Fallbeispielen in N-EXPERT möglich ist, entspricht dies derzeit nur bedingt einer strukturierten Befundung im klinischen Sinne: Die Abdeckung von Einzelphänomenen ist maßgeblich von den ätiologischen Teilgebieten bei der Entwicklung des Vokabulars abhängig und damit prinzipiell erweiterbar – die Dispersion von Einzelbefunden und die unhandliche Abbildung anatomischer Information innerhalb des NRDS resultieren jedoch derzeit in einem zu komplexen Dokument. Die Recherche ähnlicher strukturierter NR Befundungsschemata und Vokabularien bestätigte, dass eine Doppellösung mit ausreichender Expressivität für die klinische Befundung und gleichzeitige Anbindung an ein klinisches Informationssystem für die NR noch nicht existiert. Kritisch muss die fehlende formale Evaluation des NRDS bezüglich Vollständigkeit, semantischer Präzision und diagnostischer Relevanz gesehen werden. AUSBLICK: Weiterentwicklungsmöglichkeiten bestehen in der Anpassung an alternative Abbildungsmethoden, wie beispielsweise an für die diagnostische Radiologie erprobte semantische Netze, die Ergänzung der Einzelbefunde um epidemiologische Häufigkeitsangaben, die Kombination mit Clustering- und Visualisierungsmethoden zur Erfassung mehrdimensionaler Befundmuster einschließlich klinisch relevanter Eigenschaften wie Prototypcharakter und Ähnlichkeit, um durch systematische Befundung des Individualfalles die Klassenzugehörigkeit, beispielsweise zu diagnostischen Kategorien, bestimmen zu können.
Umfang:219 Seiten
DOI:10.17192/z2007.0046