Biochemische Bestimmung und Charakterisierung des Bindungsverhaltens eines physiologisch vorkommenden Autoantikörpers gegen humanes α-Synuclein

Die durchgeführten Untersuchungen zeigen, dass natürlich vorkommende Autoantikörper gegen humanes αS existieren. Diese lassen sich sowohl aus Einzelspenderseren von gesunden Kontrollpersonen, als auch aus kommerziell erhältlichen IVIG extrahieren. In den immunhistochemischen Untersuchungen an der hu...

Ausführliche Beschreibung

Gespeichert in:
Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Seitz, Florian
Beteiligte: Dodel, Richard (Prof. Dr. med.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2023
Schlagworte:
Online Zugang:PDF-Volltext
Tags: Tag hinzufügen
Keine Tags, Fügen Sie den ersten Tag hinzu!
Beschreibung
Zusammenfassung:Die durchgeführten Untersuchungen zeigen, dass natürlich vorkommende Autoantikörper gegen humanes αS existieren. Diese lassen sich sowohl aus Einzelspenderseren von gesunden Kontrollpersonen, als auch aus kommerziell erhältlichen IVIG extrahieren. In den immunhistochemischen Untersuchungen an der humanen Neuroblastomzelllinie SH-SY5Y, am exemplarisch ausgewählten transgenen αS Tiermodell und in den post-mortem Hirngewebeproben neurodegenerativer Krankheitsbilder können die Proteinablagerungen sicher und ausgeprägt mit dem nAbs-αS detektiert werden. Die Proteinuntersuchungen im Immunoblot zur Epitopcharakterisierung legen den Schluss nahe, dass der nAbs-αS in der Lage ist, die oligomeren Zwischenstufen des αS zu detektieren, dies aber eher dem Erkennen eines Konformationszustandes des Proteins denn einem linearen Epitop entspricht. Dies spiegelt Beobachtungen wider, die zu anderen nAbs bekannt sind [Bach et al. 2012]. Ähnlich wie nAbs-Aβ bei der AD spielen nAbs-αS möglicherweise eine Funktion in der Krankheitsprogression bzw. könnten eine therapeutische Rolle einnehmen. Die Daten von Besong-Agbo zeigen reduzierte nAbs-αS-Spiegel bei Patienten mit PS [Besong-Agbo et al. 2013]. Da nAbs-αS Bestandteil von IVIG sind, könnte dies Potential für eine mögliche Therapie bei Synucleinopathien darstellen. Dies ist in Anbetracht der Daten von Bartels, Wang sowie Trexler und Kollegen, die eine native αS-Tetramer-Hypothese postulieren, von Bedeutung und könnte die Hypothese stützen [Bartels et al. 2011; Wang et al. 2011; Trexler et al. 2012]. Der nAbs-αS könnte in diesem Zusammenspiel die natürliche, endogene αS-Tetramerform unter physiologischen Verhältnissen stabilisieren. Wie sich das postulierte Gleichgewicht zwischen nAbs-αS und αS darstellt und welche Faktoren zur neuronalen Zytotoxizität führen ist offen. Als weiterer nächster Schritt ist sicherlich zu klären, welchen Einfluss die nAbs-αS auf die oligomeren Strukturen haben und ob dies ein Korrelat in der klinischen Ausprägung findet. Ist der nAbs-αS beispielsweise in der Lage die Oligomerkonzentration zu reduzieren und führt dies zu einer Zunahme des monomeren αS, wie dies analog für die Interaktion der nAbs-Aβ mit Aβ von Mengel und Kollegen gezeigt werden konnte [Mengel et al. 2013]. Hierzu sind weitere Untersuchungen in der Zellkultur, in extrahierten Gewebeproben von Betroffenen bzw. im entsprechend zu wählenden Tiermodell nötig. Es ist unbekannt, ob eine Therapie mit IVIG, die die nAbs-αS enthalten, in frühen Formen der Synucleinopathien einen anhaltenden klinischen Effekt haben können. Hierfür wird ein Setting zum Erkennen der frühest möglichen Krankheitsausprägung nötig werden, um erfolgsversprechend mit einer Immuntherapie anknüpfen zu können. Die weiteren Untersuchungen bei der AD werden ggf. weitere Hinweise liefern können, wobei deutlich die Unterscheidung der charakteristischen extrazellulär dominierten AD-Pathologie von den intrazellulären Proteinaggregationen bei den Synucleinopathien stattfinden muss. Ähnlich den bekannten Veränderungen bei den Prionenerkrankungen ist es aus unserer Sicht vorstellbar, dass ein Peptid wie beim Prionprotein gezeigt, im Verlauf eine sekundäre Konformationsänderung präsentiert und dies in einer rasch progredienten Aggregation und Toxizität mündet [Roettger et al. 2013]. Weiter ist es vorstellbar, dass der nAbs-αS in der histopathologischen Aufarbeitung einen Beitrag zur Verteilung des αS bei den neurodegenerativen Krankheitsbildern haben kann. Ein Einsatz des nAbs-αS kann in unterschiedlichen Geweben in diversen Einbettungen erfolgen. Um dies im klinischen Alltag zu etablieren, bedarf es sicherlich weiterer Untersuchungen an verschiedenen Gewebeproben im Vergleich zu etablierten Färbemethoden, insbesondere immunologisch basierten Möglichkeiten. Wir sehen mit unseren Daten eine Basis, die im Verlauf ggf. eine Grundlage für therapeutische Ansätze legt. Die isolierten nAbs-αS können möglicherweise die Aggregation von αS, die assoziierte Neurotoxizität und letztendlich die Progression der Grunderkrankung vermindern oder im besten Fall stoppen. Es wird von Interesse sein, den Einfluss der nAbs-αS in vivo zu untersuchen. Unter anderem sind Toxizitätsuntersuchungen in der Zellkultur und Experimente im transgenen Tiermodell des PS geplant. Sowohl aktive als auch passive Ansätze im Labor zeigen vielversprechende Optionen, doch nicht zuletzt die Entwicklung der Immuntherapien bei der AD hat gezeigt, dass die Umsetzung der im Labor gefundenen Möglichkeiten in den klinischen Alltag mit relevanten Problemen wie z.B. Autoimmunität und weiteren Nebenwirkungen vergesellschaftet ist. Überdies bleibt jedoch zu beachten, dass wir aus der Historie unterschiedlicher immunologischer Ansätze bei der AD Parallelen ziehen können: Eine Therapie muss in einem Frühstadium, am besten vor Erkrankungsmanifestation beginnen. Im Falle des PS könnte dies bei der REM-Schlaf-Verhaltensstörung, einem Prodromalstadium der Synucleinopathien, erfolgen. Es ist zu diskutieren, dass die Konzentration der nAbs-αS in IVIG unzureichend ist. Daher ist die Isolation von nAbs-αS aus isolierten B-Zellen gesunder altersentsprechender hD (Einzelzellanalyse) zu fordern. Diese nAbs-αS sollten auf ihre Bindungscharakteristik untersucht und der bestmögliche nAbs auf gentechnischem Weg hergestellt werden. Dieser therapeutische Ansatz wurde bei der AD mit Aducanumab und Cinpanemab beim PS, den vielversprechendsten Kandidaten, verfolgt [Sevigny et al. 2016; Weihofen et al. 2019].
Umfang:121 Seiten
DOI:10.17192/z2023.0418