Allergische Reaktionen im Rahmen von Anästhesieverfahren: Untersuchungen zur Relevanz der Hauttestungen mit Muskelrelaxantien und der Bestimmung der Mastzelltryptase im Serum

Die Anaphylaxie ist eine große Herausforderung für die allergologische Diagnostik. Es soll die Fragestellung beantwortet werden, welche Rolle Hauttestungen und die In-vitro-Diagnostik für eine aussagekräftige Diagnostik bei Muskelrelaxantien, dem vermutlich häufigsten Auslöser für Anaphylaxien, spi...

Ausführliche Beschreibung

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Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Keune, Hannah-Christina
Beteiligte: Pfützner, Wolfgang (Prof. Dr.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2023
Schlagworte:
Online Zugang:PDF-Volltext
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Beschreibung
Zusammenfassung:Die Anaphylaxie ist eine große Herausforderung für die allergologische Diagnostik. Es soll die Fragestellung beantwortet werden, welche Rolle Hauttestungen und die In-vitro-Diagnostik für eine aussagekräftige Diagnostik bei Muskelrelaxantien, dem vermutlich häufigsten Auslöser für Anaphylaxien, spielen und ob die Mastzelltryptase einen spezifischen Anaphylaxiemarker darstellt. Die Studiengruppe bestand aus einem Probandenkollektiv von 42 Patienten, welche einen Elektiveingriff in Vollnarkose in der Klinik für Dermatologie und Allergologie des Universitätsklinikums Marburg erhielten. Ihr Alter variierte zwischen 24-73 Jahren. Zunächst erfolgte einen Tag präoperativ eine ausführliche Allergieanamnese. Am Folgetag wurden während des chirurgischen Eingriffs zwei Tryptasewerte bestimmt, einer 30 Minuten und einer 120 Minuten nach Narkoseeinleitung. Am Folgetag wurde der basale Tryptasespiegel bestimmt, zusätzlich wurden sowohl die Gesamt-IgE-Konzentration als auch verschiedene Werte spezifischer IgE-Antikörper gemessen: Des Weiteren wurden Prick- und Intrakutantests verschiedener Konzentrationen der vier Muskelrelaxantien Rocuronium, Cis-Atracurium, Succinylcholin und Mivacurium, sowie Pricktests mit den atopiebestimmenden Allergenen Gräser, Birke, Katze und Hausstaubmilbe durchgeführt. Bei ausgewählten Patienten mit positiven Hauttestungen auf Muskelrelaxantien wurden Basophileaktivierungstests (BATs) mit Rocuronium, Atracurium, Succinylcholin und Mivacurium durchgeführt. Das Geschlechterverhältnis war im Probandenkollektiv ausgeglichen. 47,6% der Patienten erhielten intraoperativ eines der oben genannten Muskelrelaxantien. 40,5% konnten über die Sensibilisierung auf die oben genannten Atopieallergene als Atopiker klassifiziert werden und 25,6% der Probanden wiesen erhöhte Gesamt-IgE-Werte >100U/ml auf. Alle Patienten tolerierten die Narkose sehr gut ohne Anzeichen einer Anaphylaxie (Angioödem, Flush, Urtikaria oder Abfall der Sauerstoffsättigung). Die Operations-Dauer betrug zwischen 75-300 Minuten. 21% der Probanden zeigte eine Hypotonie < 90mmHg, die jedoch nicht auf eine Anaphylaxie zurückzuführen war. Bei den Hauttestungen waren alle Pricktests mit Muskelrelaxantien negativ. Bei den Intrakutantestungen wurden positive Reaktionen gemessen ab einer Quaddelgröße >2x des injizierten Depots, bei 70,6% für Rocuronium, 20,6% für Succinylcholin, 73,5% für Cis-Atracurium und 97,1% für Mivacurium. Betrachtet man eine Quaddelgröße von ≥8 mm als positiv, so reagierten 41,2% auf Rocuronium, 8,8% auf Succinylcholin, 47,1% auf Cis-Atracurium und 61,8% auf Mivacurium positiv. Das spezifische IgE für Rocuronium und Succinylcholin zeigte bei keinem der Probanden erhöhte Werte. Auch die sechs mit verschiedenen Muskelrelaxantien durchgeführten BAT-Testungen zeigten alle ein negatives Ergebnis. Die Mastzelltryptase schwankte zwischen 1,0 und 16,7 µg/l, der basale Median betrug 2,81 µg/l, der Median 30 Minuten nach Narkoseeinleitung betrug 2,98 µg/l, sowie nach 120 Minuten 3,09 µg/l. Mit der aktuell empfohlenen Formel zur Beurteilung, ob der Tryptasespiegel als mögliches Zeichen einer Anaphylaxie erhöht ist (1.2 x basal value + 2 µg/l), konnten keine signifikant erhöhten Deltawerte zwischen den basalen und perioperativen Tryptasemessungen gefunden werden. Weiterhin wurden keine Korrelationen zwischen absoluten Tryptasespiegeln und intraoperativen Messungen des Blutdrucks, der Narkosedauer oder der applizierten unterschiedlichen Muskelrelaxantien beobachtet. Hinsichtlich der basalen Tryptase zeigte der Mann Whitney-U-Test keinen Unterschied zwischen Männern und Frauen. Bei einem p-Wert von 0,067 zeigte sich eine Tendenz zwischen der Höhe des Alters und der Höhe der basalen Tryptase. Das wesentliche Ergebnis der Studie war, dass Hauttests mit Muskelrelaxantien unzuverlässig im Hinblick auf den eindeutigen Nachweis einer IgE-vermittelten Allergie sind, da sie sehr häufig auch ohne IgE-Sensibilisierung unspezifisch positiv ausfallen. Der BAT allein hat zu wenig Aussagekraft, um über das Vorliegen einer Arzneimittelallergie zu entscheiden. Daher sollte er nur als ergänzende Diagnostik zu den anderen Tests eingesetzt werden. Außerdem zeigte diese Studie, dass sich die Tryptasespiegel während eines chirurgischen Eingriffs in Vollnarkose im Allgemeinen nicht signifikant verändern. Somit wäre eine Erhöhung des Tryptase-Deltas während eines chirurgischen Eingriffs in Vollnarkose von großer Bedeutung im Hinblick auf eine mögliche perioperative Anaphylaxie. Es wurde kein Zusammenhang zwischen Atopikern im Patientenkollektiv, sowie positiven Hauttestungen für die vier Muskelrelaxantien oder den Tryptasewerten nachgewiesen.
Umfang:85 Seiten
DOI:10.17192/z2023.0410