Retrospektive Analyse des Patientenaufkommens in der dermatologischen Hochschulambulanz während des ersten COVID-19-Lockdowns 2020

Die Ende 2019 entdeckte SARS-CoV-2-Erkrankung führte aufgrund der raschen Verbreitung zu einer Notwendigkeit von politischen Interventionen. Ab dem 16.03.2020 befand sich Deutschland zur Eindämmung der Pandemie in einem ersten Lockdown mit Einschränkungen des öffentlichen Lebens. Die Pandemie und di...

Ausführliche Beschreibung

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Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Federspiel, Pauline
Beteiligte: Wolf, Ronald (Prof. Dr.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2022
Schlagworte:
Online-Zugang:PDF-Volltext
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Beschreibung
Zusammenfassung:Die Ende 2019 entdeckte SARS-CoV-2-Erkrankung führte aufgrund der raschen Verbreitung zu einer Notwendigkeit von politischen Interventionen. Ab dem 16.03.2020 befand sich Deutschland zur Eindämmung der Pandemie in einem ersten Lockdown mit Einschränkungen des öffentlichen Lebens. Die Pandemie und die pandemiebedingten Maßnahmen führten zu einer Beeinflussung des deutschen Gesundheitssystems. Um dessen Überlastung zu verhindern, sollten medizinisch nicht zwingend notwendige Operationen und Aufnahmen verschoben oder ausgesetzt werden. Ziel der Studie war es, das veränderte Patientenaufkommen innerhalb der dermatologischen Hochschulambulanz des Marburger Universitätsklinikums während der ersten Welle der Pandemie zu untersuchen. Alle Patienten, die sich im Zeitraum des 16. März bis zum 4. Mai der Jahre 2018, 2019 und 2020 in der HSA vorstellten oder einen zuvor vereinbarten Termin in dem Zeitraum nicht wahrgenommen haben, wurden hinsichtlich demografischer Daten und Diagnosen evaluiert. Im Untersuchungszeitraum des Jahres 2020 wurden mit einem Anteil von 34,06 % signifikant mehr Absagen verzeichnet als in den beiden Vorjahreszeiträumen (5,72 % [2018], 5,34 % [2019]). Die meisten Absagen erfolgten durch den Patienten selbst. Gleichwohl zeigte sich bei Terminen, die versäumt wurden, und auch bei Absagen durch die Hochschulambulanz im Zeitraum des Jahres 2020 ein signifikanter Anstieg verglichen mit den beiden Vorjahreszeiträumen. Die Absagen stiegen mit Eintreten der politischen Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie sprunghaft an und nahmen mit ersten Lockerungen der Maßnahmen wieder ab. Geschlechtsspezifische Unterschiede konnten bei Patienten, die ihren Termin wahrgenommen oder abgesagt hatten, nicht festgestellt werden. Der Altersdurchschnitt aller in der Studie erfassten Patienten zeigte keinen signifikanten Unterschied. Im Untersuchungszeitraum des Jahres 2020 ist ein Rückgang der Patienten aller Altersgruppen erkennbar. Hierbei zeigte sich der stärkste Rückgang mit 38,1 % in der Gruppe der 81–100-Jährigen. In der Untergruppe der Patienten mit bösartigen Neubildungen bestand ein signifikant niedrigerer Altersdurchschnitt im Untersuchungszeitraum des Jahres 2020. Der Altersdurschnitt lag 2020 bei 63,4 Jahren, 2018 bei 69,4 Jahren und 2019 bei 73,0 Jahren. Die Analyse der Diagnosen vorstelliger Patienten zeigte in sechs von acht Diagnosegruppen der Krankheiten der Haut und Unterhaut einen Patientenrückgang. Der deutlichste Rückgang erfolgte in der Gruppe der bullösen Dermatosen (L10–L12) mit einem Rückgang von 41,6 % verglichen mit 2018 und von 33,3 % verglichen mit 2019. In der Gruppe der papulosquamösen Krankheiten (L40–L45) betrug der Rückgang 31,35 % verglichen mit 2018 und 35,7 % verglichen mit 2019. Die Diagnosen der Gruppe der Neubildungen der Haut und Unterhaut (C00–D48) zeigten im Untersuchungszeitraum des Jahres 2020 einen signifikanten Rückgang von 30 %. Die Analyse der Daten der Patienten, die ihren Termin abgesagt oder versäumt haben, bestätigen diese Ergebnisse. Die häufigsten Diagnosen der No-Shows waren Diagnosen der Gruppe der papulosquamösen Krankheiten und der Gruppe der Neubildungen der Haut und Unterhaut. Die überwiegende Mehrheit der Patienten, die ihren Termin nicht wahrgenommen hatten, waren Patienten, die die Hochschulambulanz erstmalig aufsuchten. Unter den vorstelligen Patienten wurden im Untersuchungszeitraum des Jahres 2020 signifikant weniger Patienten erfasst, die aufgrund ihrer Erkrankung erstmalig in der HSA vorstellig waren. Die Ergebnisse bestätigen unterschiedliche Auswirkungen auf bestimmte Patientengruppen. Einzelne Diagnosegruppen wie die Gruppe der Neubildungen der Haut und Unterhaut, der Autoimmunerkrankungen und der Infektionskrankheiten waren während des ersten Lockdowns der Pandemie seltener vorstellig. Es lässt sich mutmaßen, dass der signifikante Rückgang an Erstvorstellungen und einzelner Diagnosegruppen bestand, weil einerseits bestimmte Diagnosen aufgrund eines Rückgangs von Vorsorgeuntersuchungen seltener gestellt wurden und weil andererseits viele Patienten die Einrichtungen nicht kannten und Menschenaufkommen meiden wollten. Diagnosen wie Neubildungen bedürfen einer frühzeitigen Feststellung und Therapie um Prognose und Verlauf der Erkrankung zu verbessern. Der Rückgang von Infektionskrankheiten kann vermutlich auf verstärkte Hygienemaßnahmen und Kontaktbeschränkungen zurückgeführt werden. Der Patientenrückgang wurde auch in anderen Bereichen der Medizin national wie international festgestellt. Die Studie trägt dazu bei, die No-Shows gezielter zu identifizieren. In Zukunft sollten Überlegungen angestellt werden, wie Patienten, die ihren Termin nicht wahrnehmen, während zukünftigen Pandemien erreicht werden können oder deren Nichtvorstellen verhindert werden kann. Einen wichtigen Beitrag kann hier der Ausbau der Telemedizin und die verbesserte Aufklärung der Bevölkerung über eine bestehende medizinische Versorgung trotz Pandemie leisten.
DOI:10.17192/z2023.0377