Chronologische Eckwerte der frühen Eisenzeit und der älteren Hallstattzeit zwischen Apennin und Donau. Zur aktuellen Diskussion im Spannungsfeld von nordalpinen Dendrodaten und historischer Datierung des Mittelmeerkulturraumes

Die in der Mitte des 20. Jahrhunderts erarbeiteten klassischen Chronologieentwürfe (H. Müller-Karpe 1959 für Italien und Mitteleuropa; ders. 1962; V. R. d' A. Desborough 1952; insbesondere J. N. Coldstream 1968 für Griechenland) wurden vor drei ca. drei Jahrzehnten nachdrücklich in Frage gestel...

Ausführliche Beschreibung

Gespeichert in:
Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Dörrer, Olaf
Beteiligte: Müller-Karpe, Andreas (Prof. Dr.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2023
Schlagworte:
Online Zugang:PDF-Volltext
Tags: Tag hinzufügen
Keine Tags, Fügen Sie den ersten Tag hinzu!
Beschreibung
Zusammenfassung:Die in der Mitte des 20. Jahrhunderts erarbeiteten klassischen Chronologieentwürfe (H. Müller-Karpe 1959 für Italien und Mitteleuropa; ders. 1962; V. R. d' A. Desborough 1952; insbesondere J. N. Coldstream 1968 für Griechenland) wurden vor drei ca. drei Jahrzehnten nachdrücklich in Frage gestellt. Einerseits erforderte die dendrochronologische Fixierung des nordalpinen „Ha B3“ im 9. Jh. v. Chr. (vormals: 8. Jh.) neue Lösungsansätze. Andererseits ließen – zusätzlich zu den Konsequenzen aus den nordalpinen Modifikation – auch im Mittelmeerraum naturwissenschaftliche Datierungen (hauptsächlich Radiokarbondaten) an den etablierten zeitlichen Eckwerten für die frühe griechische Keramik und für einige regionale Zeitstufen zweifeln (D. Brandherm 2006; ders. 2008; A. J. Nijboer et al. 1999/2000; A. J. Nijboer 2005; ders. 2013). Ein erster Schwerpunkt (Kap. IV.1.) widmet sich der Nutzanwendung der langen und umfangreichen Serien der nordalpinen Dendrodaten. Das wirkungsmächtige Konzept der Verknüpfung des Abbruches der urnenfelderzeitlichen Entwicklung mit dem Ende der Seeufer- und Feuchtbodenstationen um 800 v. Chr. konnte von Chr. F. E. Pare mittels veränderter überregionaler Parallelisierung mit den historischen Eckwerten des Mittelmeerraumes harmonisiert werden, allerding zum Preis einer widersprüchliche Faktenlage. Die erneute ausführliche Untersuchung bestätigte hingegen das Fortlaufen des „Ha B3“ bis um 720 v. Chr. (Kap. IV.1.A.). Die als Knotenpunkte bei der Übertragung der Dendrodatierungen nach Süden (Kap. IV.1.C.) fungierenden oberitalienischen Regionalchronologien des „Veneto centrale“ und Bolognas bedurften vorangehend einer neuen Relativchronologie und einer eingehenden Parallelisierung, die ohne Preisgabe des bisher gültigen isorhythmischen Modells keinen Erfolg versprachen (Kap. IV.1.B.). Für den Umbruch vom Ende der Urnenfelderzeit zur Älteren Hallstattzeit bzw. von der Altitalischen Früheisenzeit zur Orientalisierenden Epoche, der im nordalpinen Dendrobefund nicht dokumentiert ist, stehen altbekannte historische Zeitanker zur Verfügung, die – entgegen der Kritik von M. Trachsel – überzeugend bestätigt werden konnten. Die erfolgreiche Fixierung um 720 v. Chr. erforderte zuvor jedoch eine Korrektur der Manipulationen des relativchronologischen Stufensystems durch Trachsel (Kap. IV.2.). Einem Anspruch auf Gültigkeit der ermittelten Zeitansätze standen jedoch weiterhin die teilweise hohen Radiokarbondaten des Mittelmeerraumes und die modifizierte Auslegung etablierte historischer Daten im Wege, die mittels der weit verbreiteten und engmaschig datierbaren griechischen Keramik auf die Stufenabfolgen der Apenninhalbinsel projizierbar sind. Die Lösung dieses Problems erforderte eine argumentativ gut begründete Entscheidung zwischen den widerstreitenden naturwissenschaftlichen Datierungsansätzen und eine Klärung des Verhältnisses der attischen zur korinthischen Sequenz (Kap. IV.3.). Der von J. N. Coldstream vorgeschlagene weitgehende Gleichlauf der verschiedenen geometrischen Traditionen war von Trachsel aufgelöst und die beiden großen Keramikzentren beträchtlich gegeneinander verschoben worden. Da die korinthische Abfolge durch die o. g. historischen Zeitanker fixiert ist, koppelte Trachsel die attische Serie zum Zweck einer fast einhundertjährigen Erhöhung ab. Die Überprüfung seines Konzeptes v. a. mittels geschlossener Grabfunde Mittel- und Süitaliens konnte die fragliche Verschiebung widerlegen (Kap. IV.3.C.b.). Die Hinzunahme verlässlicher historischer Daten und die Einbeziehung zweier dendrochronologischer Ansätze (Poggiomarino; Gordion) erbrachten eine Fixierung des Gerüstes der frühen griechischen Keramik. Für das immer noch verbliebene Eklat bei den radiokarbongestützten Datierungen im Mittelmeerraum, das auf eine Differenz bis zu einhundert Jahren gründete, erwiesen sich letztendlich hohe Qualitätsstandarts, die nicht nur an die Probenqualität selbst herangetragen werden, sondern auch an die archäologische Befundung und an die statistische Auswertung, als richtungsweisend. Diese von den Protagonisten der südlevantinischen „Low Chronology“ vorgeschlagenen und umgesetzten Prinzipien erbrachten in ihrer Verdichtung im relativchronologischen Netz widerspruchsfreie Zeitansätze, die mit den genannten historischen und dendrochronologischen Eckwerten kompatibel sind (Kap. IV.3.C.a.). Die abschließende Zusammenführung der gewonnenen chronologischen Eckwerte ergab ein widerspruchsfreies Datierungssystem (Abb. 247). Eine ausführlichere Zusammenfassung der vorgelegten Untersuchungen zur Früheisenzeit-Chronologie bietet das Kap. V.1., das die einzelnen Diskussionstränge der Dissertationsschrift detailliert erschließt. Historische Konsequenzen aus den gewonnenen Zeitansätzen thematisieren zusätzlich die Kap. Kap. IV.1.D.; IV.2.E.; IV.3.D.
Umfang:1031 Seiten
DOI:10.17192/z2023.0220