Antibiotic Stewardship - Auswirkungen eines Computerized Decision Support Systems auf die Leitlinienadhärenz in der Behandlung der ambulant erworbenen Pneumonie

Hintergrund Vor dem Hintergrund steigender Resistenzen und der geringen Neuentwicklung antimikrobieller Substanzen gewinnt Antibiotic Stewardship (ABS) zunehmend an Bedeutung. Ein verantwortungsvoller Umgang mit Antibiotika bedeutet die Vermeidung unnötigen Antibiotikaeinsatzes und die Optimierung...

Ausführliche Beschreibung

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Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Kiel, Simone
Beteiligte: Radziwill, Roland (Prof. Dr.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2022
Schlagworte:
Online-Zugang:PDF-Volltext
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Beschreibung
Zusammenfassung:Hintergrund Vor dem Hintergrund steigender Resistenzen und der geringen Neuentwicklung antimikrobieller Substanzen gewinnt Antibiotic Stewardship (ABS) zunehmend an Bedeutung. Ein verantwortungsvoller Umgang mit Antibiotika bedeutet die Vermeidung unnötigen Antibiotikaeinsatzes und die Optimierung notwendiger Therapien. ABS-Maßnahmen erstrecken sich von der Diagnostik bis zum Entlassmanagement über die unterschiedlichsten klinischen Bereiche. Ein Bündel aus effektiven, aber auch praktikablen und wirtschaftlich tragbaren Maßnahmen auszuwählen ist das Ziel. Ein Computerized Decision Support System (CDSS) stellt ein Verfahren zur Leitlinienimplementierung dar, welches der zunehmenden Digitalisierung im Gesundheitswesen Rechnung trägt. Es können verschiedene Bestandteile eine adäquaten Verschreibung wie die Antibiotikumauswahl, die Dosierung, Deeskalationsmaßnahmen oder die Therapiedauer kombiniert werden. In dieser Studie wurde der Effekt der Einführung eines CDSS auf die Leitlinienadhärenz der Initialverordnung von Antibiotika bei ambulant erworbener Pneumonie (CAP) untersucht. Durch die Einbettung in die Medikationsverordnung der elektronischen Patientenakte sollte der Zugang zu den Empfehlungen erleichtert und die Akzeptanz verbessert werden. Methodik Es wurde eine prospektive monozentrische Studie auf der pneumologischen Station der Klinikum Fulda gAG durchgeführt. Die Kontrollphase (P0) und die Interventionsphase (P1) wurden von April 2017 bis einschließlich Dezember 2020 konsekutiv durchgeführt. Das Studienkollektiv umfasste erwachsene Patienten mit der Diagnose CAP sowie ambulant erworbener Aspirationspneumonie. Während P0 galt die papierbasierte Patientenaktie als Dokumentationsstandard, die Empfehlungen zu Antibiotikatherapien fanden sich für jeden Mitarbeiter frei zugänglich im Intranet. Der CDSS basierte auf den klinikinternen Empfehlungen zur initial kalkulierten Therapie der CAP. Er wurde durch den klinischen Pharmazeuten entwickelt und implementiert. Ein mehrstufiger Entscheidungspfad führte zur vorgeschlagenen Antibiotikaauswahl. Zusätzlich waren Informationen zu den Kriterien des CRB65-Scores und therapierelevanten individuellen Risikofaktoren verfügbar. Angepasste Dosierungen bei Nierenfunktionsstörungen wurden als Option hinterlegt. Die Therapiedauer sowie Deeskalations-Maßnahmen wurden durch eine Stop-order-Funktion festgelegt. Neben des primären Endpunktes der Leitlinienadhärenz wurden die Therapie- und Liegedauer inklusive Antibiotikaverbrauchsdichte, Deeskalation bei initialer Kombinationstherapie mit Makrolid, Fokussierungs- und Oralisierungsrate, die Anzahl erfüllter Stabilitätskriterien bei Entlassung sowie die Nutzung des CDSS analysiert. Ergebnisse Im Zeitraum der Datenerhebung wurden insgesamt 97 Patienten in P0 und 53 Patienten in P1 eingeschlossen. Von P0 bis P1 fand eine Erhöhung des Anteils der Leitlinienadhärenz statt (Steigerung von 25% auf 38%). Die Leitlinienadhärenzen bezogen auf die gesamte Studienpopulation sowie die Subgruppe mit Anordnungen mittels CDSS P1CDSS unterscheiden sich nicht statistisch signifikant (p=0,095, 95%-Konfidenzintervall der Differenz = -2,1 - 28,4). Der CDSS wurde in 30% der Fälle der P1 genutzt. Die stationäre Therapiedauer wurde von 9,2 Therapietagen (DOT) in P0 auf 8,1 DOT in P1 und 7,3 DOT in der Subgruppe P1CDSS statistisch signifikant gesenkt (p<0,05). Die Senkung der Liegedauer (LOS) von 9,5 Tagen in P0 auf 8,6 Tage in P1 und 7,7 Tage in der Subgruppe P1CDSS ist nicht statistisch signifikant. Die Antibiotikaverbrauchsdichte in defined daily dose pro 100 Patiententage (DDD/100 PT) konnte von 162 DDD/100 PT in P0 auf 132 DDD/100 PT in P1 und 113 DDD/100 PT in P1CDSS statistisch signifikant reduziert werden (p<0,05). Die Dauer der Makrolidgabe bei initialer Kombinationstherapie nahm von 7,2 DOT in P0 auf 4,8 DOT in P1 signifikant ab (p<0,05). Die Fokussierungsrate, die Oralisierungsrate sowie die Anzahl erfüllter Stabilitätskriterien zum Zeitpunkt der Entlassung wurde durch die Einführung des CDSS nicht beeinflusst. Schlussfolgerung Obwohl die Einführung des CDSS die Leitlinienadhärenz der initialen Antibiotikatherapie der CAP nicht signifikant verbessert hat, konnten wir einen Trend zur Therapieoptimierung feststellen. Die signifikante Verringerung der Therapiedauer, des Antibiotikaverbrauchs und der Dauer der Makrolidtherapie kann als Erfolg der Intervention gewertet werden. Darüber hinaus zeigen unsere Ergebnisse das Potenzial für weitere Verbesserungen und zusätzliche ABS-Interventionen auf. Künftige Studien sollten auf die Optimierung des CDSS und Möglichkeiten zur Steigerung der Akzeptanz hinarbeiten. Dies stellt in Bezug auf die unterschiedlichen technischen, strukturellen und persönlichen Voraussetzungen der einzelnen Kliniken eine besondere Herausforderung dar. Wir schlussfolgern zudem, dass ein CDSS die zwischenmenschliche Zusammenarbeit vor Ort nicht ersetzen kann, insbesondere in komplexen Fällen, die nicht durch Leitlinien abgedeckt sind. Zusammenfassend kann ein CDSS als Ergänzung, aber nicht als Ersatz für personelle Ressourcen im Bereich der ABS-Interventionen zur Verbesserung der Leitlinienadhärenz angesehen werden.
Umfang:158 Seiten
DOI:10.17192/z2023.0081