Entkopplung von Wachstum und Überproduktion von Chemikalien in Escherichia coli

Das Metabolic Engineering ermöglicht es, mikrobielle Stämme zu konstruieren, die Chemikalien effektiv überproduzieren. Allerdings nutzen die Produktionsstämme Substrate nicht nur für die Überproduktion von Chemikalien sondern auch um zu wachsen. Also besteht ein trade-off zwischen der Produktion und...

Ausführliche Beschreibung

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Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Schramm, Thorben
Beteiligte: Link, Hannes P. (Prof. Dr.-Ing.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2022
Schlagworte:
Online Zugang:PDF-Volltext
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Beschreibung
Zusammenfassung:Das Metabolic Engineering ermöglicht es, mikrobielle Stämme zu konstruieren, die Chemikalien effektiv überproduzieren. Allerdings nutzen die Produktionsstämme Substrate nicht nur für die Überproduktion von Chemikalien sondern auch um zu wachsen. Also besteht ein trade-off zwischen der Produktion und dem Wachstum, der zu sub-optimaler Produktionsleistung führen kann. Eine Lösung dafür ist die Entkopplung des Zellwachstums von der Überproduktion mittels Zwei-Phasen-Bioprozessen. Nach einer ersten Phase, in der Zellen wachsen ohne zu produzieren, wird das Wachstum in der zweiten Phase gestoppt und die Produktion gestartet. Bei der Kreierung eines Zwei-Phasen-Bioprozesses gibt es zwei zentrale Herausforderungen: (1) Der mikrobielle Stoffwechsel und das Zellwachstum müssen dynamisch kontrolliert werden, um einen Übergang zwischen den beiden Prozess-Phasen zu erzielen. (2) Die Stoffwechselaktivität und Produktionsraten sind in nicht-wachsenden Zellen typischerweise niedrig, was durch genetische Modifikationen korrigiert werden muss. Für beide Herausforderungen ist die genaue Kenntnis über die Metabolitkonzentrationen in den modifizierten Stämmen kritisch, um entscheiden zu können, welche genetischen Modifikationen zum Erfolg führen. Daher werden quantitative und Hochdurchsatz-Massenspektrometrie-Methoden entwickelt, die es ermöglichen Metabolitkonzentrationen in einer großen Anzahl an modifizierten Stämmen in kurzer Zeit zu untersuchen. Eine der schnellsten Methoden ist die flow-injection Massenspektrometrie. In dieser Arbeit untersuchen wir Aspekte der dynamischen Kontrolle des Stoffwechsels und Wachstums, der metabolischen Aktivität in nicht-wachsenden Zellen und der flow-injection Massenspektrometrie. Es ist wichtig all diese Aspekte zu untersuchen, um besser zu verstehen, wie das Zellwachstum und die Überproduktion von Chemikalien entkoppelt werden kann. Das Kapitel 1 dient als Einleitung in das Metabolic Engineering, die Massenspektrometrie-basierte Metabolomik, und Zwei-Phasen-Bioprozessen. Das Kapitel 2 ist ein kurze Abhandlung über metabolische Netzwerke. Die flow-injection Massenspektrometrie (FI-MS) ist eine Metabolomik-Methode, die hunderte Metabolite detektieren kann und Messzeiten im Sekundenbereich hat. Allerdings werden Metabolite vor einer Messung mit FI-MS nicht durch chromatographische Methoden aufgetrennt. Dadurch erreichen alle Metabolite das Massenspektrometer zur gleichen Zeit. Das kann zu negativen Effekten führen, wie zum Beispiel Metabolit-Modifikationen in der Ionenquelle und falschen Annotation. Mit dem Kapitel 3, stellen wir eine systematische Untersuchung von Metabolit-Modifikationen in der Ionenquelle während der Messungen mittels FI-MS vor. Dabei war die Nutzung von 160 authentischen Metabolitstandards, die wir einer Metabolitextrakt-Probe hinzugegeben haben, zentral für unsere Analyse. Mittels einer Netzwerk-Analyse und Informationen über Metabolit-Fragmentierung konnten wir zeigen, dass Metabolit-Modifikationen in der Ionenquelle abundant sind und sogar sequentielle Mehrfachmodifikationen vorkommen. Mit unserem Analyse-Ansatz konnten wir einen großen Anteil dieser Modifikationen erklären. Die hier vorgestellten Daten sind eine wertvolle Ressource und sind hilfreich, um falsche Annotationen zu vermeiden. Temperatur-sensitive Proteine haben Aminosäure-Substitutionen, die eine Aktivität bei niedrigen Temperaturen erlauben. Bei höheren Temperaturen, bei denen Wildtyp-Proteine noch aktiv sind, sind Temperatur-sensitive Proteine hingegen inaktiv. Als Teil dieser Arbeit haben wir untersucht, ob Temperatur-sensitive Proteine als Hilfsmittel für das Metabolic Engineering nützlich sind und eine dynamische Kontrolle des Zellwachstums und Stoffwechsels ermöglichen. Ein Ziel war es Temperatur-sensitive Proteine zu nutzen, um Zwei-Phasen-Bioprozesse zu kreieren. Dadurch, dass es schwierig sein kann Temperatur-sensitive Mutanten zu finden, lag ein Fokus unserer Arbeit auf der Entwicklung von Hochdurchsatzverfahren zur Erzeugung von Temperatur-sensitiven Mutanten. Mit dem Kapitel 4, stellen wir eine Hochdurchsatz-Methode zur Anreicherung von Temperatur-sensitiven Mutanten eines einzelnen essentiellen Genes in Escherichia coli vor. Die Methode verbindet einen Einzelzell-Wachstumsraten-Sensor, der auf einem TIMER-Protein basiert, mit Fluoreszens-aktivierter Zellsortierung. Dies hat es uns ermöglicht, Millionen von Zellen zu screenen und Temperatur-sensitive Mutanten der Argininosuccinat Synthetase ArgG anzureichern. Wir konnten zeigen, dass ArgG ähnlich wie ein Ventil für Stoffwechselwege funktionieren kann, und, dass es uns ermöglicht das Wachstum graduell mittels der Temperatur zu steuern. Gleichzeitig erlaubt es auch die Überproduktion von Citrullin, das das Substrat der ArgG-katalysierten Reaktion ist. Mittels Temperatur-sensitivem ArgG, haben wir einen Zwei-Phasen-Bioprozess kreiert, mit dem innerhalb von 45 Stunden 3 g/L Citrullin in 1 L-Bioreaktoren hergestellt werden konnte. Anschließend zu der Studie über Temperatur-Sensitivität als Hilfsmittel für das Metabolic Engineering, beschreiben wir in Kapitel 5 eine Methode, um Temperatur-sensitive Mutanten in vielen unterschiedlichen Genen zu erzeugen und zu identifizieren. Wir haben eine CRISPR/Cas9-basierte Methode zur Genomeditierung adaptiert und einen angepassten Designansatz genutzt, um eine gepoolte Sammlung von 15.120 E. coli Stämmen zu erzeugen. Jeder dieser Stämme hat eine Mutation, die eine einzelne Aminosäure-Substitution in einem von 346 essentiellen Proteinen hervorruft. In kompetitiven Fitness-Untersuchungen bei zwei unterschiedlichen Temperaturen haben wir die Abundanz einzelner Stämme mit Hilfe von deep sequencing der Plasmid-basierten barcodes verfolgt. Das hat es uns ermöglicht, 1.045 Temperatur-sensitive Kandidaten zu identifizieren. Nachdem wir 92 Stämme isoliert hatten, konnten wir die Funktion von 42 Temperatur-sensitiven Enzymen als metabolische Ventile mittels FI-MS bestätigen. Als letzten Schritt haben wir sieben Temperatur-sensitive Stämme für die Überproduktion von Chemikalien in Zwei-Phasen-Prozessen genutzt. Das enforced ATP wasting (erzwungene ATP-Verschwendung) ist ein vielversprechender Ansatz, um hohe metabolische Aktivitäten während des Wachstum-Stopps zu erzielen. Mit Kapitel 6 stellen wir eine Studie zu dem enforced ATP wasting in E. coli vor. Die Überexpression von ATPase führte unter anaeroben Bedingungen und Stickstofflimitierung zu stark erhöhten Glukose-Aufnahmeraten. Fermentationsprodukte akkumulierten bis die Glukose im Medium erschöpft war. Wir haben an der ersten Studie zum enforced ATP wasting angeknüpft und untersucht, wie der Energiestoffwechsel durch unterschiedliche Expressionsstärken der ATPase beeinflusst wird (Kapitel 7). Mit steigender ATPase-Expressionsstärke stieg auch die Glukose-Aufnahmerate bis zu einem kritischen Punkt. Eine weitere Erhöhung der Expressionsstärke über diesen kritischen Punkt hinweg führte zu einem rapiden Abfall in der Glukose-Aufnahmerate, sogar unter das Niveau eines Wildtyp-Stamms. Wir konnten zeigen, dass dieser Effekt auf ein Enzym in der oberen Glykolyse zurückzuführen ist: die Phosphofructokinase,welcheATP als Substrat hat und die durch ADP allosterisch aktiviert wird. Diese Ergebnisse tragen zu einem besseren Verständnis des Energiestoffwechsels in E. coli bei. Darüber hinaus zeigen unsere Ergebnisse auch, dass enforced ATP wasting sehr effektiv ist, um die Glukose-Aufnahmeraten in nicht-wachsenden Zellen deutlich zu steigern. Das macht enforced ATP wasting zu einem sehr nützlichen Mittel für das Metabolic Engineering.
DOI:10.17192/z2023.0043