Die Bedeutung von experimentellem Paradigma und interindividuellen Unterschieden für die Interpretation von funktionellen MRT-Ergebnissen

Diese kumulative Dissertation umfasst drei Studien, die Einflüsse von experimentellem Paradigma und interindividuellen Unterschieden auf die Interpretation des resultierenden fMRT-Signals untersuchen. In der ersten Studie verglichen Kollegen und ich verschiedene, in fMRT-Studien eingesetzte, Paradi...

Ausführliche Beschreibung

Gespeichert in:
Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Zimmermann, Kristin Marie
Beteiligte: Jansen, Andreas (Prof. Dr.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2020
Schlagworte:
Online-Zugang:PDF-Volltext
Tags: Tag hinzufügen
Keine Tags, Fügen Sie den ersten Tag hinzu!
Beschreibung
Zusammenfassung:Diese kumulative Dissertation umfasst drei Studien, die Einflüsse von experimentellem Paradigma und interindividuellen Unterschieden auf die Interpretation des resultierenden fMRT-Signals untersuchen. In der ersten Studie verglichen Kollegen und ich verschiedene, in fMRT-Studien eingesetzte, Paradigmen hinsichtlich ihrer Robustheit, ein bestimmtes Kriterium (Rechtslateralisation) zu erfüllen. Das robusteste Paradigma prüften wir weiterhin auf seine Test-Retest-Reliabilität. Die Untersuchungen verdeutlichen, dass sich gängige Paradigmen in der Erfüllung oftmals vorausgesetzter, aber nicht geprüfter, Kriterien (wie z.B. die Rekrutierung rechtslateralisierter Prozesse) unterscheiden. Außerdem kann sich die Reliabilität eines Paradigmas in Abhängigkeit von der jeweiligen Testgröße (z.B. ein einzelner Voxelwert vs. ein zusammengefasstes Maß wie der Lateralisationsindex) grundlegend ändern, was dazu führt, dass der Einsatz eines Paradigmas nur für getestete, umschriebene Zwecke empfohlen werden kann. In der zweiten Studie betrachteten Kollegen und ich neurale Aktivierungsmuster (im Rahmen von Pareidolie), anders als übliche fMRT-Untersuchungen, auf individueller Ebene. Dabei stellten sich die Unterschiede zwischen Probanden extremer dar als unter Annahme der Gauß‘schen Normalverteilung zu erwarten gewesen wäre. Bedeutende interindividuelle Unterschiede können im Rahmen von fMRT-Studien leicht unerkannt bleiben, da die Berichterstattung von Ergebnissen in der Regel lediglich auf der Basis von Gruppenstatistiken erfolgt. Gleichzeitig können diese Unterschiede die Interpretation der Studienergebnisse jedoch maßgeblich beeinflussen. In diesem Zusammenhang, sowie auch im Bezug auf die dritte Studie dieser Dissertation, diskutiere ich sowohl verschiedene Arten von interindividuellen Unterschieden als auch bestimmte Rahmenbedingungen, unter denen eine Berücksichtigung interindividueller Unterschiede in neuralen Prozessen von besonderer Bedeutung ist. In der dritten und aufwendigsten Studie dieser Dissertation beschäftigten Kollegen und ich uns mit den Einflüssen von in der fMRT besonders häufig vernachlässigten Verhaltensunterschieden: unter Einsatz von komplexem visuellen Stimulusmaterial ermittelten wir Effekte, die im Zusammenhang mit natürlichem Blickverhalten stehen. Zunächst zeigten wir, dass sich das Blickverhalten gesunder Probanden je nach Ausprägung einer bestimmten Persönlichkeitseigenschaft (Alexithymie) unterschied. Wir integrierten das Blickverhalten (in Form von individuellen Fixationszeiten) in unser Modell zur Analyse der fMRT-Daten und fanden – im Gegensatz zu einer vorherigen Studie – keine Unterschiede in den neuralen Prozessen der Probanden, die sich durch die Merkmalsausprägung per se erklären ließen. Es zeigten sich jedoch Unterschiede, die in Verbindung mit dem Blickverhalten der Probanden standen: je länger Probanden mit geringer Merkmalsausprägung bestimmte Stimulusaspekte fixierten, desto stärker stellte sich das neurale Signal in für den Prozess bedeutenden Hirnarealen dar. Bei den Probanden mit extremer Merkmalsausprägung beobachteten wir einen entgegengesetzten Zusammenhang (längere Fixation, abnehmendes Signal). Die Ergebnisse unserer Studie verdeutlichen den Mehrwert einer Berücksichtigung des Blickverhaltens im Rahmen von fMRT-Studien. Demnach ist die Kontrolle des Blickverhaltens einerseits notwendig, um eine Fehlinterpretation der neuralen Unterschiede zu vermeiden, die lediglich daraus resultieren, dass die Probanden auf verschiedene Stimulusaspekte achten. Andererseits können unterschiedliche kognitive Strategien identifiziert werden, die verschiedene Individuen bei der Verarbeitung derselben spezifischen Stimulusaspekte einsetzen. Anhand der beschriebenen drei Studien verdeutlicht meine Dissertation, dass bei fMRT-Studien, insbesondere im Hinblick auf die zum gegenwärtigen Zeitpunkt bestehende Replikationskrise, sowohl die Eignungsprüfung des experimentellen Paradigmas als auch die Berücksichtigung interindividueller Unterschiede erstrebenswert sind. Die Prüfung des Paradigmas kann anhand verschiedener Gütekriterien erfolgen und Empfehlungen sollten unter Beachtung der speziellen Prüfgrößen ausgesprochen werden. Des Weiteren kann eine verstärkte Berücksichtigung der verschiedenen Arten interindividueller Unterschiede perspektivisch zu einer Reduktion nicht aufgeklärter Varianzen führen und somit nicht nur die Replikation von Gruppenergebnissen erleichtern, sondern auch zur Aufklärung individueller neuraler Verarbeitungsmechanismen beitragen.
Umfang:53 Seiten
DOI:10.17192/z2020.0395