Psychologische Mechansimen im Zusammenhang zwischen sozialer Ungleichheit und Gesundheit - Relevanz des subjektiven sozialen Status

Der Zusammenhang von niedrigem sozialem Status und verschiedenen Gesundheitsfaktoren wurde schon vielfach belegt. Wohingegen in ärmeren Regionen Umweltfaktoren und die medizinische Grundversorgung von hoher Bedeutung sind, scheinen in moderneren Industriegesellschaften zunehmend psychologische Proze...

Ausführliche Beschreibung

Gespeichert in:
Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Neubert, Marie
Beteiligte: Euteneuer, Frank (Prof. Dr.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2020
Schlagworte:
Online Zugang:PDF-Volltext
Tags: Tag hinzufügen
Keine Tags, Fügen Sie den ersten Tag hinzu!
Beschreibung
Zusammenfassung:Der Zusammenhang von niedrigem sozialem Status und verschiedenen Gesundheitsfaktoren wurde schon vielfach belegt. Wohingegen in ärmeren Regionen Umweltfaktoren und die medizinische Grundversorgung von hoher Bedeutung sind, scheinen in moderneren Industriegesellschaften zunehmend psychologische Prozesse als potentiell vermittelnde Faktoren zwischen der sozialen Position und Gesundheit an Bedeutung zu gewinnen. Zentral scheint hierbei die Wahrnehmung von sozialer Ungleichheit zu sein, was sich in dem Konstrukt des subjektiven sozialen Status (SSS) abbilden lässt. Hierunter ist die Selbstwahrnehmung der sozialen Position im Vergleich zu einer Referenzgruppe zu verstehen. Es konnte gezeigt werden, dass ein niedriger SSS mit verschiedensten Gesundheitsmaßen häufig stärker zusammenhängt als objektive Statusindikatoren wie Bildung, Einkommen oder Berufsstatus. Da Studien bisher zeigen konnten, dass Arbeitslose deutlich schlechtere psychische Gesundheit als Erwerbstätige aufweisen, sollte in Studie I anhand von Daten aus einer repräsentativen Haushaltsbefragung untersucht werden, ob dieser Befund im Zusammenhang mit dem SSS steht. Zudem sollte mit Hilfe konzeptueller Pfadmodelle untersucht werden, ob der SSS einen potentiell vermittelnden Faktor im Zusammenhang zwischen objektiven Statusindikatoren und psychischer Gesundheit darstellen kann. Es zeigte sich, dass Arbeitslose sowohl geringere psychische Gesundheit als auch einen niedrigeren SSS als Erwerbstätige berichteten. Zudem konnte ein Zusammenhang des SSS mit psychischer Gesundheit innerhalb der Gruppe der Arbeitslosen gefunden werden. Im Rahmen eines konzeptuellen Pfadmodells vermittelte der SSS den Zusammenhang zwischen Erwerbsstatus und psychischer Gesundheit. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass bei Arbeitslosigkeit ein geringerer SSS mit schlechterer mentaler Gesundheit assoziiert ist. Ziel von Studie II war die experimentelle Untersuchung des Einflusses von SSS auf induzierten Schmerz in einer nicht-klinischen weiblichen Stichprobe. Dazu wurden die Versuchsteilnehmerinnen in zwei experimentelle Bedingungen randomisiert. In den beiden Gruppen wurde die subjektiv wahrgenommene soziale Position der Personen experimentell durch eine Manipulation temporär gesteigert oder verringert. Zur Überprüfung des Effekts auf induzierten Schmerz bestimmten wir die Druckschmerzschwelle. Im Manipulationscheck bestätigte sich, dass Personen in der hohen Statusgruppe ihren SSS höher einschätzten als Personen in der niedrigen Statusgruppe. Zudem zeigte sich, dass Personen mit temporär verringertem SSS eine höhere Schmerzschwelle angaben, als Personen mit temporär gesteigertem SSS. Diese Ergebnisse deuten erstmalig darauf hin, dass ein experimentell verringerter SSS einen Einfluss auf die Angabe der Schmerzschwelle hat. Es war Ziel der dritten Studie den Fokus auf potentiell vermittelnde Faktoren im Zusammenhang zwischen dem SSS und kardiovaskulären Erkrankungen zu legen. Dazu untersuchten wir die Verbindung von SSS mit nächtlichem Blutdruckabfall als kardiovaskulären Risikofaktor in einer nicht-klinischen Bevölkerungsstichprobe. Den nächtlichen Blutdruckabfall der Probanden ermittelten wir durch eine ambulante 24-h Blutdruckmessung. Dabei zeigte sich ein Zusammenhang von SSS mit nächtlichem Blutdruckabfall. Dieser Zusammenhang blieb weiterhin bestehen, wenn objektive Statusindikatoren in den Analysen berücksichtigt wurden. Der Befund deutet darauf hin, dass der SSS eigenständige Varianz in Bezug auf Veränderungen des nächtlichen Blutdrucks aufklären kann. Somit lassen die Ergebnisse vermuten, dass der SSS möglicherweise mit kardiovaskulären Veränderungen assoziiert ist, die in Zusammenhang mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen stehen. Abschließend wird mit Studie IV eine weitere Arbeit der Forschungsgruppe präsentiert, die den kontrafaktischen SSS im Zusammenhang mit psychischer Belastung bei sozial benachteiligten Personen untersucht. Als kontrafaktischen SSS bezeichnet man einen erwünschten oder geplanten besseren sozialen Status, wenn ein kritisches Lebensereignis wie Scheidung oder Arbeitsplatzverlust nicht eingetreten wäre. Die Diskrepanz zwischen kontrafaktischem SSS und tatsächlichem SSS könnte hier eine Rolle im Zusammenhang von sozialer Benachteiligung und psychischer Beeinträchtigung spielen. Es zeigte sich, dass sowohl arbeitslose als auch alleinerziehende Personen einen höheren kontrafaktischen SSS im Vergleich zu ihrem tatsächlichen SSS berichteten. Je höher diese Diskrepanz zwischen kontrafaktischem und tatsächlichem SSS ausfiel, desto stärker war die psychische Belastung der Personen. Der kontrafaktische SSS und seine Diskrepanz zum tatsächlichen SSS könnten weitere vermittelnde psychologische Faktoren darstellen, die in sozial benachteiligen Bevölkerungsgruppen mit erhöhter psychischer Belastung assoziiert sind.
Umfang:89 Seiten
DOI:10.17192/z2020.0239