The Breton "An Buhez Sante Barba - The Life of Saint Barbara" and its Contemporaries: a Comparative Study

The Breton saint’s play "An buhez sante Barba – The life of saint Barbara" has come down to us in three print versions, one of which has survived in two redactions. The oldest version is dated to 1557, followed by two redactions dated to 1608 and a third version dated to 1647. All versio...

Ausführliche Beschreibung

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Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Schnabel, Sonja
Beteiligte: Poppe, Erich (Prof.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Englisch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2018
Schlagworte:
Online-Zugang:PDF-Volltext
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Das bretonische Theaterstück über das Leben der heiligen Barbara "An buhez sante Barba" existiert in drei bzw. vier Druckversionen. Die älteste Version wird auf das Jahr 1557 datiert, die jüngste stammt aus dem Jahr 1647. Eine weitere Version wurde im Jahr 1608 gedruckt, von dieser sind zwei Exemplare erhalten. Inhaltlich gleichen sich die Versionen weitestgehend (Ricarda Scherschel. ‘On the relationship of the 1608 impression of Buhez Sante Barba to the impressions of 1557 and 1647’. In: Hor Yezh 278 (2014)). Meine Arbeit stützt sich auf die älteste Version von 1557, die mit einem Buchhändler und möglicherweise -drucker namens Bernhard de Leaue assoziiert wird. Dieser war sowohl in Paris als auch in der Bretagne aktiv (L. Le Guennec. ‘Un libraire morlaisien au XVIe siècle’. In: Bulletin de la Société Archéologique de Finistère 53 (1927), pp. 11–32; Malcolm Walsby. The printed Book in Brittany. 1484-1600. Leiden, Boston, 2011, 146-149), was ein Beispiel für den Austausch zwischen Frankreich und der Bretagne darstellt. Die Existenz eines Theaterstücks über die europaweit bekannte und beliebte heilige Barbara in bretonischer Sprache ist ein weiteres Beispiel dafür, dass die Bretagne im Austausch mit Europa stand. Um die Herkunft des bretonischen Stückes näher zu beleuchten, habe ich An Buhez mit vier anderen Versionen der Legende der heiligen Barbara verglichen. Als Vergleichstexte boten sich die beiden französischen Theaterstücke über die Heilige besonders an, da sie sowohl vom Genre her als auch inhaltlich dem bretonischen Theaterstück entsprechen. Das ältere der beiden französischen Stücke entstand gegen Ende des 15. Jahrhunderts und ist als Manuskript erhalten. Mario Longtin hat mir dankenswerterweise die noch unpublizierte PDF-Version seiner Edition des Stückes zur Verfügung gestellt (Mario Longtin, Laurent Brun and Jacques Lemaire ed. ‘Le Mystère de sainte Barbe en cinq journées, BN fr. 976’. forthcoming; PDF provided by the editor). Das jüngere französische Stück, von welchem der älteste erhaltene Druck zwischen 1511 und 1517 entstanden ist, wurde ebenfalls von Longtin ediert (Mario Longtin. Édition du Mystère de sainte Barbe en deux journées BN Yf 1652 et 1651. Montréal, Québec: Université McGill, 1996). Weiterhin habe ich zwei lateinische Prosaversionen der Legende zum Vergleich herangezogen. Eine spätere Version der besonders bekannten Sammlung von Heiligenleben, der Legenda Aurea, wurde von Theodor Graesse ediert (Johann Georg Theodor Graesse, ed. Jacobi a Voragine: Legenda aurea. Vulgo historia lombardica dicta. Reproductio phototypica editionis tertiae, [ Breslau ] 1890. Osnabrück: Zeller, 1965). Diese Version ist allerdings schwierig zu datieren, wurde aber vermutlich erst nach Ende des 14. Jahrhunderts verfasst (Kirsten Wolf. The Old Norse-Icelandic Legend of Saint Barbara. Toronto: Pontifical Inst. of Medieval Studies, 2000, 22). Eine weitere Version der Legende der heiligen Barbara, die im späten Mittelalter bzw. der Frühen Neuzeit ebenfalls wohlbekannt gewesen ist, findet sich in einer Sammlung von Tex- ten über die Heilige, welche von Johannes von Wakkerzeel am Ende des 14. Jahrhunderts zu einem großen Lobwerk verarbeitet wurde (Baudouin de Gaiffier. ‘La légende de sainte Barbe par Jean de Wackerzeele’. In: Analecta Bollandiana 77 (1959), pp. 5–41, Albert Derolez. ‘A devotee of Saint Barbara in a Belgian beguinage (Marston MS 287)*’. In: Beinecke Studies in early manuscripts. The Yale University Library Gazette 66 (1991). Ed. by Stephen Parks, pp. 197–218). Obwohl es inhaltlich einige Differenzen gibt, sind sich die verschiedenen Versionen in den wesentlichen Punkten gleich. Ein heidnischer Herrscher (teilweise als König bezeichnet) mit Namen Dioscorus hat eine schöne Tochter namens Barbara. Diese möchte er nicht verheiraten, sondern sperrt sie in einen Turm um ihre Schönheit vor den Augen der Menschen zu verbergen. Je nach Version lässt er den Turm eigens für sie errichten, und/oder ein angrenzenden Badehaus für sie erbauen. Das jeweilige Bauwerk ist explizit mit nur zwei Fenstern auszustatten. Barbara verfügt über eine göttliche Intuition und konvertiert zum Christentum. Sie trifft auf einen weiteren Vertreter des christlichen Glaubens und wird von ihm bzw. von einer Erscheinung Johannes des Täufers getauft. Entgegen der ursprünglichen Anordnung ihres Vaters, lässt sie ein drittes Fenster in den Turm bzw. das Badehaus einbauen. Als Dioscorus dies sieht und von ihrer Konversion erfährt, will er sie töten. Ein Stein bzw. die Wand des Turm öffnet sich für Barbara und erlaubt es ihr in die Berge zu fliehen. Ihr wütender Vater verfolgt sie und trifft im Gebirge auf zwei Hirten. Diese haben Barbara gesehen und einer der beiden verrät sie an ihren Vater. Daraufhin nimmt Dioscorus Barbara gefangen und bringt sie vor Gericht. Trotz brutaler Foltermaßnahmen bleibt sie ihrem neu gefunden Gott treu und wird schließlich zu ihrem Vater zurück gebracht. Dieser bringt sie wiederum ins Gebirge, wo er sie mit seinem Schwert enthauptet und zur Märtyrerin macht. Als Strafe wird er von göttlichem Feuer getroffen und zu Asche verbrannt. Barbaras historische Existenz ist umstritten, weswegen ihr Festtag (der 4. Dezember) vom Zweiten Vatikanischen Konzil aus dem Kalender der Heiligen entfernt wurde (Wolf, The Old Norse-Icelandic Legend of Saint Barbara, 12f). Die ältesten Zeugnisse der Barbaraverehrung finden sich in Nordafrika und dem nahen Osten, das älteste westliche Zeugnis ist eine Frescodarstellung der Heiligen in Santa Maria Antiqua in Rom (E. Wimmer. ‘Barbara’. In: Lexikon des Mittelalters. Vol. 1. München und Zürich: Artemis, 1980, pp. 1432–1433, 1432f). Im Laufe des Mittelalters wuchs die Barbaraverehrung zu einem regelrechten Kult heran, der in Deutschland, Frankreich, Belgien und den Niederlanden besonders stark ausgeprägt war (Wolf, The Old Norse-Icelandic Legend of Saint Barbara, 34-37). Brauchtümer zu ihren Ehren halten sich teilweise bis heute, für Deutschland ist hier z.B. das Schneiden der Barbarazweige am 4. Dezember zu nennen. Die Tatsache, dass Barbara’s Legende zwischen 1450 und 1550 allein in Frankreich 16 mal auf die Bühne gebracht wurde, macht ihre Popularität deutlich. Es ist nicht mehr ersichtlich welches der Barbarastücke dargestellt wurde, aber höchstwahrscheinlich existierten mehr Bühnenversionen als Textversionen erhalten sind. Die Tatsache, dass das jüngere der beiden französischen Stücke über einen Zeitraum von knapp 100 Jahren hinweg sieben Mal neu gedruckt wurde, gibt zum einen Aufschluss über die Popularität dieser Version, zum anderen über die allgemeine Beliebtheit der heiligen Barbara. Während vor allem aus dem französischen Sprachraum eine Vielzahl von Heiligenstücken, sogenannten Mysterienspielen, erhalten ist, sind in bretonischer Sprache nur vier Stücke bekannt. Zum bereits genannten Leben der Heiligen Barbara treten noch An Passion (Théodore Hersart de la Villemarqué. Le Grand Mystère de Jésus: passion et ressurection. Paris: Didier, 1866; Yves Le Berre, ed. La passion et la résurrection bretonnes de 1530 suivies de Tremenuan an ytron guerches Maria, Pemzec leuenez Maria, Buhez mab den. Brest: CRBC, 2011), An Buhez santez Nonn (Emile Ernault. ‘La Vie de sainte Nonne’. In: Revue Celtique 8 (1887), pp. 230–301, 405– 491; Yves Le Berre, ed. Buez santez Nonn. Mystère breton. Brest, 1999) und An Buhez Sant Gwenole (Emile Ernault. ‘L’ancien Mystère de saint Gwénolé, avec traduction et notes’. In: Annales de Bretagne 40 (1932-1933), pp. 4–35, 41, 104–141, 318–379; Paul Widmer, ed. An Buhez sant Gwenôlé = Das Leben des heiligen Gwenole. Text, Übersetzung und Anmerkungen. Wien: Praesens-Verlag, 2011) hinzu. Das erste Stück ist ebenfalls in einer Druckversion erhalten und handelt von der Passion und Auferstehung Christi und hat ähnlich dem Barbarastück einige Entsprechungen in französischer Sprache, die möglicherweise als Vorlage gedient haben. Die beiden letzteren Stücke behandeln populäre Lokalheilige der Bretagne, den heiligen Gwenolé und die heilige Nonn, und sind in handschriftlicher Form erhalten. Abgesehen von den thematischen Gemeinsamkeiten zwischen bretonischen und französischen Mysterienspielen, finden sich auch einige Ähnlichkeiten hinsichtlich der Struktur. So wurden mittelalterliche Theaterstücke nicht in "Szenen" und "Akte" unterteilt, sondern in "Tage", französisch "journées". Ein Tag entspricht dabei der Menge an Text, die an einem Tag von den SchauspielerInnen auf der Bühne gesprochen und dargestellt werden konnte, wobei es Anzeichen dafür gibt, dass bei früheren Stücken mehr und bei späteren Stücken weniger Text innerhalb eines Tages verarbeitet wurde. Aufgeführt wurden die Stücke an aufeinanderfolgenden Sonn- und Feiertagen. Kurze Stücke konnten innerhalb eines Tages aufgeführt werden, lange und aufwändige Produktionen umfassten bis zu 35 Tagen (Graham A. Runnalls. Études sur les mystères. Un recueil de 22 ètudes sur les mystères français, suivi d’un répertoire de théâtre religieux français du Moyen Age et d’une bibliographie. Paris: Honoré Champion Éditeur, 1998, 35-49, 61-82, 98f; Graham A. Runnalls. ‘Time and the Mystères or: How long did French Mystery Plays last? ’ In: New approaches to European Theater of the Middle Ages. An Ontology. New York, 2004, pp. 3–13, 7). Die beiden französischen Barbarastücke enthalten klare Angaben hinsichtlich der Unterteilung in Tage. Das ältere Stück wurde an fünf Tagen aufgeführt, das jüngere an zwei. Für das bretonische Stück wird keine genaue Angabe gemacht, aus der Einleitung geht aber hervor, dass es mehr als einen Tag gegeben haben muss. Aufgrund des Vergleichs mit französischen Mysterienspielen und der Arbeiten von Graham Runnalls (Runnalls, Études sur les mystères, Graham A. Runnalls. ‘Langage de parole ou langage du geste? Le mystère de saint Laurent’. In: Langues, Codes et Conventions de l’ancien théâtre. Actes de la troisième rencontre sur l’ancien théâtre européen. Paris, 2002, pp. 121–134, Runnalls, ‘Time and the Mystères or: How long did French Mystery Plays last?’) schließe ich mich Emile Ernault. Le mystère de sainte Barbe. Tragédie bretonne, texte de 1557. Publié avec traduction française, introduction et dictionnaire étymologique du breton moyen. Paris: Thorin, 1888 (S. vi) an und schlage vor, dass das bretonische Leben der heiligen Barbara in drei Teile unterteilt war. Die letzten beiden Teile könnten an einem einzigen Tag, vormittags und nachmittags, aufgeführt worden sein, woraus sich ein zweitägiges Stück ergäbe, oder alle Teile wurden an separaten Tagen aufgeführt, woraus sich ein dreitägiges Stück ergäbe. In dieser Beziehung ähnelt das bretonische Stück dem jüngeren französischen Stück, denn auch dieses besteht aus einem kurzen ersten Teil/Tag und einem deutlich längeren zweiten Teil/Tag. Mittelalterliche Theaterstücke wurden in Vers- bzw. Reimform verfasst. Diese Konvention trifft auch auf die beiden französischen und das bretonische Stück zu. Im Französischen wird meist ein Paarreim angewendet, als Reimschema ergibt sich also aabbcc usw., während beim bretonischen Theaterstück ein etwas komplexeres Reimschema vorliegt, nämlich aabccb bbdeed. Als keltische Sprache hat das Bretonische allerdings zwei weitere Besonderheiten im Verhältnis zum Französischen. Erstens werden Silben statt Hebungen gezählt; An buhez sante Barba besteht zum größten Teil aus achtsilbigen Versen, wobei es auch einige Abschnitte gibt, die aus zehnsilbigen Versen bestehen. Zehnsilbige Verse scheinen vor allem dann gebraucht zu werden, wenn sozial höhergestellte Figuren an der Interaktion beteiligt sind. Darüber hinaus finden sich auch kurze Verse bestehend aus fünf Silben, die ausschließlich in der Einleitung vorkommen. Zweitens gibt es im Bretonischen einen internen Reim, wobei zusätzlich zum Endreim innerhalb eines Verses mindestens zwei Silben miteinander reimen. Der interne Reim wird dabei von der vorletzten Silbe des Verses bestimmt und eine zweite Silbe, die diesen Reim trägt, findet sich idealerweise in der Silbe direkt vor der Zasur desselben Verses (Ernault, Le mystère de sainte Barbe, vi-viii; Emile Ernault. L’ancien vers breton. repr. 1991. Paris: Champion, 1912). Um nun die verschiedenen Versionen der Legende miteinander vergleichen zu können, habe ich einzelne Motive herausgearbeitet. Ausgehend vom bretonischen Stück habe ich Entsprechungen in den anderen Versionen gesucht und mit der bretonischen Variante verglichen. Die für diese Arbeit genutzten Motive sind die folgenden: die Teufel, der Turm, Barbaras Unterweisung durch einen Schulmeister und ihr Zusammentreffen mit einem Eremiten/Pilger, Barbaras Taufe, Barbaras Verheiratung, die Fenster im Turm, der Brunnen, die Hirten und der Schlussteil mit dem Charakter "Consciancc". Die Motive werden im wesentlichen entsprechend der Reihenfolge ihres Auftretens im bretonischen Stück abgehandelt. Aufgrund der strukturellen Ähnlichkeiten zwischen dem jüngeren französischen Stück (deux journées) und dem bretonischen Stück (An Buhez) – die beiden Stücke ähneln einander hinsichtlich ihrer Länge, der Tatsache, dass beide als Druck publiziert wurden, und des Druckzeitraums – wären weitere Ähnlichkeiten erwartbar. Tatsächlich unterscheidet deux journées sich aber insgesamt sehr von den anderen Versionen, da es einige Motive enthält, die sonst nirgends auftauchen (z.B. wird Barbara in einer Pause während ihrer Folter von einer Prostituierten besucht, die von der Heiligen bekehrt wird), andere aber unterschlägt (Longtin, Édition du Mystère de sainte Barbe en deux journées BN Yf 1652 et 1651). So trifft Barbara zwar auf einen Glaubensvertreter in Form eines Eremiten, hat aber keinen Kontakt zu Origenes oder seinem Vertreter wie in den anderen behandelten Versionen der Legende. Der Eremit ist jedoch ein sehr interessanter Faktor für den Vergleich der Theaterstücke, denn ein Charakter, der als Eremit bezeichnet wird, findet sich auch in An Buhez. Allerdings wird im bretonischen Stück schnell klar, dass es sich um einen Pilger handelt, welcher wiederum dem Pilger aus dem älteren französischen Stück (cinq journées) auffällig ähnelt. Darüber hinaus gibt es weitere deutliche Ähnlichkeiten zwischen An Buhez und cinq journées, z.B. beim Turmbau, Barbaras Unterweisung durch einen (An Buhez) bzw. zwei (cinq journées) Schulmeister, oder die Episode der Hirten. Trotzdem lässt sich An Buhez nicht als gekürzte Übersetzung von cinq journées auffassen, denn es finden sich auch einige Abweichungen von cinq journées. An diesen Stellen entspricht An Buhez dann häufig der Version der Legenda Aurea. Als besonders auffällig ist hier die Episode um Barbaras Taufe zu nennen. Während sie in Johannes von Wakkerzeels Historia und cinq journées von einer Erscheinung Johannes des Täufers getauft wird, erhält sie das Sakrament in der Legenda Aurea und in An Buhez von Origenes’ Gesandtem. In deux journées wird sie vom Eremiten getauft. Exklusive Gemeinsamkeiten zwischen An Buhez und Johannes von Wakkerzeels Historia, dem zweiten lateinischen Text, der für diese Arbeit herangezogen wurde, sind schwierig festzustellen, da cinq journées in weiten Teilen Johannes von Wakkerzeels Historia entspricht (Jun-Han Kim. Le Mystère de sainte Barbe en cinq journées. Edition critiques des deux premières journées d’après le manuscrit BNF fr. 976. Universite de Paris IV – Sorbonne, 1998, 375-377). Eine Besonderheit ist allerdings zu nennen. Im Laufe des bretonischen Stücks findet Barbara einen ausgetrockneten Brunnen und belebt diesen wieder. Hierbei beschreibt sie das wiederkehrende Wasser mithilfe verschiedener biblischer Termini, wovon einer "probatisch" ist, was sich wiederum auf den Teich Betesda aus Johannes 5 bezieht. Dieser Teich Betesda wird von den vier mit An Buhez verglichenen Texten nur in Johannes von Wakkerzeels Historia erwähnt. Die Episode um den Brunnen ist aber insgesamt sehr interessant, da sie sich als individualisierte bzw. lokalisierte Variante der anderen Barbaraversionen darstellt. Wie bereits erwähnt lässt Dioscorus seiner Tochter in einigen Versionen der Legende ein Badehaus bauen (Johannes von Wakkerzeels Historia, Legenda Aurea, cinq journées). Bei einem Besuch dieses Badehauses lässt Barbara das Wasser aus dem Boden des bis dahin trockenen Beckens hervor sprudeln (Johannes von Wakkerzeels Historia, cinq journées). Inhaltlich ähneln sich An Buhez, cinq journées und Johannes von Wakkerzeels Historia in dieser Beziehung besonders, aber in An Buhez wird das Badehaus eben durch einen Brunnen ersetzt. Dies könnte auf eine lokale Gegebenheit hindeuten. Da mittelalterliches Theater meist im Freien aufgeführt wurde, ist es durchaus möglich, dass der Brunnen in An Buhez einen realen Brunnen in einer Ortschaft in der Bretagne widerspiegelt, in der eine Aufführung stattgefunden hat. Das bretonische Stück verfügt darüber hinaus über eine weitere Auffälligkeit, die sich in keiner der anderen vier Versionen wiederfindet. Am Ende der Legende wird Barbara von ihrem Vater enthauptet. In An Buhez tritt kurz zuvor ein Charakter mit Namen "Consciancc" (dt. "Bewusstsein") auf, der den König von seinem Plan abzubringen versucht. Ein vergleichbarer Charakter findet sich in keinem der beiden Barbarastücke, wohl aber in einem anderen Genre des mittelalterlichen Theaters, nämlich in den Moralitäten. Dort treten solche personifizierte Allegorien als Charaktere auf. Häufig entspinnt sich daraus ein Zwiegespräch zwischen einem positiven und einem negativen allegorischen Charakter, bei dem beide versuchen einen menschlichen Protagonisten auf ihre jeweilige Seite zu ziehen. Ebenso ist der Abschnitt in An Buhez angelegt, denn Consciancc ringt mit Beelzebub um die Seele von Dioscorus – tötet er seine Tochter, wird er in die Hölle kommen, lässt er Gnade walten, kann seine Seele noch gerettet werden. Eine solche Entscheidungsgewalt wird dem König nur in An Buhez zugesprochen und findet sich nicht in den anderen Texten. Abschließend bleibt zu sagen, dass das bretonische Stück zwar merkliche Verbindungen zu mehreren anderen Versionen der Legende der heiligen Barbara aufweist, es sich aber keinesfalls um eine bloße Übersetzung eines der Texte handelt. Stattdessen ist das Stücks eine kreative Bearbeitung des Barbarastoffs, der unter Einbeziehung verschiedener hagiographischer und dramaturgischer Quellen zu einem individuellen und erkennbar bretonisch geprägten Kunstwerk geformt wurde.