Etablierung und Qualitätskontrolle der Radioligandentherapie mit Yttrium-90 und Lutetium-177 zur Behandlung neuroendokriner Tumoren am Uniklinikum Marburg

Neuroendokrine Tumoren sind seltene und sehr heterogene Neoplasien. Ein Großteil der Patienten weist bei Diagnosestellung bereits eine Fermetastasierung auf, so dass keine Möglichkeit mehr für eine kurative chirurgische Therapie besteht. Auch die Anzahl systemischer Therapieoptionen ist begrenzt. Di...

Ausführliche Beschreibung

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Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Rudolph, Ina
Beteiligte: Luster, Markus (Prof. Dr. med. ) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2017
Schlagworte:
Online Zugang:PDF-Volltext
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Beschreibung
Zusammenfassung:Neuroendokrine Tumoren sind seltene und sehr heterogene Neoplasien. Ein Großteil der Patienten weist bei Diagnosestellung bereits eine Fermetastasierung auf, so dass keine Möglichkeit mehr für eine kurative chirurgische Therapie besteht. Auch die Anzahl systemischer Therapieoptionen ist begrenzt. Die medikamentöse Therapie mit Somatostatinanaloga hat neben der Symptomkontrolle auch eine erwiesene antiproliferative Wirkung und findet bei der Behandlung von NET-Patienten einen breiten Einsatz. Eine Chemotherapie ist aufgrund des meist langsamen Wachstums der neuroendokrinen Tumore nur eingeschränkt anwendbar. Eine gängige Kombination bei höher proliferativen Tumoren ist Cisplatin und Etoposid, neue Ansätze umfassen Streptozocin, 5-FU und Doxorubicin. Eine weitere Option ist eine Therapie mit molekularem Targeting beispielsweise der Angiogenese, von mTOR, von Tyrosinkinasen oder Wachstumsfaktoren. Sowohl der Tyrosinkinaseinhibitor Sunitinib, als auch der mTOR-Inhibitor Everolimus werden bereits zur Therapie pankreatischer neuroendokriner Tumore eingesetzt. Eine wichtige Säule der systemischen Therapie ist die Radionuklidtherapie, bei der über Somatostatinrezeptoren, welche von vielen der neuroendokrinen Tumoren überexprimiert werden, ein Radionuklid in die Tumorzellen aufgenommen wird und dort zu DNA-Doppelstrangbrüchen führt. An dem Universitätsklinikum in Marburg wurden von 2009 bis 2012 35 Patienten mit metastasierten neuroendokrinen Tumoren mit einer Radionuklidtherapie behandelt. Die verwendeten Radiopharmaka waren hierbei entweder Yttrium-90-DOTATOC oder Lutetium-177-DOTATOC. Ziel dieser Arbeit war die Analyse der Qualität und Sicherheit dieser Therapie und der Vergleich mit den publizierten Ergebnissen anderer Zentren. Hierfür erfolgte eine retrospektive Analyse der Patientendaten. Bezüglich der Patientencharakteristika ergab sich kein wesentlicher Unterschied zwischen beiden Gruppen. Die akuten Nebenwirkungen der Therapie, bei denen es sich vor allem um Übelkeit, Erbrechen und eine Exazerbation von tumorassoziierten Schmerzen handelte, traten vermehrt bei den mit Yttrium-90 therapierten Patienten auf und waren gut therapierbar. Eine Nephrotoxizität Grad 3 oder 4 trat bei 4 Patienten der Yttrium-90-Therapiegruppe und 2 Patienten der Lutetium-177-Therapiegruppe auf, wobei diese bei 2 Patienten der Yttrium-90-Gruppe über den gesamten Beobachtungszeitraum persistierte. Hämatotoxische Effekte der Therapie waren meist passager und überwiegend leichtgradig. Beide Therapiegruppen zeigten milde Thrombozytopenien bis 12 Monate nach dem letzten Therapiezyklus. Eine schwere Thrombozytopenie trat nur bei einem Patienten der Lutetium-177-Gruppe auf. Leukozytopenien waren ebenfalls mild und bei je ein bis zwei Patienten pro Therapiegruppe innerhalb der ersten 6 Monate zu verzeichnen. Einzig für das Auftreten von Anämien zeigte sich ein signifikanter Unterschied zwischen beiden Gruppen mit einem deutlich höheren Anteil von bis zu 90% in der Yttrium-90-Gruppe. Die unerwünschte Wirkung auf die Erythropoese hielt in dieser Gruppe bis zum Ende des Beobachtungszeitraumes an. Hinweise auf eine hepatotoxische Wirkung der Therapie ergaben sich nicht. Das Therapieansprechen wurde in drei Subanalysen ausgewertet: biochemisches, morphologisches und klinisches Ansprechen. Für das biochemische Ansprechen wurde ein Absinken der Tumormarker unter < 50% des Ausgangsserumspiegels im Sinne eines Regress, ein Anstieg der Tumormarker > 50% als Zeichen eines Progress und die Werte zwischen diesen als stabiler Verlauf gewertet. Für Chromogranin A ergab sich in der Yttrium-Gruppe ein Gesamtansprechen von 85%, in der Lutetium-Gruppe von 67%. Das biochemische Ansprechen für Serotonin betrug 90% in der Yttrium- und 92% in der Lutetium-Gruppe. Für die bildmorphologische Auswertung des Tumorwachstums anhand der RECIST-Kriterien ergab sich in der Yttrium-90-Gruppe mit 40% regressiven und 27% stabilen Befunden ein Gesamtansprechen von 67%. In der Lutetium-177-Gruppe zeigte sich ein Gesamtansprechen von 85% mit einem Anteil von 20% an regressiven und 65% stabilen Krankheitsverläufen. Eine klinische Verbesserung nach der Radionuklidtherapie ergab sich in der Yttrium-90-Gruppe zu 67% und in der Lutetium-177-Gruppe zu 45%. Ein signifikanter Unterschied für das Therapieansprechen zwischen beiden Gruppen bestand nicht. Auch zeigte sich kein Vorteil in Bezug auf das Überleben, was zum Abschluss der Datenerhebung bei je 79% in beiden Gruppen lag. Die in der Klinik für Nuklearmedizin durchgeführte Radionuklidtherapie mit Yttrium-90-DOTATOC und Lutetium-177-DOTATOC entspricht in ihrem Nebenwirkungsprofil und Antitumoreffekt den Ergebnissen aktueller internationaler Studien und ist eine sichere und nebenwirkungsarme Therapieoption für Patienten mit metastasierten neuroendokrinen Tumoren. Trotz der vielversprechenden bisherigen Ergebnisse gibt es noch Raum für eine weitere Optimierung der Radionuklidtherapie. Zukünftige Entwicklungen umfassen zum einen den Einsatz von individualisierten Verfahren zur Dosimetrie und die Entwicklung von neuen nephroprotektiven Substanzen, um die toxischen Effekte der Therapie weiter zu minimieren. Zum anderen werden neue Somatostatinanaloga und –antagonisten mit verbesserten Bindungseigenschaften und einem größeren Spektrum an Ziel-Rezeptoren entwickelt. Andere präklinische und klinische Studien befassen sich gegenwärtig mit der Untersuchung von neoadjuvanten Radiosensitizern, der Kombination der Radionuklidtherapie mit einer Chemotherapie oder der Kombination von Yttrium-90 und Lutetium-177, um eine stärkere Wirkung auf die Tumorzellen zu erzielen.
DOI:10.17192/z2017.0354