Verbessert perioperative Musikdarbietung das Wohlbefinden bei Patientinnen nach gynäkologischen Eingriffen? Eine randomisiert kontrollierte Studie mit systematischer Literaturrecherche

Die letzten Jahre haben signifikante Fortschritte sowohl in der Erforschung als auch in der therapeutischen Anwendung von Musik in der Medizin erbracht. Klinisch hat sich hier der routinemäßige Einsatz einer "musikalischen" Angst- und Schmerzbekämpfung bewährt. Musik scheint als emotional...

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Main Author: Kruse, Christina
Contributors: Eberhart, Leopold (Prof. Dr.) (Thesis advisor)
Format: Doctoral Thesis
Language:German
Published: Philipps-Universität Marburg 2014
Subjects:
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Description
Summary:Die letzten Jahre haben signifikante Fortschritte sowohl in der Erforschung als auch in der therapeutischen Anwendung von Musik in der Medizin erbracht. Klinisch hat sich hier der routinemäßige Einsatz einer "musikalischen" Angst- und Schmerzbekämpfung bewährt. Musik scheint als emotional verknüpftes Kommunikationsmittel für den perioperativen Einsatz prädestiniert zu sein, da diese Phase oft durch emotionalen Stress, Angst und oftmals Schmerzen gekennzeichnet ist. Zudem rückt das Thema Patientenzufriedenheit und Qualitätsoptimierung durch sozioökonomisch veränderte Rahmenbedingungen immer mehr in den Fokus der klinischen Forschung. Vor dem Hintergrund, dass während einer Allgemeinanästhesie die Möglichkeit einer impliziten Informationsverarbeitung postuliert wird, scheint Musik als kostengünstige Intervention ein geeignetes Mittel zu sein um das Wohlbefinden zu steigern. In der vorliegenden Arbeit wurde die therapeutische Wirkung von perioperativer Entspannungsmusik auf das postoperative Wohlbefinden von 80 Patientinnen, welche sich mamma-chirurgischen Eingriffen oder einer gynäkologischen Laparoskopie unterziehen mussten, untersucht. Zudem wurden die Auswirkungen auf postoperative Schmerzen erfasst. Hierzu wurden durch eine randomisiert kontrollierte Studie zwei Interventionsgruppen (prä- und intraoperative Musikintervention) mit einer Kontrollgruppe verglichen, wobei eine Teilverblindung gewährleistet war. Unter Verwendung des BSKE (EWL)-Fragebogens wurde das perioperative Wohlbefinden an drei unterschiedlichen Zeitpunkten erfasst (präoperativ, sechs und 24 Stunden postoperativ). Zusätzlich operationalisierten wir die allgemeine Zufriedenheit der Patientinnen mit dem PPP-33 Fragebogen. Zum Ausschluss einer die Ergebnisse verfälschenden Depression erfolgte ein präoperatives Depressionsscreening durch das Becks-Depressions-Inventar. Postoperative Schmerzen und Wohlbefinden wurden zusätzlich mittels einer visuellen Analogskala (VAS) von 1-10 erhoben. Unter Bispektral-Index (BIS)-Monitoring legten wir besonderes Augenmerk auf die intraoperative Darbietung von Entspannungsmusik und analysierten die Ergebnisse im Kontext zur aktuellen Literatur hinsichtlich ihrer Bedeutung für eine intraoperative Informationsverarbeitung. Lediglich 24 Stunden nach der Operation zeigten sich im BSKE (EWL)-Summenscore signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen. Der PPP-33 Fragebogen deckte, wenn auch nur in der Dimension Angst, Unterschiede zwischen den Interventionsgruppen und der Kontrollgruppe auf. Die bewusst gehörte Musik wirkte 78 sich nur in der präoperativen Musikgruppe positiv auf das perioperative Befinden (VAS Wohlbefinden) aus. Basierend auf der systematischen Literaturrecherche und unseren Ergebnisse lässt sich ein positiver Nutzen von präoperativer Musikdarbietung bezüglich des perioperativen Wohlbefindens und perioperativer Ängstlichkeit ableiten. Zudem wird Musik als angenehm empfunden und von den meisten Patienten gerne angenommen. Durch eine intraoperative Musikintervention scheint keine zusätzliche Verbesserung erzielt werden zu können. Bezüglich der intraoperativen Informationsverarbeitung akustischer Reize liefert unsere Studie keine neuen Erkenntnisse. Routinemäßig werden heute Monitoringsysteme zur verbesserten Kontrolle der Narkosetiefe eingesetzt. Dabei zeigen Studien, dass auch unter einer adäquaten Narkosetiefe unter BIS-Monitoring eine akustische Informationsverarbeitung stattfinden kann. So bleibt weiterhin anzunehmen, dass die Verarbeitung akustischer Reize während einer Allgemeinanästhesie potentiell möglich ist. Aus der Studienlage geht dabei hervor, dass die Vermittlung von expliziten Inhalten während einer Allgemeinanästhesie nicht möglich erscheint. Inwiefern die implizite Informationsverarbeitung in der klinischen Praxis genutzt werden kann ist noch nicht abschließend geklärt. Aktuell kann kein Benefit einer intraoperativen Musiktherapie abgeleitet werden. Diese Tendenz wird durch unsere Ergebnisse bestätigt. Zukünftige Arbeiten sollten den Aspekt der impliziten Informationsverarbeitung weiter verfolgen und dabei die zugrunde liegenden neurophysiologischen Prozesse in den Fokus rücken, um mögliche klinische Ansatzpunkte zur positiven Nutzung impliziter Erinnerung aufzudecken. Klinisches Fazit: Der Einsatz von Entspannungsmusik ist als kostengünstiger und nebenwirkungsarmer additiver Therapieansatz zur Steigerung des perioperativen Wohlbefindens präoperativ zu empfehlen. Patienten sollten deshalb vor einer anstehenden Operation die Möglichkeit erhalten Entspannungsmusik zu hören. Eine Empfehlung zur Anwendung intraoperativer Musik kann nicht gegeben werden, jedoch muss der Aspekt einer potentiellen akustischen intraoperativen Informationsverarbeitung mit möglicher impliziter Erinnerung berücksichtigt werden.
DOI:10.17192/z2014.0645