Nanokristalliner Cobaltoxid-Spinell: Größenselektive Synthese, Defektchemie, Partikelwachstum

Nanokristallines Co3O4 ist ein Multifunktionsmaterial mit weitreichendem Anwendungspotenzial in der Technik. So kommt es derzeit in der heterogenen Katalyse, der Sensorik sowie der Energiespeicherung zum Einsatz. Da die physikalisch-chemischen Eigenschaften letztlich von der Partikelgröße, der atoma...

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Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Jehl, Pierre
Beteiligte: Harbrecht, Bernd (Prof. Dr.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2013
Schlagworte:
Online Zugang:PDF-Volltext
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Beschreibung
Zusammenfassung:Nanokristallines Co3O4 ist ein Multifunktionsmaterial mit weitreichendem Anwendungspotenzial in der Technik. So kommt es derzeit in der heterogenen Katalyse, der Sensorik sowie der Energiespeicherung zum Einsatz. Da die physikalisch-chemischen Eigenschaften letztlich von der Partikelgröße, der atomaren Struktur sowie der Mikrostruktur bestimmt werden ist eine systematische Erschließung und Beeinflussung dieser Parameter essentiell für eine maßgeschneiderte Optimierung der Eigenschaften von nc-Co3O4. In der vorliegenden Arbeit erfolgt die größenselektive Darstellung durchschnittlicher mittlerer Partikelgrößen von Cobaltoxid-Spinell monomodaler Größenverteilung bis in den ultrafeinen Bereich über eine kostengünstige Synthese, ausgehend von Cobaltacetat sowie Cobaltnitrat aus einer ammoniakalischen Lösung mit variablen Anteilen an Wasser und Ethanol in der Lösung bei Zutritt von Sauerstoff und Fällung des Produkts unter einfachen Rückflussbedingungen. Der erzielbare Größenbereich durch Variation des Wasser/Ethanol- sowie des Ammoniak/Wasser-Verhältnisses beträgt zwischen 35 und 2 nm. Bei gegebener Ammoniakkonzentration in der Lösung (~2,3 w%) lässt sich ausgehend von einer 2%-igen Cobaltacetatlösung eine lineare Abhängigkeit der Partikelgröße vom Volumenanteil Ethanol in der Reaktionslösung im Bereich zwischen 11 nm (0vol% EtOH) und 2 nm (91vol% EtOH) erzielen. Dies wurde von anderen Forschern zuvor lediglich unter hydrothermalen Bedingungen beobachtet, bei der die untere Schranke der erzielbaren Partikelgröße zudem bei 3,5 nm lag. Weiterhin zeigte sich, dass sich die Partikelgröße nicht nur durch eine Variation des Ethanol/Wasser-Verhältnisses sondern auch durch eine Erhöhung der Ammoniakkonzentration in der Lösung sowie durch Austausch des Gegenions des Cobaltsalzes beeinflussen lässt. Ausgehend von der Synthese aus wässriger Lösung (0vol% EtOH, 2,3w% NH3) erfolgt mit zunehmender Ammoniakkonzentration ein sigmoider Anstieg der Partikelgröße, der bei einer Ammoniakkonzentration von 10w% im Bereich von 25 nm in eine Sättigung übergeht. Eine weitere Steigerung der Partikelgröße bis hin zu 35 nm, gelingt durch Austausch des Gegenions des Cobaltsalzes indem die Synthese bei erhöhter Ammoniakkonzentration mit Cobaltnitrat anstelle von Cobaltacetat durchgeführt wird. Das isochrone Partikelwachstum (1h) im Temperaturbereich von 250 bis 500 °C von Partikeln unterschiedlicher Startpartikelgröße dS = 2 nm, 11 nm und 25 nm unterscheidet sich deutlich, wobei die Abnahme des Partikelwachstums umso stärker ist, je größer die anfängliche Startpartikelgröße ist, bis hin zu einer kompletten Blockierung des Wachstums bei 25 nm großen Partikeln. Da es bei nanokristallinen Materialien aufgrund der erhöhten Oberflächenenergie zur verstärkten Adsorption von Fremdmaterial kommt, wurden thermische Analysen für Partikelgrößen von 2 bis 25 nm durchgeführt. Die gravimetrisch über Kalzinierungsmethoden sowohl ex-situ, als auch in-situ, über Differenzthermoanalysen, bestimmten Überschussmassen zeigen einen exponentiellen Zusammenhang des Massenverlustes in Abhängigkeit der Partikelgröße mit Werten zwischen 4% bei 25 nm großen Partikeln bis hin zu 25% bei 2 nm großen Partikeln. Die Zuordnung der Überschussmasse erfolgte hierbei physisorbiertem Wasser und Kohlenstoffdioxid sowie sich während der Synthese ausgehend von Ammoniumacetat bildendem Acetamid. Die röntgenographischen Untersuchungen zeigen einen exponentiellen Anstieg des Gitterparameters mit abnehmender Partikelgröße, ausgehend von 808 pm bei 12 nm großen Partikeln bis 813 pm bei 2 nm großen Partikeln. Ein exponentieller Anstieg des Gitterparameters mit abnehmender Partikelgröße sowie eine Aufweitung des Gitters für Cobaltoxid-Spinell bis über 813 pm (813,4 pm) ist in der Literatur bisher nicht beschrieben worden. Als wichtigstes Resultat der röntgenographischen Untersuchungen ist jedoch zu nennen, dass es bei Variation des Wasser/Ethanol- sowie des Ammoniak/Wasser-Verhältnisses nicht nur zu einer Änderung der Partikelgröße, sondern zu einer partikelgrößenabhängigen Intensitätsmodulation einzelner Reflexe kommt. Diese Intensitätsmodulation drückte sich in den Rietveld-Verfeinerungen in verringerten sowie unterschiedlichen Besetzungsfaktoren an Co2+ und Co3+ aus, die somit eine Reduzierung der Röntgendichte sowie die Ausbildung von Metalldefekten impliziert. Eine entropiebegünstigte, partielle Umverteilung der Cobaltatome auf weitere, in der Spinellstruktur nicht besetzte Oktaeder- und/oder Tetraederlücken, wie sie von Tarascon als alleinige Ursache der Intensitätsmodulation postuliert wurde [11], konnte für die hier beschriebenen Spinelle über Rietveldverfeinerungen und pyknometrische Dichtebestim-mungen an nanokristallinen Cobaltoxid-Spinell ausgeschlossen werden. Im Gegensatz zu herkömmlichem Cobaltoxid-Spinell mit einer Dichte von 6,11 g/cm³ werden Röntgendichten von 5,5 g/cm³ bei 25 nm großen Partikeln bis hin zu 5,1 g/cm³ bei 2 nm großen Partikeln beobachtet. Dabei erfolgt eine sukzessive Abnahme der Röntgendichte mit sinkender Partikelgröße, die sich vor allem im Bereich zwischen 10 nm und 2 nm beschleunigt. Die Abnahme der Dichte mit sinkender Partikelgröße zeigte sich nicht nur über die Rietveldverfeinerung, sondern auch über pyknometrische Messungen mit Helium als Analysegas, unter Berücksichtigung der bei nanokristallinen Materialien auftretenden Überschussmassen. Die pyknometrisch bestimmten Dichten im Größenbereich von 25 bis 2 nm bestätigen den Trend der Abhängigkeit der Dichte von der Partikelgröße, jedoch weichen die über die Heliumpyknometrie ermittelten Dichten mit abnehmender Partikelgröße vermehrt zu niedrigeren Werten ab, mit einer maximalen Abweichung von 25% bei 2 nm großen Partikeln. Dies bedeutet, dass die wahre Dichte bei ultrafeinen Partikeln noch geringer ist als die über die Rietveldverfeinerung ermittelten Dichten. Die Abnahme der Dichte beruht aller Voraussicht nach auf eine Co-defektbedingte partielle Substitution von O2- durch OH- in Cobaltoxid-Spinell, die sich in einer exponentiellen Zunahme des Gitterparameters zeigt. Weiterhin führt nicht nur die Partikelgröße, sondern auch die thermische Behandlung zu einer Variation der Dichte an nanokristallinem Cobaltoxid-Spinell. Hierbei erfolgt bei jeweils isochroner thermischer Behandlung (1h) des Ausgangsmaterials bei Temperaturen zwischen 250 und 500 °C jeweils ein Anstieg der röntgenographischen Dichte, bei der die Zunahme der röntgenographischen Dichte umso größer ist, je höher die vorherrschende Temperatur ist. Die Zunahme der Dichte bei einer thermischen Nachbehandlung wird zudem durch pyknometrische Messungen wiedergefunden. Um die bislang unverstandenen Beziehungen zwischen Partikelgröße, strukturellen Parametern und chemischer Zusammensetzung zu studieren, wurden infrarotspektroskopische sowie magnetische Messungen durchgeführt, die ein Maß für die Stärke der intrapartikulären Bindungskräfte sind. Eine Variation der Besetzung an Cobalt zeigt sich in den infrarotspektroskopischen Befunden in einer Verschiebung der transversalen Mode bei ca. 390 cm-1 um über 15 Wellenzahlen (388 - 372 cm-1). Weiterhin beobachtet man eine lineare Abhängigkeit der energiereichsten transversalen Mode bei ca. 650 cm-1 vom Gitterparameter, ausgehend von 657 cm-1 bei 808 pm bis 650 cm-1 bei 813 pm. Die mit der thermischen Behandlung einhergehende Dichteänderung wachstumsblockierter Partikel (25 nm) zeigt sich in einer Zunahme der antiferromagnetischen Ordnungs-temperatur, die bisher lediglich auf eine Änderung der Partikelgröße zurückgeführt wird. Eine Erhöhung der jeweils einstündigen Kalzinierungstemperatur von 250 °C auf 425 °C resultiert in einer Zunahme der Néel-Temperatur von 20 auf 35 Kelvin. Die über Sorptionsmessungen an nanokristallinem Cobaltoxid-Spinell im Größenbereich von 11 bis 2 nm bestimmten spezifischen Oberflächen zeigen einen anomalen Verlauf. So wird die höchste spezifische Oberfläche nicht bei Partikeln mit der geringsten Partikelgröße, sondern bei etwa 3 nm großen Partikeln gefunden mit einer spezifischen Oberfläche von 190 m²/g. Dieser Befund konnte auf die bei ultrafeinen Partikeln beobachtbare exponentielle Zunahme der Überschussmasse zurückgeführt werden. Weiterhin zeigen die Sorptionsmessungen im Größenbereich von 11 bis 2 nm eine lineare Abhängigkeit sowohl des Porenvolumens als auch der durchschnittlichen Porenweite von der Partikelgröße mit Absolutwerten für das Porenvolumen von 0,27 cm³/g bei 11 nm großen Partikeln bis zu 0,05 cm³/g bei 2 nm großen Partikeln, sowie der durchschnittlichen Porenweite von 9,7 nm bei 11 nm großen Partikeln bis hin zu 2 nm bei 4 nm großen Partikeln. Eine strikte Korrelation sowohl des Porenvolumens als auch der durchschnittlichen Porenweite mit den durch Variation des Ethanol/Wasser-Verhältnis erhaltenen Partikelgrößen konnte bisher nicht beobachtet werden. Zudem konnte die Porengrößenverteilung und somit der Zugang der Gasmoleküle zur Festkörperoberfläche wachstumsblockierter Partikel durch einfache thermische Behandlung maßgeblich beeinflusst werden. Die Porengrößenverteilung bei isochroner thermischer Behandlung (1h) bei Temperaturen von 250 und 425 °C wird hierbei umso breiter, je höher die vorherrschende Temperatur ist. Weiterhin wurde der Frage nachgegangen warum die Wachstumsdynamik in Abhängigkeit der Startpartikelgröße bei isochroner thermischer Behandlung (1h) bei Temperaturen zwischen 250 und 500°C selbst bei Überschreiten einer zwischenzeitlich identischen Partikelgröße vollkommen unterschiedlich ist. So beobachtet man eine komplette Blockade des Wachstums bei 25 nm großen Partikeln, während kleinere Partikel ein sukzessiv stärkeres Wachstums zeigen, Startpartikel von 2,7 nm bei einer Temperatur von 500°C (1h) gar bis zu 40 nm wachsen und somit eine Partikelgröße von 25 nm mühelos überschreiten. Um die Ursache für das unterschiedliche Partikelwachstum in Abhängigkeit der Startpartikelgröße aufzuklären, wurden aus Lösung dargestellte Partikel unterschiedlicher Startpartikelgröße dS = 12 nm, 9,7 nm, 6,9 nm, 6,3 nm, 4 nm und 2,5 nm bei einer Temperatur von 425 °C durch variable Wachstumszeiten auf eine identische mittlere Partikelgröße von 15 nm gebracht und anschließend mittels Transmissions-elektronenmikroskopie, Röntgenpulverdiffraktometrie und Sorptionsmessungen hinsichtlich der Partikelgrößenverteilung, struktureller Aspekte sowie oberflächen-spezifischer Kenngrößen charakterisiert. Da die über die Rietveldverfeinerung ermittelten strukturellen Parameter für die Proben vergleichbare Werte aufwiesen konnte ein signifikanter Beitrag struktureller Parameter auf ein nachfolgendes Partikelwachstum ausgeschlossen werden. Die Partikelgrößenverteilungen der einzelnen Proben wiesen jeweils eine log-normal-Verteilung sowie eine enge Porengrößenverteilung auf. Für das interpartikuläre Porenvolumen wurden umso niedrigere Werte gefunden, je kleiner die ursprüngliche Startpartikelgröße war. Nachfolgende isochrone thermische Behandlungen bei 600°C (2h) zeigten, dass das Partikelwachstum mit dem interpartikulären Porenvolumen korrelierte: je niedriger das interpartikuläre Porenvolumen, desto stärker das Partikelwachstum. Diesen Befunden zufolge ist die Ursache der Abhängigkeit der Wachstumsdynamik von der Startpartikelgröße in dem unterschiedlichen anfänglichen Porenvolumen bei gegebener Partikelgröße zu sehen, die sich bei Überschreiten der identischen Partikelgröße aufgrund ihrer anfänglichen Unterschiede im Porenvolumen in diesem Parameter auch weiterhin unterscheiden. Abschließend sei angemerkt, dass die vorliegende Arbeit die fundamentale Frage aufwirft, ob die allgemein beobachtbaren nanokristallinen Effekte tatsächlich primär ein Einfluss der Partikelgröße oder vielmehr ein Einfluss der mit der Partikelgröße sowie der thermischen Behandlung einhergehende Variation der chemischen Zusammensetzung ist.
DOI:10.17192/z2014.0121