Veränderungen des Schmerzerlebens im klinischen Verlauf des Morbus Parkinson

In dieser Studie sollte gezeigt werden, inwieweit sich objektive Schmerz-schwellen und subjektives Schmerzerleben im Laufe der Parkinson-Krankheit verändern und auf welcher Ebene der Schmerzverarbeitung sich diese Veränderungen manifestieren. Dazu wurden 29 Parkinson-Patienten und 27 gesunde Kontrol...

Ausführliche Beschreibung

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Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Brebbermann, Juliane
Beteiligte: Mylius, V. (PD Dr.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2013
Schlagworte:
Online Zugang:PDF-Volltext
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Beschreibung
Zusammenfassung:In dieser Studie sollte gezeigt werden, inwieweit sich objektive Schmerz-schwellen und subjektives Schmerzerleben im Laufe der Parkinson-Krankheit verändern und auf welcher Ebene der Schmerzverarbeitung sich diese Veränderungen manifestieren. Dazu wurden 29 Parkinson-Patienten und 27 gesunde Kontrollprobanden im Hinblick auf ihre Hitze-, elektrische und NFR-Schwelle untersucht. Um Störfaktoren wie Depression, Demenz, Schmerzen anderer Genese als M. Parkinson und vermehrte Ängstlichkeit auszuschließen, erfolgten eine ausführliche Anamnese und etablierte Screening-Tests. Zur Einschätzung des Schweregrades erfolgte eine klinische Untersuchung mittels der Unified Parkinson Disease Rating Scale (UPDRS, Motorscore), auf der die weitere Einteilung und Auswertung der Patienten in drei Untergruppen basierte. Am nächsten Morgen fand die elektrophysiologische Untersuchung zwischen 6 und 9 Uhr im medikamentös definierten „off“ statt. Dabei wurden die Hitze- und die elektrische Schmerzschwelle der Teilnehmer bestimmt, sowie die Schwelle des nozizeptiven Flexorreflexes (NFR) als etabliertes Messinstrument zur Beurteilung der Nozizeption. Anhand der Ergebnisse war es möglich, eine Veränderung des NFR zu identifizieren: Der Schmerzreflex trat im Vergleich zu Patienten im Frühstadium (Gruppe PD A) und gesunden Kontrollen bei Patienten fortgeschritteneren Stadiums (Gruppe PD B) früher auf. In noch weiter fortgeschritten Stadien der Erkrankung nimmt die veränderte spinale Nozizeption offenbar auch Einfluss auf die elektrische und Hitzeschmerzschwelle, welche in der Gruppe PD C zusammen mit der NFR-Schwelle erniedrigt waren. Diese Beobachtungen führen zu der These, dass Parkinson-assoziierte Schmerzen zumindest zum Teil aufgrund von Veränderungen der spinalen Nozizeption entstehen, die mit Fortschreiten der Erkrankung zunehmen. Bei Berücksichtigung der aktuellen Studienlage wird deutlich, dass wahrscheinlich auch zentrale Mechanismen sowie periphere Veränderungen auf die Schmerzverarbeitung und -entstehung bei Parkinson-Patienten Einfluss nehmen. So wird angenommen, dass die Basalganglien und das dopaminerge System an nozizeptiver Reiz-Modulation beteiligt sind und daher für Schmerzphänomene bei M. Parkinson verantwortlich sein können. Verschiedene Studien konnten zeigen, dass die Schmerzschwellen bei Parkinson-Patienten niedriger sind als bei Gesunden. Diese normalisieren sich aber nach L-Dopa-Gabe wieder, was den Einfluss des Dopaminmangels auf die Schmerzwahrnehmung verdeutlicht. Gegensätzliche Ergebnisse lieferten Djaldetti et al., die keine Unterschiede in der Hitzeschmerz-schwelle im „on“ und „off“ feststellen konnten. Dies stellt den Einfluss des Dopamins auf die Schmerzwahrnehmung wieder in Frage. Da die neuronale Degeneration bei PD jedoch nicht nur dopaminerge Neurone betrifft, sollten auch andere Transmittersysteme als Ursache für Veränderungen der Schmerz-wahrnehmung in Betracht gezogen werden. Mit der Evidenz für cutane Denervation bei PD-Patienten lieferten Nolano et al. eine weitere mögliche Erklärung für das sensorische Defizit bei PD auf peripherer Ebene. Die Ursachen für die veränderte Nozizeption sind zum Teil gegensätzlicher Natur und liegen offensichtlich auf verschiedenen Ebenen. Darüber hinaus sollte mit diesen Untersuchungen herausgefunden werden, ob klinischer Schmerz als ein Frühsymptom von M. Parkinson aufgrund veränderter spinaler Nozizeption auftritt und diese Veränderungen messbar und somit als diagnostisches Mittel nützlich sein könnten. Wir konnten nachweisen, dass die spinale Nozizeption und die experimentelle Schmerzwahrnehmung in frühen PD-Stadien (Gruppe PD A) nicht signifikant erniedrigt sind. Es fand sich nur eine Tendenz für eine erhöhte spinale Nozizeption. Daher ist es eher unwahrscheinlich, Veränderungen der Schmerzwahrnehmung als frühdiagnostisches Merkmal heranzuziehen. Im Hinblick auf die hohe Prävalenz von Parkinson-assoziiertem Schmerz bleibt auch in Zukunft das Ziel, die genauen Mechanismen der Schmerzentstehung zu verstehen, um neben der diagnostischen Komponente auch neue Therapie-möglichkeiten bezüglich Schmerzen und Parkinson zu entwickeln. Eine breitere Rekrutierung von Patienten mit verschiedenen PD-assoziierten Schmerzen, insbesondere als Frühsymptom, wäre erforderlich, um spezifischere und repräsentativere Ergebnisse zu erzielen. Vor allem die Untersuchung von de-novo-Patienten wäre erstrebenswert, um Medikamenteneffekte auszuschließen. Interessant wäre auch eine Untersuchung von RBD-Patienten. Diese Schlafstörung manifestiert sich häufig vor dem Auftreten verschiedener neurodegenerativer Erkrankungen und kann eine nicht motorische Frühform von Alpha-Synucleinopathien darstellen. Ein großer Teil der RBD-Patienten entwickelt im Verlauf ein Parkinson-Syndrom. Damit gäbe es die Möglichkeit, Patienten vor Ausbruch der Erkrankung zu untersuchen und deren Schmerzwahrnehmung zu charakterisieren.
DOI:10.17192/z2013.0139