Akutes Koronarsyndrom ohne signifikante Stenosen : Charakterisierung und Prognose

In den westlichen Industrieländern stellen kardiovaskuläre Erkrankungen und hierbei insbesondere der akute Myokardinfarkt eine häufige Ursache für Morbidität und Mortalität dar. Eine rasche Diagnose ist für die Prognose akuter Koronarsyndrome entscheidend, wobei eine Differentialdiagnose von Nicht-S...

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Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Gräfe, Volker
Beteiligte: Lauer, Bernward (Prof. Dr. med.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2012
Schlagworte:
Online Zugang:PDF-Volltext
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Beschreibung
Zusammenfassung:In den westlichen Industrieländern stellen kardiovaskuläre Erkrankungen und hierbei insbesondere der akute Myokardinfarkt eine häufige Ursache für Morbidität und Mortalität dar. Eine rasche Diagnose ist für die Prognose akuter Koronarsyndrome entscheidend, wobei eine Differentialdiagnose von Nicht-ST-Hebungsinfarkten und anderen Troponin-positiven Koronarsyndromen oftmals sehr schwierig ist. Die vorliegende Arbeit charakterisiert in einer retrospektiven Analyse Patienten mit Troponin-positivem akuten Koronarsyndrom mit Ausschluss von signifikanten Koronarstenosen hinsichtlich klinischer, elektrokardiographischer und laborchemischer Parameter mit dem Versuch einer Prognoseeinschätzung. Dabei erfolgte ein Vergleich zu Patienten mit erfolgter perkutaner Koronarintervention im Rahmen eines Nicht-ST-Hebungsinfarktes. Es wurden insgesamt 1437 Patienten analysiert, welche im Zeitraum von Mai 2002 bis September 2005 in die Klinik für Kardiologie des Herzzentrums Bad Berka mit akutem Thoraxschmerz und einer Erhöhung von Troponin I eingewiesen wurden. Von diesem Patientenkollektiv erfüllten 636 Patienten zunächst die Kriterien eines Nicht-ST-Hebungsinfarktes. Innerhalb von 12 Stunden wurde bei allen Patienten eine Koronarangiographie durchgeführt, welche eine Einteilung des Kollektivs in zwei Gruppen ermöglichte: • Patienten mit akutem Coronarsyndrom ohne signifikante Stenosen ("ACSOS"; n=127) • Patienten mit einer oder mehreren hämodynamisch relevanten Stenose(n), die einer perkutanen Coronarintervention mit Stentimplantation unterzogen wurden ("NSTEMI mit PCI"; n=509) Bei der Analyse der "ACSOS"- mit der "NSTEMI"-Gruppe gab es keine Unterschiede hinsichtlich des Alters (66,4 vs. 65,9 Jahre; p=0,69), des Nikotinkonsums (25,3 vs. 22,7%; p=0,75) und der linksventrikulären Ejektionsfraktion (56,6 vs. 57,7%; p=0,93). Auch beim Vergleich der Troponinwerte (11,8 vs. 9,7 ng/ml; p=0,95), der CKmax (6,1 vs. 7,1µmol/l; p=0,78) sowie von CKMB (2,7 vs. 2,5%; p=0,76) waren keine signifikanten Unterschiede auffällig. ST-Strecken-Senkungen (21,3 vs.15,5%; p=0,14) und Q-Zacken (11,0 vs. 5,3%; p=0,26) im Ruhe-EKG wurden tendenziell mehr in der "ACSOS"-Gruppe festgestellt. Der vergleichsweise größere Anteil von T-Negativierungen in der "ACSOS"-Gruppe war hochsignifikant (53,5 vs. 40,6%; p=0,009). Auffällig waren die hochsignifikanten Unterschiede zugunsten der "ACSOS"-Guppe bezüglich des Nachweises von Vorhofflimmern (24,4 vs. 10,8%; p<0,001) und der Schwere der initial beklagten pectanginösen Beschwerden (76,4 vs. 40,2%; p<0,001). Auch die CRP-Werte wurden in der "ACSOS"-Gruppe signifikant höher im Vergleich zur "NSTEMI"-Gruppe gemessen (21,9 vs. 16,3mg/l; p=0,004). Bei der Betrachtung der kardiovaskulären Risikofaktoren gab es im NSTEMI-Kollektiv hochsignifikant mehr Patienten mit Diabetes mellitus (39,1 vs. 20,5%; p<0,001), arterieller Hypertonie (89,1 vs. 69,3%; p<0,001) und Hyperlipidämie (61,1 vs. 43,3%; p<0,001). Auch regionale Wandbewegungstörungen wurden hochsignifikant mehr bei den Patienten mit NSTEMI nachgewiesen (75,2 vs. 47,2%; p<0,001). Die Tako-Tsubo-Kardiomyopathie und die virusinduzierte Myokarditis waren die häufigsten Krankheitsbilder in der "ACSOS"-Gruppe. Im Follow-up gab es in der "NSTEMI"-Gruppe signifiikant mehr Myokardreinfarkte (8,5 vs. 3,4%; p=0,005) und Rehospitalisierungen aus kardialer Ursache (70,3 vs. 6,1%; p<0,001). Keine Unterschiede gab es bei der Mortalität (4,2 vs. 4,9%; p=1,0). Zusammenfassend ist anhand der eigenen Ergebnisse in Übereinstimmung mit den Daten aus der Literatur festzustellen, dass die Genese des akuten Thoraxschmerzes mit Troponinerhöhung bei Patienten ohne angiographischen Nachweis einer signifikanten Koronarstenose in den meisten Fällen unklar bleibt. Es konnte nachgewiesen werden, dass man anhand der Schwere des Angina-pectoris-Anfalles und der Höhe des Troponinwertes nicht automatisch auf das Vorliegen eines Myokardinfarktes schließen kann. Der Nachweis der klassischen kardiovaskulären Risikofaktoren Diabetes mellitus, arterielle Hypertonie und Hyperlipidämie machen einen Myokardinfarkt wahrscheinlicher, schließen aber eine andere Genese nicht aus. Patienten mit durchgemachtem NSTEMI haben ein vergleichsweise höheres Risiko für das Auftreten eines Myokard-Reinfarktes und für Rehospitalisierungen aus kardialer Ursache. Der erhöhte Nachweis des C-reaktiven Proteins in der "ACSOS"-Gruppe lässt inflammatorische Prozesse vermuten. Besonders hervorzuheben ist in den eigenen Ergebnissen der deutlich erhöhte Anteil von Patienten mit Vorhofflimmern in der "ACSOS"-Gruppe. In einer zusammenfassenden Bewertung konnte diese Arbeit nachweisen, dass die im Klinikalltag verfügbaren nichtinvasiven Diagnostika keine sichere Unterscheidung zwischen einem NSTEMI und einem ACS ohne Nachweis von signifikanten Koronarstenosen ermöglichen. Es ist somit abschließend zu betonen, dass die Durchführung einer Koronarangiographie im Rahmen der Akutdiagnostik des akuten Koronarsyndroms weiterhin unverzichtbar ist.
DOI:10.17192/z2012.0965