Beeinflusst hochfrequente repetitive transkranielle Magnetstimulation des Motorkortex experimentell induzierte Schmerzen und die spinale Nozizeption?
Die repetitive transkranielle Magnetstimulation (rTMS) ist ein Verfahren, das zur Untersuchung vieler neurologischer und psychiatrischer Erkrankungen, unter anderem auch zur Untersuchung und Behandlung von akuten und chronischen Schmerzzuständen, verwendet werden kann. Bislang wurden vor allem ch...
Gespeichert in:
1. Verfasser: | |
---|---|
Beteiligte: | |
Format: | Dissertation |
Sprache: | Deutsch |
Veröffentlicht: |
Philipps-Universität Marburg
2011
|
Schlagworte: | |
Online-Zugang: | PDF-Volltext |
Tags: |
Tag hinzufügen
Keine Tags, Fügen Sie den ersten Tag hinzu!
|
Zusammenfassung: | Die repetitive transkranielle Magnetstimulation (rTMS) ist ein Verfahren, das zur
Untersuchung vieler neurologischer und psychiatrischer Erkrankungen, unter
anderem auch zur Untersuchung und Behandlung von akuten und chronischen
Schmerzzuständen, verwendet werden kann. Bislang wurden vor allem chronische
Schmerzen untersucht. Dabei konnten einige Untersucher einen schmerzlindernden
Effekt der rTMS des Motorkortex zeigen, der mit dem Effekt der
elektrischen Kortexstimulation verglichen wurde.
Ziel der vorliegenden placebokontrollierten, randomisierten und einfach verblindeten
Studie im Crossover-Design war es, die Effekte einer 20minütigen
hochfrequenten rTMS des Motorkortex auf die Verarbeitung akuter Aδ-Faser-
Schmerzen zu untersuchen. Es wurden 12 junge, gesunde Probanden untersucht.
Dabei wurde ein Stimulationsschema verwendet, das bereits zur Therapie
chronischer Schmerzen angewendet wurde. Zwanzig Reizserien von
5sekündiger Dauer und einem Interstimulusintervall von 55 Sekunden wurden
bei einer Frequenz von 10Hz und einer Intensität von 80% der Ruhemotorschwelle
über dem dominanten Motorkortex appliziert und mit einer ShamrTMS-
Sitzung verglichen. Die evozierten Schmerzen wurden durch überschwellige
elektrische Reizung (1.3 x NFR-Schwelle) des Nervus suralis erzeugt. Die
subjektive Schmerzbewertung erfolgte durch die Bestimmung der Schmerzschwelle
und anhand zweier visueller Analogskalen (VAS), im Hinblick auf die
Schmerzintensität und die Schmerzaversivität. Zusätzlich untersuchten wir die
Wirkung der rTMS auf den nozizeptiven Flexorreflex (NFR) als objektive Komponente
der Schmerzbewertung und als Indikator für die spinale Nozizeption.
Jeder Proband nahm an zwei Versuchstagen in einem Abstand von mindestens
2 Wochen teil. Es erfolgte einmal die Verum rTMS-Stimulation und einmal die
Sham-Stimulation. Die Reihenfolge der Untersuchungen war balanziert randomisiert.
Die Schmerz- und Reflexschwelle, die NFR-Antwort und die Bewertungen
der VAS nach Intensität und Aversivität des Schmerzes bei überschwelliger
Reizung des Nervus suralis wurden vor und nach der 20minütigen
Verum/Sham-Stimulation verglichen.
Dabei stieg die Schmerzaversivität nach der Verum rTMS im Vergleich zur
Sham rTMS signifikant an (F(1/10)= 6,91; P= 0,025). Keinen signifikanten Effekt hatte die Stimulation auf die Schmerzintensität sowie auf die Schmerzschwelle.
Die Reflexschwelle des NFR und die NFR-Antwort blieben ebenfalls unbeeinflusst.
Unsere Studie zeigt, dass der Einfluss von repetitiver transkranieller Magnetstimulation
auf elektrisch evozierte Schmerzen gering ist und zu einer Verstärkung
der Aversivität des Schmerzes führt. Eine signifikante Wirkung auf den
NFR konnte nicht nachgewiesen werden. Wir vermuten daher, dass durch die
rTMS keine Schmerzmodulation auf spinaler Ebene erfolgt. Aus unseren Untersuchungen
schließen wir weiterhin, dass das Stimulationsschema zur Therapie
chronischer Schmerzen nicht zur Linderung von akutem Aδ-Faser-
Schmerz geeignet ist. Wir vermuten, dass akute Schmerzen in anderen zerebralen
Arealen verarbeitet und über andere leitende Bahnen geführt werden
als chronische Schmerzen. Darüber hinaus führen chronische Schmerzen zu
dauerhaften Veränderungen der Neuroplastizität einiger kortikaler oder tiefer
gelegener Strukturen, die dann durch die repetitive Magnetstimulation beeinflusst
werden könnten. Dies könnte die Ursache der analgetischen Wirkung der
rTMS bei chronischen Schmerzen sein.
Für die leichte Erhöhung der Schmerzwahrnehmung durch die rTMS in dieser
Studie könnten am ehesten Veränderungen im lateralen schmerzleitenden System
verantwortlich sein.
Dass die bislang zu akutem Schmerz und der Wirkung von rTMS durchgeführten
Untersuchungen heterogene Ergebnisse erzielten, ließe sich unter anderem
durch unterschiedliche Stimulationsschemata und unterschiedliche Methoden
zur Schmerzinduktion und der dadurch involvierten leitenden Nervenfasern erklären.
Unterschiede in der kortikalen Repräsentation von Aδ- und C-Faser
vermitteltem Schmerz könnten ebenfalls eine Ursache für die unterschiedlichen
Untersuchungsergebnisse sein.
Nach wie vor sind die Mechanismen, die zur Modulation von Schmerzen durch
die rTMS führen, nicht hinreichend geklärt. Daher sind weitere Untersuchungen
nötig, eventuell auch mit begleitenden bildgebenden Methoden, um den Einfluss
der Magnetstimulation auf die Schmerzmodulation genauer zu verstehen. |
---|---|
DOI: | 10.17192/z2011.0772 |