Interleukin 2: Implikationen für Angst und Depression? Ein tierexperimenteller Ansatz

Seit Jahren sind Interaktionen zwischen zentralem Nervensystem und Immunsystem bekannt, welche sich auf Motivation, Emotionen und Verhalten auswirken können. Es wird angenommen, dass Zytokine, Botenstoffe des Immunsystems, motiviertes Verhalten beeinflussen und auf diesem Wege an psychischen Erkrank...

Ausführliche Beschreibung

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Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Karrenbauer, Britta Daniela
Beteiligte: Pawlak, Cornelius (Prof. Dr.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2011
Schlagworte:
Online Zugang:PDF-Volltext
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Beschreibung
Zusammenfassung:Seit Jahren sind Interaktionen zwischen zentralem Nervensystem und Immunsystem bekannt, welche sich auf Motivation, Emotionen und Verhalten auswirken können. Es wird angenommen, dass Zytokine, Botenstoffe des Immunsystems, motiviertes Verhalten beeinflussen und auf diesem Wege an psychischen Erkrankungen wie Angst und Depression beteiligt sein können. In vorherigen Studien konnte gezeigt werden, dass angstähnliches Verhalten im erhöhten Plus-Labyrinth (elevated plus maze; EPM) bei Ratten mit der Zytokinexpression in verschiedenen Arealen im Gehirn korreliert war - und dass diese Korrelationen zytokin- (Interleukin-2 mRNA) und arealspezifisch (Striatum, frontaler Kortex) waren (Pawlak et al., 2003; Pawlak et al., 2005). Striatal injiziertes Interleukin-2 (IL-2; 1; 10; 25 ng) wirkte sich im Trend biphasisch auf angstähnliches Verhalten im EPM (Pawlak & Schwarting, 2006a). In der ersten vorliegenden Studie (Artikel 1) wurden die Auswirkungen von striatal injiziertem IL-2 (0; 0,1 and 1 ng) auf angstähnliches Verhalten im Offenfeld (OF) untersucht. Die 45minütigen Testungen erfolgten an zwei aufeinanderfolgenden Tagen, während nur vor der ersten Testung IL-2 appliziert wurde. Bei der akuten Testung zeigte sich für die geringste Dosierung (0,1 ng) IL-2 ein nicht signifikanter Anstieg im angstähnlichen Verhalten. Am zweiten Testtag ließ sich für diese Gruppe (0,1 ng) ein signifikant erhöhtes angstähnliches Verhalten gegenüber der höheren Dosis und der Kontrollgruppe beobachten. In einem zweiten Experiment wurde überprüft, ob diese verzögerten Effekte aufgrund eines zeitverzögerten (proaktiven) Wirkungsmechanismus zustande gekommen waren. In diesem Zusammenhang wurden Ratten 24 und 48 Stunden nach der striatalen Injektion von verschiedenen Dosierungen Interleukin-2 (0; 0,01 und 0,1 ng) im OF getestet. An beiden Testungen zeigten sich keine Unterschiede zwischen den Gruppen. Aus diesen Ergebnissen kann geschlussfolgert werden, dass einmalig striatal injiziertes IL-2 (in den verwendeten Dosierungen) emotionsähnliches Verhalten für maximal 24 Stunden beeinflussen kann, und dass eventuell diese Effekte nur in Zusammenhang mit bestimmten Umgebungsreizen (z.B. Offenfeld) zustande kommen, da hier ein proaktiver Wirkungsmechanismus ausgeschlossen werden konnte. Es wird angenommen, dass IL-2 neben den Auswirkungen auf das Verhalten auch neurochemische (z.B. serotonerge oder dopaminerge) Prozesse im Gehirn beeinflusst, die mit Depression und Angst in Verbindung gebracht werden. In Artikel 2 wurden die Auswirkungen von peripher injiziertem IL-2 (2,5 μg/kg) auf die serotonerge (5-HT, 5-Hydroyxtryptophan) und dopaminerge (DA) Neurotransmission in verschiedenen Kortexarealen (präfontal, okzipital, temporal) mittels Mikrodialyse an anästhesierten Ratten untersucht (Exp. 1). Des Weiteren wurde in zwei weiteren Experimenten die Wirkung von IL-2 (0; 1; 2,5; 5 μg/kg, intraperitoneal; i.p.) auf depressivähnliches Verhalten im Forced Swim Test (FST) untersucht. Basierend auf dem in Experiment 1 beobachtetem serotonergen Wirkungsprofil wurden die Tiere in Exp. 2a direkt 5 Minuten (akut) und in Exp. 2b zwei Stunden nach der Injektion (zeitverzögert) getestet. Aufgrund der Vorstudien und des Zusammenhangs zwischen Serotonin und Angst wurde in einem weiteren Experiment (Exp. 3) der potentielle zeitverzögerte Einfluss (zwei Stunden Postinjektion) von IL-2 (0; 1; 2,5; 5 μg/kg, i.p.) auf angstähnliches Verhalten im EPM getestet. In der Mikrodialysestudie zeigte sich, dass systemisch injiziertes IL-2 extrazelluläres Serotonin im präfrontalen (-75%), okzipitalen (-70%) und temporalen (-45%) Kortex reduzierte. Die ersten Effekte zeigten sich 40 Minuten nach der Injektion, erreichten nach ca. 120 Minuten ihr Maximum und blieben über die restliche Testdauer von drei Stunden stabil. Im Gegensatz dazu zeigte sich nur eine allgemeine moderate Reduktion von Dopamin im präfrontalen Kortex, jedoch nicht für bestimmte Zeitpunkte. Diese neurochemischen Effekte werden durch die Ergebnisse der Verhaltensexperimente ergänzt. IL-2 führte bei einer um zwei Stunden verzögerten Testung im FST zu dosisabhängigen Effekten auf depressivähnliches Verhalten mit einem signifikanten Anstieg des Immobilitätsverhaltens in der Gruppe, die mit der niedrigsten Dosierung (1 μg/kg) behandelt wurde. Bei der akuten Testung ließen sich keine Effekte beobachten. Obwohl das EPM einer der am meisten verbreitetesten Tests zur Messung angstähnlichen Verhaltens ist (Artikel 3) und Studien auf eine serotonerge Beteiligung hinweisen, konnten keine zeitverzögerten Effekte von IL-2 auf angstähnliches Verhalten beobachtet werden. Diese Daten verdeutlichen die Potenz von IL-2, neurochemische Prozesse, depressivähnliches und bedingt angstähnliches Verhalten zu beeinflussen, und belegen gleichzeitig, dass dieser Einfluss einem zeitlichen Verlauf folgt, welches möglicherweise auf einen serotonergen Wirkmechanismus hinweist, da die Effekte im gleichen Wirkungszeitfenster auftraten.
DOI:10.17192/z2011.0479