Das Aufklärungsgespräch vor Strahlentherapie - eine qualitative und quantitative Analyse der Arzt-Patienten-Interaktion mit Hilfe des Roter Interaction Analysis System (RIAS)
Es handelt sich um eine Kohortenstudie mit Krebspatienten, die zum strahlentherapeutischen Aufklärungsgespräch das Universitätsklinikum Marburg besuchten. Die Datenerhebung erfolgte durch das Abhören und Kodieren von Aufklärungsgesprächen, die auf Tonbandkassetten aufgenommen worden waren. Hierbei w...
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Format: | Doctoral Thesis |
Language: | German |
Published: |
Philipps-Universität Marburg
2008
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Subjects: | |
Online Access: | PDF Full Text |
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Summary: | Es handelt sich um eine Kohortenstudie mit Krebspatienten, die zum strahlentherapeutischen Aufklärungsgespräch das Universitätsklinikum Marburg besuchten. Die Datenerhebung erfolgte durch das Abhören und Kodieren von Aufklärungsgesprächen, die auf Tonbandkassetten aufgenommen worden waren. Hierbei wurde das modifizierte Roter Interaction Analysis System (RIAS) verwendet. Auf diese Weise erfolgte neben einer qualitativen Analyse (Bewertung der Gesamtstimmung) und einer quantitativen Analyse (Kodierungshäufigkeit von einzelnen Variablen) die Dokumentation der äußeren Umstände. Von den insgesamt 63 zur Verfügung stehenden Tonbandaufnahmen erfüllten 57 die Einschlusskriterien und wurden in die Studie aufgenommen. Die Aufklärungsgespräche wurden von drei Fachärzten für Strahlentherapie geführt, deren Patientengruppen sich in den demographischen Basisdaten wie Alter, Geschlecht und Familienstand ebenso wie in den klinischen Kriterien Diagnose und Therapieziel nicht wesentlich unterschieden. Die Untersuchung der Arzt-Patienten-Interaktionen unter Verwendung des RIAS ergab in zahlreichen Kategorien sowohl der inhaltlichen Kodierung (quantitative Analyse) als auch der Kodierung der Gesamtstimmung (qualitative Analyse) signifikante Unterschiede im Gesprächsverhalten sowohl der drei Ärzte als auch der jeweiligen Patientengruppe. Obwohl es sich in der Studie um Aufklärungsgespräche für eine einzige Therapieform, nämlich die Strahlentherapie, handelte und sich die drei Patientengruppen nicht signifikant in ihren Charakteristiken unterschieden, dennoch die Gesprächsinhalte signifikant in Abhängigkeit vom aufklärenden Arzt differierten. Demnach erfolgt ein medizinisches Aufklärungsgespräch nur bis zu einem gewissen Grad in standardisierter Form und hängt wesentlich von persönlichen Merkmalen der aufklärenden Person ab. Gesprächsinhalte wie das Ausdrücken von Zustimmung oder die positive Charakterisierung Dritter sowie das Ansprechen emotionaler Aspekte führten dazu, dass sich der Patient häufiger verbal äußerte und stärker in das Gespräch einbrachte. Auch das Vermeiden von Äußerungen des Arztes, die Einfluss auf den Patienten hinsichtlich der Änderung von Verhaltensweisen oder Alltagsabläufen haben könnten, führte zu einer stärkeren Partizipation des Patienten am Aufklärungsdialog.Demgegenüber zeigte sich Verunsicherung der Patienten und daraus folgend nur geringe Beteiligung am Gespräch, wenn die Vermittlung medizinischen Wissens (Aussagen zu Untersuchungsergebnissen, Medikamenten, Therapien, Nebenwirkungen, zur Diagnose und zum organisatorischen Ablauf der kommenden Zeit) im Vordergrund stand. Ähnliche Effekte zeigten sich, wenn die Entscheidung und damit die Verantwortung für die Therapie dem Patienten zugewiesen wurden.Weiterhin konnte belegt werden, dass eine Beeinflussung der Gesprächspartner auf verschiedenen Gesprächsebenen stattfand. Sprach der Patient emotionale Themen an, zeigte Verunsicherung, Ängste oder negative Gefühle, antwortete der Arzt darauf mit empathischen Aussagen oder auch näheren fachlichen Erläuterungen. Sprach ein Gesprächspartner medizinisch-fachliche Gesprächsinhalte, beziehungsweise nicht-medizinische, alltägliche Themenbereiche an, wurden diese überzufällig häufig innerhalb der entsprechenden Kodierungskategorien beantwortet.Die Ergebnisse dieser Studie zeigen weiterhin ein geschlechtsspezifisches Gesprächsverhalten. Frauen verbalisierten signifikant häufiger Ängste und Sorgen und stellten mehr Fragen zu Nebenwirkungen der Strahlentherapie, zu medizinischen Sachverhalten und zu organisatorischen Abläufen. Männer versuchten dagegen häufiger, die Verantwortung für Therapieentscheidungen oder organisatorische Abläufe auf den Arzt zu übertragen. Die Einbeziehung der Patienten in die Entscheidung über die Therapie und den Therapieablauf unter Berücksichtigung ihrer kognitiven und psychoemotionalen Situation in den Aufklärungsgesprächen wird häufig vernachlässigt oder ineffektiv durchgeführt. 88% der in die Studie involvierten Patienten wurden nicht nach ihrer Meinung zur Therapie gefragt, mit weiteren 46% der Patienten wurde nicht über Therapiealternativen gesprochen. Wurden die Patienten zu einer Entscheidung bezüglich des weiteren Therapieverlaufes aufgefordert, konnte bei einem Großteil der untersuchten Patienten deutliche Anzeichen von Überforderung beobachtet werden. Zusammenfassend ist als Ergebnis dieser Studie festzustellen, dass eine effiziente und umfassende Schulung und Fortbildung von Ärzten, Medizinstudenten und medizinischem Personal auf dem Gebiet der Gesprächsführung eine wichtige Aufgabe darstellt, um dem Patienten durch adäquate Kommunikation eine verantwortliche Beteiligung am Therapiegeschehen zu ermöglichen und damit einen wesentlichen Beitrag zum Therapieerfolg zu leisten. |
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Physical Description: | 81 Pages |
DOI: | 10.17192/z2009.0015 |