S100b und NSE bei Migränepatienten - Eine Studie über die Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke im Migräneanfall
Die Migräne gehört neben den Spannungskopfschmerzen zu den häufigsten primären Kopfschmerzursachen (Diener, 2006). Dennoch sind die genauen Ursachen dieser Erkrankung bislang nicht bekannt (Soyka, 1999). Im Laufe der Jahre wurden verschiedene Theorien zur Migräneentstehung entwickelt. So geht ma...
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Beteiligte: | |
Format: | Dissertation |
Sprache: | Deutsch |
Veröffentlicht: |
Philipps-Universität Marburg
2008
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Schlagworte: | |
Online-Zugang: | PDF-Volltext |
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Zusammenfassung: | Die Migräne gehört neben den Spannungskopfschmerzen zu den häufigsten
primären Kopfschmerzursachen (Diener, 2006). Dennoch sind die genauen
Ursachen dieser Erkrankung bislang nicht bekannt (Soyka, 1999). Im Laufe der
Jahre wurden verschiedene Theorien zur Migräneentstehung entwickelt. So
geht man heute davon aus, dass die Migräneaura des Menschen durch die
Cortikal Spreading Depression hervorgerufen wird (Leão, 1944; Goadsby et al.,
2002; Diener, 2006), wohingegen die Kopfschmerzen durch einen zweiten
Mechanismus - vermutlich über eine neurovaskuläre Entzündung - ausgelöst
werden (Moskowitz, 1990; Goadsby et al., 2002; Diener, 2006). Neue Studien,
nach denen es bei Ratten nach einer künstlich erzeugten Cortical Spreading
Depression (CSD) zu einer Plasmaextravasation und Ödembildung kommt,
lassen zwischen beiden Vorgängen einen ursächlichen Zusammenhang
vermuten (Gursoy-Ozdemir et al., 2004; Imamura et al., 2007; Leira et al.,
2007). Im Rahmen der bei Ratten in Folge der CSD ausgelösten Entzündung
konnte ein Zusammenbruch der Blut-Hirn-Schranke (BHS) nachgewiesen
werden (Gursoy-Ozdemir et al., 2004). Dass dies auch im Migräneanfall der
Fall ist, wurde bereits 1977 von Harper und seinen Kollegen vermutet. Sie
stützten ihre These auf Parallelen zwischen an der Migräneentstehung
beteiligten Mediatoren und Mediatoren, die einen Einfluss auf die BHS ausüben
(Harper et al., 1977). Weitere neuere Studien scheinen diesen Zusammenhang
zu bestätigen (u. a. Grant et al., 1998; Goadsby, 1997; Imamura et al., 2007;
Leira et al., 2007). Auch existieren einige Fallbeschreibungen, die von CT- und
MRT-Auffälligkeiten im Migräneanfall oder kurz danach berichten, die sich
später nicht mehr nachweisen ließen (Alvarez-Cermeno et al., 1984 und 1986;
Jain und Ahuja, 1986; Müller et al., 1987; Smith et al., 2002; Teepker et al.,
2002).
Ziel dieser Arbeit ist es, einen weiteren Beleg für die Öffnung der BHS im
Migräneanfall zu finden. Hierzu werden zwei biochemische Marker
herangezogen: die Neuronenspezifische Enolase (NSE) und das Protein S100b.
Es wurden bei 21 Migränepatienten im Migräneanfall sowie im
beschwerdefreien Intervall (mindestens 48 h nach dem Kopfschmerzereignis)
Serumproben entnommen, in denen NSE und S100b bestimmt wurden. Selbige
wurden mit Proben gesunder Vergleichspersonen verglichen. Für die
Auswertung der Messergebnisse wurden der Wilcoxon-Vorzeichentest sowie
der Mann-Whithney U Test herangezogen.
Hierbei konnten bei Migränepatienten sowohl im Anfall als auch im
beschwerdefreien Intervall signifikant höhere S100b-Spiegel nachgewiesen
werden. Dabei liegen die S100b-Spiegel im beschwerdefreien Intervall
signifikant über denen im Migräneanfall. Die NSE-Spiegel wiederum liegen bei
den Migränepatienten signifikant unter denen der gesunden Vergleichspersonen,
wobei sich keine signifikanten Unterschiede zwischen Migräneanfall und
beschwerdefreiem Intervall nachwiesen lassen. Ein neuronaler Zellschaden im
Migräneanfall lässt sich somit ausschließen (Kapural et al., 2002; Kanner et al.,2003).
Die Untersuchungsergebnisse für S100b lassen sich auf unterschiedliche Weise
interpretieren. So handelt es sich bei den Messungen um Momentaufnahme, die
unterschiedlichen Spiegelverläufen entsprechen können. Bei S100b sind
insgesamt drei Spiegelverläufe denkbar:
1. Bei Migränepatienten generell erhöhte Spiegel, die im Migräneanfall z. B.
durch Verbrauch oder verminderte Produktion absinken.
2. Bei Migränepatienten generell erhöhte Spiegel, die erst nach dem Anfall im
Serum ansteigen (und somit mit der Messung im beschwerdefreien Intervall
erfasst werden).
3. Bei Migränepatienten generell nicht erhöhte Serumspiegel, die im
Migräneanfall ansteigen, diesen aber um einen längeren als den für die zweite
Messung gewählten Zeitraum überdauern.
Je nach Spiegelverlauf lassen sich unterschiedliche Hypothesen generieren:
Folgt man den Veröffentlichungen von Kanner, Kapural sowie Marchi und
ihren Kollegen, so ist eine Erhöhung des S100b-Spiegels im Serum bei
gleichzeitig unverändertem oder auch erniedrigtem NSE-Spiegel als Marker für
eine defekte BHS anzusehen (Kapural et al., 2002; Kanner et al., 2003; Marchi
et al., 2003, 2004 und 2007). Diese wiederum könnte - beachtet man die
möglichen Spiegelverläufe - dauerhaft oder auch vorübergehend auftreten. In
Zusammenschau mit den zur Migräne bisher existierenden Studien scheint eine
vorübergehende Öffnung der BHS im Migräneanfall, die diesen um einen
unbestimmten Zeitraum überdauert, am wahrscheinlichsten. |
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Umfang: | 149 Seiten |
DOI: | 10.17192/z2008.0994 |