Protokoll der 68. Abendaussprache


Quelle: Berlin, Landesarchiv: Rep. 140, Acc. 4573: Schulfarm Insel Scharfenberg: Chronik der Schulfarm Insel Scharfenberg, Bd. V, S. 341-343

[Datum: So, 30.05.1926 - Protokollant: Hans Samter]


Blume eröffnet die Abendaussprache, die zwischen 2 Ferien liegt, mit einem Leitspruch aus Herders Schulreden: Über die Übungen in der Modernen Schule [Anm. 1], worin dieser sich als Schulreformer bekennt, entschiedener als alle "entschiedenen Schulreformer". Dem folgt, von den Gebrüdern Richter gespielt, ein Präludium und eine Fuge in c-Moll von Bach in feiner Beziehung zu einem der Hauptpunkte des Abends: "Musikpflege in Scharfenberg".

Zur Einführung für die Neuen unter Schülern und Lehrern, die zum ersten Male einer Abendaussprache beiwohnen, berichtet der langjährige ehemalige Schüler und Ausschuß Walter Schramm über frühere Abendaussprachen. Die Abendaussprache, führte er aus, sei nicht eine Abendveranstaltung wie alle anderen. Von dieser Versammlung, wo die ganze Gemeinschaft zusammenkommt, um Beschlüsse zu fassen, gibt es keine Dispensation. Früher war sie nur ein Sprachrohr für alle, aber das war nicht der eigentliche Zweck. Die Hauptsache sei, daß Alle lernten, selbst zu bestimmen, und diese Beschlüsse zu halten. Es soll aber nicht alles in Paragraphen und Bestimmungen festgelegt werden, das ungeschriebene Gesetz, die Tradition sei das, woraus alles hervorgehen müsse. Das Prinzipielle, das Große fände sich nicht mehr so viel, denn in über 60 Abendaussprachen wurde schon viel erledigt. Darum sind jetzt auch viel weniger, worin dann Alle gleichberechtigt sind, so wird das Amt des Vorsitzenden der Abendaussprache, das bis jetzt fest bei Blume lag, unter den Ausschußmitgliedern wechseln.

Der vierte Punkt, Sportfragen, hat verschiedene Teile. Zuerst referiert Franke über die neue Einteilung der Sportpause. Der Vormaizustand kann nicht so weitergehen. Jede Gruppe müsse einen festen Gruppenführer haben, der mit ihr an die einzelnen Stellen mitgeht. Es käme dabei nicht so sehr auf große Leistungen in einem Fache an, als daß der Körper in allem geschult würde. Sorge erklärt sich sehr dafür und schlägt vor, daß die Gruppenführer öfters nachmittags unter seiner Leitung zusammentreten und Grundübungen für alle Gebiete machen sollten, was Franke gern annimmt, da er, wie er sagt, sich sowieso Herrn Sorge als den Oberleiter des Ganzen vorgestellt habe. Nachdem Frankes Antrag mit 22:1 Stimmen

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angenommen wurde, bittet Jenke, ihn vom Amte des Mahlzeitenchefs zu befreien, da sich das mit der Gruppenführerschaft schlecht vereinigen ließe, und Jandt, keinem Gruppenführer mehr Tischdienst zu geben. Bei der Frage, ob ein neuer Mahlzeitenchef gewählt werden solle, nachdem beides gewährt ist, oder ob einer aus dem Tischdienst dies Amt erfüllen solle, der auf 7 Schüler erhöht wird, ein Führer sein solle, wird das Letztere mit 16:13 Stimmen angenommen. Noch einmal wird abgestimmt bei der Frage, wer den Mahlzeitenchef aus dem Tischdienst aussuchen solle, der Antrag Kaczmarek, dies den Tischdienst selbst bestimmen zu lassen, wird abgelehnt und der Ausschuß damit beauftragt. Gruppenführer sind: Jandt, Noeggerath, Jenke, Pewesin, Kroll, Franke.

Blume teilt mit, daß er vor 1/4 Jahr und 2 Monaten einen Antrag auf Gewährung von Spielgeräten eingereicht habe, die Antwort sei jetzt gekommen, wir könnten bis 8 Torstangen, 8 Staffelstöcke, 8 Schlaghölzer, 4 Meßlatten, 2 Faustlatten, 8 Schlagbälle, 2 Fußbälle mit Blase, 2 Faustbälle, 12 Tennisbälle, 4 Schleuderbälle, 2 Ledervollbälle, 6 Gummivollbälle, Ballnetze, Luftpumpe, Lederfett, Schnürriemen erhalten.

Die Auswahl wird einer Kommission übertragen, die die beim letzten Sportfest fungierenden Schiedsrichter umfaßt.

Für das Baden sollen Regeln aufgestellt werden, da sonst im Falle eines Unglücksfalls der Leiter wegen fahrlässiger Tötung bestraft würde. Bis jetzt war es so, daß der Chronide und 2 Wapo, das sind gute und kräftige Schwimmer, das Baden überwachten. Ein Kahn und ein Rettungsring waren an der Badestelle vorhanden. Über die Wapo durfte keiner hinausschwimmen. Das Schwimmrecht hatte nur der, der an der Fähre hin und zurück geschwommen war, worauf Sorge und Ziegelmayer erklären, das sei zu wenig. Herr Sorge stellt als Ideal auf, daß jeder schwimmen lerne, die Älteren sogar Rettungsschwimmen. 20 müssen noch schwimmen lernen, dazu sollen von der Stadt Korken und Leinen beantragt werden. Blume schlägt vor, außer dem Fährschwimmen, wo man sich die Erlaubnis zum Herausschwimmen erwirbt, noch ein Freischwimmen einzurichten, wobei man sich das Freischwimm-

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zeugnis erwerben könne, und verspricht, sich in Berlin danach zu erkundigen.

Wapo zu sein sind bereit: Jenke, Jandt, Opalka, Astheimer, v. Molo, Pewesin, Faas, Franke, Heimhold.

Da aber jetzt 80 Badende sind, so genügt der Ansicht vieler nach das Alles noch nicht, ein Unglück zu verhüten und eine Teilung wird vorgeschlagen, die sich nach dem Unterricht, nach Schwimmern und Nichtschwimmern oder nach Bedarf ergeben kann. Das Erlaubnisfreischwimmen wird auf Freitag, den 5.VI.1926 festgesetzt.

Punkte 5 und 6, die eigentlich der Mittelpunkt des Abends sein sollten, "Musikpflege in Scharfenberg einst, jetzt und in der Zukunft" und "Unser Sommerfest" werden der vorgeschrittenen Zeit halber auf eine neue Abendaussprache am Mittwoch, den 3.VI., vertagt. Ebenso geht es mit Punkt 7 und 8, "Ferienrückblicke" und "Grüße".

Punkt 9, Anfragen und Anregungen, eröffnet Teutenberg mit der Anfrage, warum vor den Pfingstferien das Kriegsspiel abgelehnt worden sei. Rother antwortet ihm, daß es verboten wurde, weil es mit Niederwerfen verbunden sein sollte, was zu einer Prügelei geführt hätte, aber Sorge entgegnet, Kriegsspiel sei Kampf mit Geist, nicht Hauerei. Noch ein Fachmann auf diesem Gebiete, Heimhold, gibt zu, daß Kriegsspiel Hauerei sei, aber organisierte, worauf Teutenberg antwortet: "Dann war das kein Kriegsspiel." Aber Blume sagt, es sei doch ein Kriegsspiel gewesen, und er habe sich gefreut, als der Ausschuß es ablehnte. Denn Frl. Rotten und sicher auch Mlle. Hickel würden es als unscharfenbergerisch abgelehnt haben, da grade Krieg gespielt wurde [Anm. 2]. Ein Zettel der Landwirtschaft wird verlesen, daß Harras nicht von der Kette loszumachen ist, Reiten verboten sei und Versteck nicht in Scheune und Stall gespielt werden darf.

Zum Abschluß spielen Gebrüder Richter [Anm. 3] und Erwin Kroll ein Trio in G-Dur. Herr Blume erinnert an das erste Scharfenberger Trio, das ihn angenehm berührt habe, da es eine nette Musik sei; gleichzeitig mahnt er an das von Walter Schramm erwähnte Gesetz, keiner darf an der Abendaussprache fehlen, da zwei Mitglieder bis zu einer Stunde zuspät kamen, und beschließt die Abendaussprache mit dem kräftigen "Gute Nacht"-Gruß.

Schluß um 9 3/4 Uhr.


Anmerkungen::

Anm. 1:
HERDER, Johann Gottfried, Schulreden, hrsg. von Albert REBLE, Bad Heilbrunn 1962.

Anm. 2:
Vgl. zum Thema 'Kriegsspiel': Protokoll der 17. Abendaussprache vom 13.10.1922.

Anm. 3:
Wilhelm Richter und ... Richter.



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