Klafki, Wolfgang: Die gegenwärtigen Kontroversen in der deutschen Erziehungswissenschaft über das Verhältnis der Geisteswissenschaftlichen Pädagogik zum Nationalsozialismus. Marburg 1998:
http://archiv.ub.uni-marburg.de/sonst/1998/0003/k10.html
- 1993 sprachlich geringfügig korrigiertes und bei einzelnen Beiträgen um einige Anmerkungen ergänztes Typoskript der 1991 erstellten Textfassung, bisher veröffentlicht als: Klafki, Wolfgang: Die gegenwärtigen Kontroversen in der deutschen Erziehungswissenschaft über das Verhältnis der Geisteswissenschaftlichen Pädagogik zum Nationalsozialismus (=Pedagogiska Rapporter, 9), Vasa [Finnland] 1996 sowie in japanischer Übersetzung als: Klafki, Wolfgang: Die gegenwärtigen Kontroversen in der deutschen Erziehungswissenschaft über das Verhältnis der Geisteswissenschaftlichen Pädagogik zum Nationalsozialismus. In: Klafki, Wolfgang: Erziehung - Humanität - Demokratie. Erziehungswissenschaft und Schule an der Wende zum 21. Jahrhundert. Neun Vorträge. Eingel. und hrsg. von Michio Ogasawara. Tokyo 1992. S. 157-178.
Wolfgang Klafki
Die gegenwärtigen Kontroversen in der deutschen Erziehungswissenschaft über das Verhältnis der Geisteswissenschaftlichen Pädagogik zum Nationalsozialismus
1. Einführung
Ungefähr seit 1985 gibt es innerhalb der Erziehungswissenschaft der Bundesrepublik eine
immer lebhafter und schärfer werdende Diskussion über das Verhältnis der
Geisteswissenschaftlichen Pädagogik zum Nationalsozialismus. Sie wird in
Sammelbänden, in namhaften Zeitschriften - so u. a. in der Zeitschrift für
Pädagogik - und auf Tagungen ausgefochten; auch auf dem Kongreß der Deutschen
Gesellschaft für Erziehungswissenschaft im März 1990 in Bielefeld gab es ein
großes öffentliches Forum und zwei Symposien bzw. Arbeitsgruppen zu diesem Thema . [1]
In manchen Beiträgen, auch auf dem eben erwähnten Bielefelder Kongreß und in
der Literatur, wurde und wird die Erörterung über die Geisteswissenschaftliche
Pädagogik hinaus ausgeweitet, z. B. auch auf Peter Petersen, [2] einen der seit den 20er Jahren auch international bekannten deutschen
Reformpädagogen, oder auf Theodor Wilhelm, seit 1959 Professor für
Erziehungswissenschaft an der Universität Kiel, und seine höchst problematische
publizistische Tätigkeit in der nationalsozialistischen Zeit. [3] Aber auf solche und weitere, zweifellos wichtige Zusammenhänge
kann ich in diesem Beitrag nicht eingehen. Ich beschränke mich hier ausschließlich auf
die im Titel meines Vortrages genannte Frage.
Dazu aber sagen einige der Diskutanden heute: Erstens haben die älteren Vertreter der
Geisteswissenschaftlichen Pädagogik, die nach 1945 in der Bundesrepublik wieder ihre Arbeit
fortsetzten, also Eduard Spranger, Herman Nohl, Theodor Litt, Erich Weniger, Wilhelm Flitner (um
nur die bekanntesten Repräsentanten zu nennen), es versäumt, ihre eigene
Vergangenheit, ihr Verhältnis zum Nationalsozialismus vor und nach 1933 gründlich,
offen und selbstkritisch aufzuarbeiten. Zweitens müsse man aber auch den Angehörigen
der jüngeren Generation westdeutscher Pädagogen, die erst nach 1945
Erziehungswissenschaft studierten und dann in dieser Disziplin als Forscher und Hochschullehrer
tätig wurden, den entsprechenden Vorwurf machen: Sie hätten es versäumt, sich
mit den Einstellungen, die ihre akademischen Lehrer und Vorläufer zum Nationalsozialismus
eingenommen hatten, gründlich auseinanderzusetzen; sie hätten dieses peinliche Thema
offensichtlich verdrängt. Ob man hier von "Verdrängung" sprechen kann, möchte
ich in Frage stellen. Aber der Vorwurf des Versäumnisses trifft z. T. zu. Ich bejahe auch das
Motiv, das die scharfen Kritiker m. E. dazu bewegt, so hartnäckig auf einer an die Wurzeln
gehenden Aufklärung jener historischen Zusammenhänge zu bestehen: Denn die Frage
nach dem Verhältnis der Geisteswissenschaftlichen Pädagogik als einer besonders
einflußreichen Richtung der deutschen theoretischen Pädagogik unseres Jahrhundert zum
Nationalsozialismus ist ja nicht nur eine Frage vergangener Geschichte. Vielmehr
führt sie auf das generelle Problem der Beziehung von Pädagogik und
Politik. Gerade weil die Herrschaft des Nationalsozialismus die dunkelste Periode der deutschen
Geschichte darstellt, darf sie nicht vergessen oder verschwiegen werden. Auch die deutsche
Erziehungswissenschaft muß sich also rückhaltlos der Aufarbeitung dieser Phase ihrer
Geschichte vor und in der Zeit des Nationalsozialismus stellen. Und ich
möchte hinzufügen: Weil der deutsche Nationalsozialismus die extremste, die
furchtbarste Zuspitzung des Faschismus als eines internationalen politischen
Phänomens darstellte, deshalb kann die Beschäftigung mit diesem Thema nicht nur
für die Deutschen eine lehrreiche Lektion sein.
Nun hat es schon vor diesen jüngeren Kontroversen in der Pädagogik der
Bundesrepublik und z. T. in der pädagogischen Literatur der DDR einige Untersuchungen
gegeben, die unserer Frage nachgegangen sind: "Wie stand die Geisteswissenschaftliche
Pädagogik vor und nach 1933 oder wie standen einzelne ihrer Vertreter zum
Nationalsozialismus?" Ich weise hier auf einige Kapitel in dem Buch von Karl-Christoph Lingelbach
mit dem Titel "Erziehung und Erziehungstheorien im nationalsozialistischen Deutschland" hin, einem
Standardwerk, das 1970 zuerst erschien und 1987 eine überarbeitete und wesentlich erweiterte
Auflage erlebte. [4] Ich darf auch auf eine
eigene Abhandlung über Theodor Litts Stellung zur Weimarer Republik und seine
Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus aus dem Jahre 1967 verweisen , [5] die später in erweiterter Form in meine
Gesamtdarstellung der Pädagogik Litts [6]
eingegangen ist. Das sind zwei von mehreren Beispielen. Aber solche frühen
Beiträge sind vereinzelt geblieben. Daher muß die Frage gestellt werden: Wie kann man
den Tatbestand erklären, daß das Thema erst jetzt, seit etwa 5 Jahren, so intensiv und so
kontrovers erörtert wird? Sie beschäftigt mich seit längerem, aber ich muß
Ihnen die Antwort einstweilen schuldig bleiben, und ich finde auch bei anderen Mitdiskutanden keine
hinreichende Erklärung. Es hätte mindestens nahegelegen, daß jene kritischen
Rückfragen an die Geisteswissenschaftliche Pädagogik schon vor etwa zwei
Jahrzehnten, an der Wende von den 60er zu den 70er Jahren, eine breite Diskussion ausgelöst
hätten, also in der Phase entschiedener Bildungsreformansätze in der Bundesrepublik,
der Phase der Studentenbewegung, der scharfen Gesellschafts- und Wissenschaftskritik aus der Sicht
westdeutscher Marxisten und der "Kritischen Theorie" der sogenannten "Frankfurter Schule der
Sozialphilosophie" um Max Horkheimer, Theodor W. Adorno, Jürgen Habermas und andere.
In jener Zeit und seit jener Zeit haben sich ja erhebliche Teile der
Erziehungswissenschaft in der Bundesrepublik verändert, hin zu einem gesellschaftskritischen
Selbstverständnis der Pädagogik. Aber noch einmal: Damals ist das Thema
"Geisteswissenschaftliche Pädagogik und Nationalsozialismus" nicht zu einem
zentralen Diskussionspunkt mit großer Ausstrahlung geworden.
2. Die zentrale Kontroverse
Zunächst werde ich in einem noch sehr allgemein gehaltenen Abschnitt skizzieren, welches der
zentrale Punkt der gegenwärtigen Kontroverse ist. Man kann diesen "springenden Punkt"
vorweg durch eine These und die Gegenthese kennzeichnen. Stichwortartig wird die These, von der
die jüngeren Diskussion ihren Ausgang nahm, meistens als Kontinuitätsthese, die entgegenstehende Auffassung als Diskontinuitätsthese bezeichnet. Daß beide Begriffe eine gewisse
Vergröberung enthalten, wird im folgenden deutlich werden.
Die Begriffe "Kontinuität" und "Diskontinuität"
beziehen sich jeweils auf die Beziehung zwischen politischen und pädagogischen Positionen,
die die Geisteswissenschaftliche Pädagogik oder besser: einzelne ihrer Vertreter vor
1933 vertraten, zum politischen und pädagogischen Programm der Nationalsozialisten,
nachdem sie im Frühjahr 1933 die Macht übernommen hatten.
Die Kontinuitätsthese besagt folgendes: Zwischen einigen zentralen
politischen und pädagogischen Elementen im Denken maßgeblicher
Repräsentanten der Geisteswissenschaftlichen Pädagogik in der Zeit der 20er und der
beginnenden 30er Jahre unseres Jahrhunderts einerseits und einigen Kernelementen der politischen
und pädagogischen Programmatik der Nationalsozialisten andererseits gebe es erhebliche
Ähnlichkeiten, z. T. sogar Übereinstimmungen. Allerdings behauptet keiner der
Vertreter dieser Position, daß auch nur einer der namhaften geisteswissenschaftlichen
Pädagogen Faschist bzw. Nationalsozialist im vollen Sinne des Wortes gewesen sei, und zwar
nicht nur deshalb, weil keiner von ihnen irgendwann der NSDAP (der Nationalsozialistischen
Deutschen Arbeiterpartei) angehört hat, sondern weil es einige deutliche Distanzierungs- und
Kritikmomente im Denken der Geisteswissenschaftlichen Pädagogik gegenüber dem
Nationalsozialismus gegeben habe. Aber die Verwandtschaften, Ähnlichkeiten,
Affinitäten, Kontinuitäten wären letzten Endes, mindestens in der ersten Zeit der
Naziherrschaft, schwerwiegender gewesen als die Distanzierungsmomente.
Aus dieser Kennzeichnung der ersten Position ergibt sich bereits an dieser Stelle, daß man ihre
zentrale Behauptung eigentlich präziser formulieren muß: nämlich als These
vom Überwiegen der Kontinuitätsmomente im
Verhältnis zu den Diskontinuitätsmomenten. Auch in dieser
genaueren Formulierung führt die Kernthese ihre Verfechter aber zu folgendem Urteil: Die
Geisteswissenschaftliche Pädagogik sei mitverantwortlich und mitschuldig am Erstarken des
Nationalsozialismus, weil sie sich nicht eindeutig von ihm distanziert habe. Sie sei, mindestens
indirekt und vielleicht ungewollt, schon vor 1933 zu einem der vielen Wegbereiter für die
Zerstörung der Weimarer Demokratie geworden, und in der Anfangsphase der Naziherrschaft
habe sie dem Nationalsozialismus, wenn auch mit gewissen Vorbehalten, in wesentlichen Punkten
zugestimmt.
Wie lautet die Gegenthese? Auch ihre Vertreter betonen, daß es zwischen
Teilelementen im politischen und pädagogischen Denken einiger Vertreter der
Geisteswissenschaftlichen Pädagogik und ihrer Deutung des Nationalsozialismus - seines
politischen und seines pädagogischen Programms - gewisse Ähnlichkeiten und
Berührungspunkte gegeben habe. Aber die Denkelemente der
Geisteswissenschaftlichen Pädagogik, die unvereinbar mit dem nationalsozialistischen
Programm einer politisierten Erziehung waren, hätten eindeutig überwogen, vor
1933 und - von einer ambivalenten Zwischenphase unmittelbar nach der
Machtübernahme der Nationalsozialisten abgesehen - auch nach 1933. Das heißt
also: Zwischen der Geisteswissenschaftlichen Pädagogik vor
1933 und der nach 1933 herrschenden NS-Politik und -Pädagogik
könne man vorwiegend Diskontinuität feststellen.
Bevor ich mich der Frage zuwende, wie These und Gegenthese von beiden Positionen
begründet werden, nenne ich die Hauptvertreter der unterschiedlichen Auffassungen. Meine
Aufzählung ist nicht vollständig, und die Nennung weniger Namen bedeutet nicht,
daß die Diskussion des Problems auf diese kleine Zahl von Vertretern der
heutigen Erziehungswissenschaft in Deutschland beschränkt ist.
Die wichtigsten Verfechter der These vom Überwiegen der
Kontinuitätsmomente sind der an der Universität Paderborn lehrende Kollege Wolfgang
Keim, [7] weiter Adalbert Rang [8] von der Kunsthochschule Berlin, der seit
einigen Jahren eine Gastprofessur in Amsterdam innehat, Kurt Beutler [9] von der Universität Hannover und Klaus Himmelstein , [10] der bei Wolfgang Keim promoviert worden
ist und ebenfalls an der Universität Paderborn lehrt.
Die Gegenthese vom Überwiegen der Diskontinuitätsmomente wird vor
allem von Ulrich Herrmann, [11] dem
namhaften Bildungshistoriker von der Universität Tübingen (inzwischen an der
Kunsthochschule Ulm), durch Heinz Elmar Tenorth,
[12] der an der Universität Frankfurt (in-zwischen an der Humboldt-Universität
Berlin) tätig ist, Achim Leschinsky [13]
früher Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin, jetzt Humboldt-
Universität, und von dem ebenfalls in Berlin tätigen Uwe Henning vertreten . [14]
Als wichtigen Diskussionspartner hebe ich außerdem den Kollegen Karl-Christoph Lingelbach
von der Universität Frankfurt, den ich schon an früherer Stelle erwähnte, hervor.
Er vertritt eine besonders differenzierte Auffassung in der Sache. [15] Obwohl er in mehreren wesentlichen Punkten mit den Vertretern der
These von der vorwaltenden Kontinuität übereinstimmt, meine ich doch, daß man
ihn dieser Gruppe nicht im strengen Sinne zuordnen kann. Gerade weil Lingelbach sich in der
Kontroverse nicht einseitig einer der beiden Positionen zuordnen läßt, die seit einiger
Zeit dazu tendieren, sich sozusagen in zwei verfeindeten Lagern einzuigeln, weil er vielmehr
äußerst differenziert argumentiert, ist er einer der Kollegen, die in Zukunft dazu
verhelfen könnten, die Verhärtungen der beiden Fronten zu überwinden und die
Debatte zu versachlichen, ohne die Auffassungsunterschiede nun vorschnell harmonisieren zu
wollen.
Bevor ich genauer auf die Argumente und die Belege eingehe, die jede der beiden Positionen
für ihre Auffassung ins Feld führt, sind einige Zwischenbemerkungen notwendig.
Zunächst ist festzustellen: Sowohl die Vertreter der These von den überwiegenden
Kontinuitätsmomenten als auch ihre Gegenspieler haben die Kontroverse bisher in einer
zweifachen Eingrenzung ausgefochten:
- Erstens beziehen sie sich einstweilen vor allem auf Eduard Spranger und Wilhelm Flitner. Herman Nohl ist in diesem Zusammenhang bisher nicht
berücksichtigt worden, Theodor Litt nur am Rande. Ich komme darauf gleich
noch zurück. - Erich Weniger ist mit Teilen seines Werks bisher nur von Kurt
Beutler in die Debatte einbezogen worden, nämlich hinsichtlich seiner sehr problematischen
Beiträge zur Militärpädagogik, die er während der nationalsozialistischen
Zeit veröffentlichte. [16]
- Zweitens: Auch hinsichtlich Sprangers und Flitners, die also bisher
im Mittelpunkt standen, hat sich die Diskussion zunächst in überwiegendem Maße
auf das Jahr 1933 konzentriert. Erst in jüngster Zeit wird die Zeitperspektive erweitert. Davon
wird noch zu sprechen sein.
Hier nehme ich zunächst noch einmal den Hinweis auf Theodor Litt auf. Ich
sagte eben, daß er in der fraglichen Kontroverse um Geisteswissenschaftliche Pädagogik
und Nationalsozialismus nur am Rande erwähnt wird, und zwar fast ausschließlich von
Vertretern der Diskontinuitätsthese. Die entsprechenden Bemerkungen erhärten nun ein
weiteres Mal Ergebnisse, zu denen Karl-Christoph Lingelbach und ich in
unseren ausführlichen Analysen über Litt und den Nationalsozialismus gekommen sind . [17] Litts politische Position ist in der
Weimarer Republik die eines konservativ-liberalen Vernunftrepublikaners gewesen. Er hat sich aus
Einsicht in die gesellschaftlich-politischen Bedingungen der Zeit eindeutig zur Verbindlichkeit der
Verfassung der Weimarer Republik bekannt und in den Krisenjahren am Ende der Weimarer Zeit
unmißverständlich gegen rechts- und linksextreme Gefährdungen des
Rechtsstaates und der Autonomie der Universitäten Stellung genommen. Seine nationale
Einstellung war zu keinem Zeitpunkt in Gefahr, ins Nationalistische umzuschlagen, und er hat auch
nie Anlaß gegeben, in diesem Sinne mißverstanden zu werden. In den ersten Jahren nach
1933 hat er - als einer von ganz wenigen Hochschullehrern im damaligen Deutschland - den Mut
gehabt, in Publikationen die Rassentheorie und die Geschichtsauffassung des Nationalsozialismus
offen zu kritisieren. Nach etlichen Zusammenstößen mit nationalsozialistischen
Behörden und mit nationalsozialistischen Studenten hat er 1937 demonstrativ seine vorzeitige
Emeritierung beantragt und erhalten. Später nahm er Kontakte zu dem konservativen
Widerstandskreis um den ehemaligen Leipziger Oberbürgermeister Goerdeler auf.
3. Zur Analyse der Kontrovers-Positionen
Ich wende mich nun einer genaueren Betrachtung der Argumente zu, mit denen die Vertreter der
beiden Positionen ihre Auffassung begründen.
Eine zentrale Rolle spielen in der Kontroverse nach wie vor zwei Aufsätze, die Spranger und Flitner im April 1933 in der Zeitschrift "Die Erziehung"
veröffentlicht haben, also kurz nach jenem Zeitpunkt, den Hitler und die Nationalsozialisten
selbst als endgültige "Machtübernahme" in Deutschland bezeichnet haben. Die
Zeitschrift "Die Erziehung" war seit der Mitte der 20er Jahre das führende theoretische Organ
in der deutschen Pädagogik. Sie wurde von Spranger, Nohl, Litt, Flitner und Alois Fischer herausgegeben. Auf der
Seite der Vertreter der Kontinuitätsthese hat Adalbert Rang, auf der Seite der
Diskontinuitätsposition Ulrich Herrmann beide Aufsätze sehr detailliert
untersucht. Ergänzend ist dann auch ein weiterer Aufsatz Sprangers zum gleichen Fragenkreis
aus dem Juni-Heft der Zeitschrift herangezogen worden. [18] Ich muß mich hier natürlich auf wenige Zentralpunkte
beschränken.
Zum allgemeinen historisch-politischen Hintergrund der drei Aufsätze ist soviel zu sagen:
Nachdem Hitler am 30 Januar 1933 vom deutschen Reichspräsidenten, dem
einstigen Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg, zum Reichskanzler einer Koalitionsregierung
aus Nationalsozialisten und Vertretern der antidemokratischen, rechts-konservativen "Deutsch-
Nationalen Volkspartei" ernannt worden war, setzte er Neuwahlen zum Reichstag durch. Sie fanden
am 5. März 1933 statt. Zwar brachten sie den Nationalsozialisten noch nicht die erhoffte
absolute Mehrheit. Aber die NSDAP wurde die stärkste Fraktion und übernahm die
Mehrzahl der Ministerposten. Im Vorgriff ergänze ich: In wenigen Monaten setzten die
Nationalsozialisten danach rücksichtslos ihre diktatorische Herrschaft durch, indem sie den
Einparteienstaat unter der diktatorischen Führung Hitlers errichteten.
Nun wissen wir, daß Flitner, damals Schriftleiter der Zeitschrift "Die
Erziehung", der Meinung war, die Herausgeber dürften zu dem politischen Ereignis des 5.
März 1933 nicht schweigen . [19] Er
forderte Spranger kurzfristig auf, zur neuen politischen, insbesondere der
erziehungspolitischen Lage Stellung zu nehmen. Nachdem dieser Beitrag vorlag, hat Flitner sich
offensichtlich entschlossen, auch selbst einen eigenen Beitrag zum Thema zu verfassen. Sprangers
Aufsatz trägt den Titel "März 1933", der Beitrag Flitners heißt "Die deutsche
Erziehungslage nach dem 5. März 1933 ". [20]
Zunächst ist festzustellen: Spranger und Flitner begrüßen in ihren Beiträgen
ausdrücklich den sogenannten "nationalen Umbruch", stimmen der "völkisch-nationalen
Bewegung" zu. Spranger spricht von der Wiederherstellung eines "selbstbewußten
Nationalgeistes" der Deutschen, vom "Willen zur Volkwerdung" als dem "positiven Kern der
nationalsozialistischen Bewegung", davon, daß das deutsche Volk sich in dieser nationalen
Bewegung "selbst wiedergefunden" habe, von den "begeisterten Tagen des März" und in
ähnlich emotionalen Phrasen. Er distanziert sich nun unmißverständlich von der
Weimarer Republik, von kommunistischen bzw. sozialistischen und pazifistischen Tendenzen, die
sich in der Weimarer Republik stark entwickelt hätten und die nun glücklicherweise
ausgeschaltet werden würden. Er vertritt sogar die Auffassung, daß sich das deutsche
Volk darauf einstellen müsse, eines Tages in einem Krieg die Beeinträchtigungen, die
der Versailler Vertrag Deutschland auferlegt habe, wieder rückgängig zu machen.
Wie nehmen die beiden Kontroverspositionen nun zu diesen Beiträgen Stellung?
Was Sprangers Aufsatz betrifft, so beurteilt Ulrich Herrmann ihn in mehrfacher
Hinsicht nicht weniger scharf als Adalbert Rang oder Wolfgang
Keim. Herrmann sagt: Dieser Beitrag Sprangers sei die Stellungnahme eines 'konservativen
deutschnationalen Bildungsbür-gers', "dem Gedankenkreis und der Mentalität des
wilhelminischen Kaiserreichs verpflichtet", eines Autors, der sich "in einer sprachlich-vulgarisierenden 'Geist-Metaphysik'" ergehe, der "nicht gewillt oder nicht in der Lage (sei) zu
bedenken, was seine Äußerungen - die sich ja durchaus im Sinne pronationalsozialistischer Gesinnung und Option verstehen lassen - praktisch bedeuteten"; Spranger
äußere vielfach "vage Vorurteile und wabernde Wunschvorstellungen ". [21]
Es gibt noch einen weiteren Aspekt, in dem sich beide Positionen recht nahekommen. Beide
erkennen nämlich an, daß Spranger und Flitner ihre Zustimmung zum sogenannten
"nationalen Umschwung" nur unter Vorbehalten aussprechen, wenn diese Vorbehalte aus der
historischen Rückschau auch als völlig illusorisch beurteilt werden müssen. Im
Hinblick auf diese Einschränkungen hat Adalbert Rang - in Anlehnung an Formulierungen von
Spranger und Flitner - von "beklommener Begeisterung" gesprochen, die diese beiden Autoren zum
Ausdruck bringen, und er hat ihre Positionen als "ambivalent", d. h. unklar, mehrdeutig,
widersprüchlich gekennzeichnet. [22]
Diese Kennzeichnung trifft m. E. zu. Man könnte sagen, daß Spranger und Flitner in
Verbindung mit ihrer politischen Zustimmung den neuen Machthabern gleichzeitig sozusagen ins
Gewissen zu reden versuchen, wie gesagt: in illusionärer Verkennung der Radikalität der
Ziele des Nationalsozialismus, ihres totalitär-diktatorischen Charakters.
Welche Vorbehalte Sprangers und Flitners kommen in ihren
Aufsätzen zur Sprache?
Beide Autoren binden ihre Zustimmung zur politischen Situation nach dem März 1933 daran,
daß der neue Staat an folgenden Elementen festhalten werde:
- an rechtsstaatlichen Prinzipien;
- an der weiteren Anerkennung der individuellen Gewissensfreiheit und damit an der Anerkennung
humanistischer und christlicher Werte und Traditionen, zu denen Spranger und Flitner sich auch
jetzt bekennen;
- an der Freiheit von Forschung und Lehre an den Universitäten und Hochschulen.
Beide warnen davor, die schulische und außerschulische Jugenderziehung und das
Hochschulstudium nun total zu politisieren, einheitlich zu formieren und zu militarisieren. - Flitner
fordert besonders nachdrücklich und ausführlich von den neuen Machthabern in
erziehungspolitischer Hinsicht, daß sie den Ertrag der pädagogischen Bewegung, d. h.
vor allem der Reformpädagogik im Bereich der Schule, der Erwachsenenbildung, der
Sozialpädagogik bewahren sollten. In einem kurze Zeit später erschienenen Aufsatz
Flitners, den Adalbert Rang in jüngerer Zeit in die Debatte einbezogen hat , [23] hat Flitner diese Argumentationslinie, die die
Vereinbarkeit von nationalsozialistischer Erziehungspolitik und zentralen Zielen der
pädagogischen Reformbewegung vor 1933 beschwört, sozusagen auf die Spitze
getrieben. Das Prinzip der "relativen Autonomie" der Erziehung in Theorie und Praxis, das die
Reformpädagogik und ihr theoretisches Gewissen, die "Geisteswissenschaftliche
Pädagogik", auch dem Staat gegenüber vor 1933 so nachdrücklich
betont habe, brauche nun nicht mehr im Widerspruch zum Staat eingefordert zu werden, wenn dieser
Staat sich diese relative Autonomie der Erziehung selbst zu eigen mache. Eine solche Erwartung
gegenüber dem nationalsozialistischen Staat auszusprechen, war nun wirklich der Gipfel der
Illusionen. Ob Spranger und Flitner tatsächlich an die Möglichkeit geglaubt haben, das
neue politische Regime werde sich auf solche Vorschläge einlassen, oder ob sie solche
Argumentationen selbst nur aus taktischen Gründen vortrugen, um damit vielleicht noch kleine
Freiheitsspielräume retten zu können, lasse ich hier offen.
Welches sind aber nun die entscheidenden Differenzen der Interpretation durch beide Kontrahentengruppen? Es sind vor allem folgende:
Erstens: Die Vertreter der Kontinuitätsthese sprechen
den Aspekten, in denen Spranger und Flitner dem neuen, nationalsozialistischen Regime
zustimmen, das erheblich größere Gewicht zu im Vergleich mit den Vorbehalten. Sie
tendieren dazu, diese Zustimmung als Ausdruck überdauernder, politischer und
pädagogischer Einstellungen beider Autoren zu betrachten, die schon vor 1933 angelegt
gewesen wären und auch während der NS-Zeit im wesentlichen weitergewirkt
hätten.
Die Verfechter der Diskontinuitätsthese dagegen werten jene
Zustimmungsäußerungen Sprangers und Flitners, die auch sie im Rückblick als
erschreckend betrachten und in ihrer möglichen Wirkung auf die Leser als unbedacht und
gefährlich ansehen, als Ausdruck einer kurzen Phase, in der Spranger und Flitner sich
Illusionen über den wahren Charakter des Nationalsozialismus machten. Sie verweisen zur
Stützung dieser Auffassung auf Vorgänge und Dokumente der Folgezeit, die zeigten,
wie schnell diese Illusionen bei beiden Autoren verflogen sind, vor allem auch bei Spranger. Ich
komme später noch einmal auf diesen Gesichtspunkt zurück.
Ein zweiter Differenzpunkt ist folgender: Die Vertreter der Kontinuitätsthese verweisen zur Stützung ihrer Auffassung mit
Nachdruck auf die Übereinstimmung oder die Ähnlichkeit mehrerer Grundbegriffe, die
von Flitner und Spranger auf der einen Seite und von den Nationalsozialisten in ihrer
"Erziehungs"programmatik auf der anderen Seite verwendet werden. Sie nennen dabei unter
anderem folgende Begriffe: "Volksgemeinschaft" oder "Einheit des Volkes"; "nationale
Wiedergeburt" bzw. "Nationalbildung"; "Führertum" bzw. "Bejahung des
Führerprinzips".
Die Gegenposition wirft ihren Kontrahenten hier den Verstoß gegen eine der
Grundregeln der Hermeneutik vor: Man dürfe einzelne Begriffe eines Autors nicht aus dem
historischen und systematischen Bedeutungskomplex lösen, in dem sie bei ihm stehen. So sei
der Begriff der "Nationalbildung" etwa bei Flitner nur richtig zu verstehen, wenn man seine Herkunft
aus dem Zusammenhang mit den nationalen Einigungsbestrebungen in Deutschland im 19.
Jahrhundert erkennt. Und der Begriff des "Führertums", den Flitner und Spranger in politischer
und auch in pädagogischer Hinsicht gebrauchen, sei bei diesen Autoren - wie ähnlich bei
Peter Petersen - nicht im Sinne der auf Zwang, Disziplinierung und blindem
Gehorsam beruhenden Unterordnung unter die Befehle eines Diktators gemeint, sondern an jenem
Verständnis von "Führung" orientiert, das vor allem von der deutschen
Jugendbewegung vor 1933 entwickelt worden ist. "Führung" meint hier die
freiwillige Anerkennung eines reiferen Menschen durch jüngere Menschen, weil der Reifere
gemeinsame Ideale vorbildlich verkörpert.
Mir liegt an dieser Stelle sehr an folgender Anmerkung: Man darf solche Einwände Herrmanns
und der ihm nahestehenden Autoren keinesfalls mißverstehen. Auch Herrmann und andere Vertreter der Diskontinuitätsthese sind der Auffassung, daß die
gesellschaftlich-politischen Vorstellungen Flitners und Sprangers schon zu jener Zeit irrig waren und
dem Stand der gesellschaftlichen und politischen Entwicklung nicht gerecht wurden, nämlich
der Situation einer modernen, industrialisierten Massengesellschaft und der legitimen
Auseinandersetzung zwischen unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen, Klassen, politischen
Richtungen und ihren Interessen. Spranger, Flitner und weitere Vertreter der
Geisteswissenschaftlichen Pädagogik verfügten auch nach dieser Auffassung nicht
über soziologische und politische Kategorien, um die Strukturen und Entwicklungen ihrer Zeit
zureichend deuten zu können. Und es sei ihnen anzulasten, daß sie die
Unterschiedlichkeit ihrer Vorstellungen von Nationalbildung, der Funktion politischer
und pädagogischer "Führung" usf. von den Vorstellungen der Nationalsozialisten in
ihren Aufsätzen nicht unmißverständlich zum Ausdruck gebracht hätten.
Aber die volle oder weitgehende Gleichsetzung solcher Begriffe mit der Bedeutung, die ihnen die
Nationalsozialisten gaben, sei unzutreffend.
Ein dritter Differenzpunkt ist im Vorangehenden schon angedeutet worden: Die
Vertreter der Diskontinuitätsthese sehen im Unterschied zur
Gegenposition zwischen Sprangers und Flitners Aussagen in jenen Aufsätzen vom
Frühjahr 1933 wesentliche Unterschiede. Flitners Bekenntnis zu christlichen und
humanistischen Traditionen und vor allem auch zu den liberal-progressiven Traditionselementen der
pädagogischen Reformbewegung der ersten drei Jahrzehnte unseres Jahrhunderts sei weitaus
entschiedener ausgeprägt als bei Spranger. Flitner habe seinen Aufsatz offensichtlich auch als
Versuch einer indirekten Korrektur an etlichen Aussagen Sprangers verstanden, die von den Lesern
der Zeitschrift als ein allzu glattes Einschwenken auf den nationalsozialistischen Kurs verstanden
werden konnten. [24]
Ich wende mich nun noch einigen jüngeren Beiträgen zur Kontroverse zwischen den
beiden unterschiedlichen Positionen in der uns interessierenden Diskussion zu. Sie betreffen Sprangers weitere Entwicklung nach jenem Aufsatz aus dem April 1933. Soweit die
vorliegenden Untersuchungen aus dem Kreis der Verfechter der These vom Überwiegen der
Diskontinuitätsmomente stammen, zeigen sie nach dem Urteil der Verfasser, daß
Spranger nun schrittweise erheblich deutlicher als vorher auf Distanz zum Nationalsozialismus
gegangen sei. Diese Tendenz wird auch von Klaus Himmelstein, der ja der
Gegenposition zugehört, nicht völlig bestritten. Jedoch bleibt für ihn auch
Sprangers Einstellung und sein Verhalten in der Zeit nach dem Frühjahr 1933 letztlich durch
Unentschiedenheit, durch Ambivalenz bestimmt. [25]
Welche weiteren Äußerungen und Handlungen Sprangers kommen hier zur
Sprache?
Zunächst geht es um Sprangers Konflikte mit dem Nationalsozialistischen Studentenbund in
Berlin, die schon im Februar 1933 begannen, und dann um sein Rücktrittsgesuch an den
nationalsozialistischen preußischen Kultusminister, den späteren
Reichserziehungsminister Bernhard Rust, vom 27. April 1933. [26] Der Anlaß dieser Affäre war folgender: Der NS-
Studentenbund, der in Berlin und an etlichen anderen Universitäten schon vor der
nationalsozialistischen Machtergreifung die stärkste studentische Gruppierung darstellte,
forderte Anfang April an der Berliner Universität öffentlich scharfe Maßnahmen
gegen jüdische Gelehrte, außerdem eine Kontrolle aller Hochschullehrer durch die
Studenten unter dem Gesichtspunkt, ob ihre Lehrveranstaltungen dem Geist des neuen Regimes
entsprächen. Spranger wandte sich öffentlich gegen solche Kampagnen und die
drohende Einschränkung der Lehr- und Forschungsfreiheit an den Hochschulen und
veranlaßte auch den Deutschen Hochschullehrerverband, die Standesvertretung der
Professoren, zu einer entsprechenden Stellungnahme. Außerdem forderte er das
preußische Kultusmi-nisterium dazu auf, solche und ähnliche studentische Aktionen zu
verbieten. Als das Ministerium auf diese Forderung nicht einging, erklärte er am 27. April
1933 seinen Rücktritt von seiner Professur. Inzwischen gab es einen zweiten Grund für
sein Rücktrittsgesuch: Das Ministerium hatte, ohne Spranger vorher auch nur zu informieren,
neben seinem Lehrstuhl für Philosophie und Pädagogik eine zweite Professur für
Politische Pädagogik eingerichtet und den entschiedenen Nationalsozialisten Alfred
Baeumler berufen.
Sprangers Schritt erregte weit über Berlin hinaus großes Aufsehen und schlug sich in
Berichten namhafter Presseorgane nieder. [27]
Jedoch verband Spranger seine Erklärung und weitere Stellungnahmen zur Sache erneut mit
nachdrücklichen Zustimmungserklärungen zum politischen Umbruch und zum
"großen Werk" Adolf Hitlers. Klaus Himmelstein hat m. E. völlig Recht, wenn er
feststellt: Nur im Hinblick auf den Bereich der Universität, sein primäres Arbeitsfeld,
also dort, wo Spranger seine Autorität und die seiner Kollegen direkt gefährdet sah,
äußerte er öffentlich Widerspruch, wandte sich dagegen, daß Studenten sich
zu Richtern über Professoren erheben wollten und daß sie zum Denunziantentum
aufriefen. [28] - Wie endete der Vorgang? Gut
vier Wochen später, nämlich Ende Mai 1933, zog Spranger nach Briefwechseln mit dem
Ministerium und anläßlich eines Gesprächs mit dem Minister seine
Rücktrittserklärung zurück und erklärte öffentlich, die Gründe
für seinen Protest seien entfallen. Dafür aber gibt es bisher keinerlei Belege. Spranger
selbst hat 1955 in der Rückschau erläutert, er hätte damals eingesehen, daß
in der Form der direkten Konfrontation mit dem Ministerium nichts mehr zu erreichen gewesen sei . [29] Eine hinreichende Begründung
dafür, im Amt zu bleiben, ist das m. E. nicht. Spranger wäre ja nicht entlassen, sondern
nur vorzeitig emeritiert worden. Es bleibt m. E. der Eindruck der Ambivalenz in Sprangers
Verhalten.
Heinz-Elmar Tenorth hat nun in jüngster Zeit im Zusammenhang mit dieser
Rücktrittsaffäre eine interessante Beobachtung ins Spiel gebracht. Tenorth sagt: Die
tiefe Enttäuschung, die für Spranger mit jenem Vorgang verbunden war, habe ihn seither
zu einer deutlichen Änderung seiner Denkformen, ja einer tiefgreifenden Revision seiner
bisherigen philosophisch-politischen und erziehungs-philosophischen Argumentation veranlaßt.
Die Reflexion über die fundamentale Bedeutung der individuellen Gewissensentscheidungen
träte seither ins Zentrum seines Denkens. [30]
In diese Entwicklungslinie kann man nun auch folgende Befunde einordnen: Seit 1988 liegt die
Edition aller Vorträge Sprangers vor, die er in einem kleinen, privaten Kreis, dem Berliner
Professoren verschiedener Fächer und einige hohe Verwaltungsbeamte angehörten, seit
1935 bis 1944 gehalten hat. [31] Dieser Kreis
von 16 Personen nannte sich "Mittwochs-Gesellschaft". Er führte eine seit 1863 bestehende
Tradition fort und traf sich alle 14 Tage zu Referaten und Aussprachen. Unter den Vorträgen
Sprangers sind mehrere, in denen seine schrittweise deutlicher hervortretende, partielle
Differenzierung vom Nationalsozialismus unverkennbar ist. Spranger erkannte jetzt offensichtlich die
radikal-nationalistischen und diktatorischen Zielsetzungen des neuen Regimes deutlicher als vorher,
und die Besinnung und Berufung auf liberale und christliche Traditionen und vor allem auf die
zentrale Stellung der individuellen Gewissensentscheidungen des einzelnen Menschen rückte in
den Vordergrund. Spranger übte hier substantielle Kritik am NS-System. Man darf das nicht
etwa als Wandlung Sprangers zu einer demokratischen Position mißverstehen. Es gibt bisher
keinen Beleg dafür, daß er vor dem Zusammenbruch des Hitler-Reiches den deutsch-nationalen, antidemokratischen Gedankenkreis verlassen hätte. Gleichwohl hat es ja neben
kommunistischem, sozialdemokratischem und liberalem Widerstand gegen den Nationalsozialismus
auch einen deutsch-national-konservativen Widerstand gegeben, und ein großer Teil der sich
allmählich aus dem deutschen Militär entwickelnden Opposition gehört dieser
konservativen Linie an. Was Spranger anbetrifft, so sind seine Beziehungen zum konservativen
Widerstand belegt: Er hatte - wie auch Litt - seit der Weimarer Republik Kontakte zum einstigen
Leipziger Oberbürgermeister Goerdeler, dem führenden Kopf des konservativen
Widerstandskreises, und zu den Mitgliedern der Berliner Mittwochs-Gesellschaft gehörte der
Generaloberst Beck, einer der militärischen Widerständler. So verwundert es nicht,
daß Spranger, wie mehrere Mitglieder der Mittwochs-Gesellschaft, nach dem Attentat auf
Hitler vom 20. Juli 1944 am 8. September 1944 verhaftet und dann mehrere Wochen von der
Geheimen Staatspolizei inhaftiert und verhört wurde. Er ist schließlich wegen Mangels
an Beweisen wieder freigelassen worden. Es spricht denn auch alles dafür, daß er in
keiner Weise direkt an Aktivitäten der konservativen Widerstandsbewegung
beteiligt gewesen ist, wohl aber, daß er mit ihren Zielen sympathisiert hat.
Ich spreche einen letzten Aspekt der Entwicklung Sprangers an und greife dabei chronologisch noch
einmal zurück. Dieser Aspekt wird japanische Leserinnen und Leser besonders interessieren.
1936 erhielt Spranger vom Preußischen Kultusministerium (auf Empfehlung von Personen des
deutschen Auswärtigen Amtes) die Genehmigung, als Gastprofessor für längere
Zeit nach Japan zu gehen. [32] Der
Aufenthalt dauerte vom November 1936 bis zum Oktober 1937. - Wir wissen nun, daß
Spranger diese Möglichkeit, das nationalsozialistische Deutschland - in der Form eines, wie er
selbst damals sagte, 'freiwilligen Exils auf Zeit' - zu verlassen, nicht zuletzt deshalb
begrüßt hat, weil er von den Machthabern - wie auch Litt, Nohl und Flitner -
endgültig als "liberalistisch" eingeschätzt und nur noch unter Vorbehalten geduldet
wurde. [33]
Spranger hat in Japan 70 bis 80 Vorträge gehalten; ein Teil davon wurde in zwei Bänden
in japanischer Sprache publiziert. [34] Wir
wissen in Deutschland aber wenig Genaues über das Echo, das diese Vorträge in der
japanischen Philosophie und Pädagogik und vielleicht darüber hinaus in der politischen
Öffentlichkeit auslösten. Hier stellen sich folgende Fragen: Hat Spranger etwas gegen
die Möglichkeit getan, daß man ihn, einen damals längst international bekannten
Wissenschaftler, als eine Art "Aushängeschild" des nationalsozialistischen Systems
wahrnehmen konnte? Hat er, direkt oder indirekt, zur vorweggreifenden Legitimierung des im
November 1938 zwischen Deutschland und Japan abgeschlossenen Antikomintern-Paktes
beigetragen? Der aus Deutschland emigrierte jüdische Philosoph Karl Löwith, der sich in
jener Zeit vorübergehend in Japan aufhielt, hat das - mindestens zeitweilig - offenbar so
gesehen. In seinen Lebenserinnerungen heißt es an einer Stelle: Er habe "zuerst nicht begreifen"
können, "wie derselbe Mann, der 1933 sein Abschiedsgesuch eingereicht hatte ..., nun als
offizieller Vertreter des nationalsozialistischen Deutschland seine Bildung dazu hergeben konnte, um
sich selbst und seinem Publikum einzureden, daß Deutschland und Japan ... eine gemeinsame
geschichtliche Aufgabe und tiefe Verwandtschaft hätten " [35]
Die Kollegen Ogasawara und Kiuchi haben mir nun während meiner Vortragsreise
dankenswerterweise einige Texte zugänglich gemacht, die die vorher skizzierten Fragen
mindestens teilweise beantworten. Es handelt sich um einen Aufsatz der Kollegin Reiko Sato
über "Spranger und Japan" aus dem Jahre 1970 [36] , zwei Beiträge des Kollegen Tashivo in japanischer Sprache
über "Einige Besonderheiten von Sprangers politisch-pädagogischem Denken 1933 bis
1945" und "Sprangers Haltung zum Faschismus" aus den Jahren 1983 und 1985 [37] sowie um die Vorworte Sprangers zu den
Ausgaben seiner Vorträge [38] . Die
genannten Texte bestätigen nach meinem Eindruck meine vorangehenden
Ausführungen: Sprangers Haltung zum Nationalsozialismus war auch in der Zeit seines
Aufenthaltes in Japan zwiespältig: einesteils zustimmend, wo es um seine
Gegnerschaft zur Demokratie ging, und insofern konnte er auch das damalige politische Regime in
Japan nachdrücklich begrüßen; andererseits kritisch, sich vom
Nationalsozialismus distanzierend, wo Spranger die Gefährdung der Gewissensfreiheit und der
Freiheit der Wissenschaft sowie die totale Politisierung aller Lebensbereiche durch den
Nationalsozialismus erkannte. Die Darstellung von Reiko Sato zeigt, daß einige japanische
Wissenschaftler diese Zwiespältigkeit der Einstellung Sprangers zum Nationalsozialismus
schon damals durchschaut und kritisiert haben.
Ich schließe hier noch einige Bemerkungen über Herman Nohl an. Nohl
hat bisher in der laufenden Kontrovers-Diskussion über Geisteswissenschaftliche
Pädagogik und Nationalsozialismus noch keine eingehendere Würdigung erfahren, und
ich kann sie hier nicht entwickeln. Es ist bekannt, daß er 1937 zwangsweise vorzeitig emeritiert
wurde, weil er den Nationalsozialisten als nicht mehr tragbarer Hochschullehrer erschien.
Längst vorher waren mehrere seiner akademischen Schülerinnen und Schüler aus
ihren Ämtern entlassen worden, andere mußten emigrieren, so z. B. auch Elisabeth
Blochmann, die später, nach ihrer Rückkehr aus dem Exil in England, 1952, die erste
selbständige Professur für Pädagogik an der Universität Marburg
übernahm.
Was wir bisher aus dem Briefwechsel Nohls, u. a. aus der Korrespondenz mit Theodor Litt wissen [39] , rechtfertigt für die Zeit etwa
vom Sommer 1934 ab im wesentlichen das Urteil: Nohl war seither - in der Form der sogenannten
inneren Emigration - ein Gegner des herrschenden NS-Regimes. Irritierend wirken
demgegenüber allerdings einige wenige Äußerungen in Publikationen, vor allem
aus dem Vorwort zur 2. Auflage des Buches "Die pädagogische Bewegung in Deutschland
und ihre Theorie" vom Jahre 1935 [40] .
Daß ein solches Buch, das zweifellos keine nationalsozialistische Pädagogik vertrat,
damals wohl nur mit Hilfe einer Art "Schwimmgürtel" noch einmal gedruckt werden konnte,
leuchtet ein. Als einen solchen "Schwimmgürtel" hat Nohl jenes Vorwort zur Neuauflage
später gedeutet [41] . Befremdend
blieb und bleibt trotzdem seine Aussage, daß "unser neuer Staat mit gutem Grund sein erstes
und entscheidendes Mittel in einer diktatorischen Massenführung hat, die auch den Letzten
noch national erweckt und bewußt macht und unserem Volk die Einheit seines Gefüges
wiedergibt " [42] . Die Aussage ist zutiefst
problematisch, auch wenn ihr nun eine andere folgt, die dem Vorbehalt Flitners aus seinem Aufsatz
vom April 1933 entspricht: In die Erziehung im neuen Staat müßten "die wahren
Einsichten auch der pädagogischen Bewegung in irgendeiner Gestalt ... eingehen". Vielleicht
war sich Nohl 1935, als er das schrieb, in Wahrheit schon bewußt, daß jene Erwartung
völlig illusorisch war. Aber war ihm das auch bereits 1933/34 klar?
Das scheint keineswegs so gewesen zu sein, jedenfalls nicht un-zweideutig. Man stößt
hier nämlich auf eine starke Diskrepanz zwischen Äußerungen in Nohls privater
Korrespondenz einerseits [43] und einer
öffentlich-akademischen Stellungnahme dieser Zeit anderer-seits. Ich beziehe mich mit der
letzten Bemerkung auf einen über-raschenden Fund, den ich einer meiner Studentinnen
verdanke [44] . Im Göttinger
Universitätsarchiv befindet sich ein Dokument, das der wissenschaftlichen Öffentlichkeit
bisher unbekannt war, nämlich der vollständige Text einer Semestervorlesung, die Nohl
auf Bitten der Studenten im Wintersemester 1933/34 unter dem Titel "Die Grundfragen der
nationalen Erziehung" gehalten hat [45] . Ich
habe diese Vorlesung inzwischen gelesen, wenn auch noch nicht abschließend analysiert.
Jedoch muß ich bekennen: Ich bin erschrocken über das Ausmaß, in dem Nohl in
diesem Text Annäherungen an Grundelemente der nationalsozialistischen Ideologie vollzog.
Ähnlich wie Spranger und Flitner, aber im Gegensatz zu Litt [46] ist er zu dieser Zeit offenbar von jener höchst problematischen
nationalen Aufbruchstimmung großer Teile der deut-schen Bevölkerung erfaßt
worden, die auch ihm den klaren Blick für die unüberbrückbaren Unterschiede
zwischen Kernelementen seiner bis dahin vertretenen pädagogischen Auffassungen und der
damit verknüpften, entschieden nationalen, aber nicht faschistischen politischen Position auf
der einen Seite und den Zielen des Nationalsozialismus auf der anderen Seite vernebelten. Aber wie
bringt man diese in der Vorlesung dominierenden Tendenzen nicht nur mit den erwähnten
kritischen Distanzierungen in der privaten Korrespondenz zusammen, sondern auch mit anderen
öffentlichen Stellungnahmen Nohls, in denen er bereits vor und auch unmittelbar nach 1933
deutliche Trennungslinien zum NS-System zog ?
[47] Ich muß die Frage hier einstweilen unbeantwortet stehen lassen.
4. Zusammenfassung
Abschließend ziehe ich ein vorläufiges Resümee in vier Thesen:
- Wer - wie ich - der begründeten Überzeugung ist, daß Völker,
Gesellschaften, Staaten, Kulturen und folglich auch Wissenschaften - in diesem Falle: die
Erziehungswissenschaft - ihre Geschichte, gerade auch deren dunkle Perioden, nicht einfach von sich
abstoßen können, nicht vergessen und verdrängen dürfen, der muß es
begrüßen, daß auch die Frage nach dem Verhältnis von
Geisteswissenschaftlicher Pädagogik und Nationalsozialismus heute innerhalb der deutschen
Erziehungswissenschaft so rückhaltlos diskutiert wird. Die übertriebene Schärfe
mancher Kontroversen muß man dabei m. E. vorübergehend in Kauf nehmen.
- Folgende Feststellung dürfte bereits heute als ziemlich gesichert gelten: Die meisten der
maßgeblichen Vertreter der Geisteswissenschaftlichen Pädagogik haben sich vor
1933 loyal zur Weimarer Republik verhalten, und sie sind für die Erhaltung ihrer
Verfassung eingetreten, außer Spranger, der in der Endphase der Republik offen für die
damals antidemokratische Deutsch-Nationale Volkspartei votierte, weil er sie für ein
notwendiges Korrektiv der Nationalsozialisten hielt. Aber auch für die anderen Autoren gilt:
Einen entscheidenden Beitrag zu einer konsequenten, demokratischen Bewußtseinsbildung und
zur entschiedenen politischen Verteidigung der Republik in ihrer Krisenphase haben sie nicht
geleistet.
- Spranger, Flitner und Nohl brachten - anders als Litt, dessen Distanzierung vom
Nationalsozialismus von Anfang an außer Zweifel stand - trotz mancher Positionsunterschiede
in den ersten Jahren der nationalsozialistischen Herrschaft in ihren öffentlichen Stellungnahmen
partielle Zustimmung zum Nationalsozialismus zum Ausdruck, indem sie den politischen Umbruch
als "nationalen Aufbruch" deuteten und in pädagogischer Hinsicht die Erwartung
äußerten sowie die Forderung stellten, daß das neue Regime wesentliche
Erfahrungen und Prinzipien der reformpädagogischen Bewegung der vorangehenden
Jahrzehnte bewahren könne und bewahren werde. Gleichzeitig ist allerdings die beklommene
Sorge erkennbar, ob solche Erwartungen oder Forderungen im neuen Herrschaftssystem
tatsächlich Gehör finden würden. - Nimmt man die nichtöffentlichen
Aussagen der genannten Personen hinzu, so wird der Eindruck der Unsicherheit, der Ambivalenz
für diese Anfangsperiode der NS-Zeit noch wesentlich verstärkt.
- Spätestens ab 1935 wird die innere und z. T. auch die nach außen hin erkennbare
Distanzierung vom Nationalsozialismus, die Litt bereits vor und nach 1933 unzweideutig vollzogen
hatte, auch bei Spranger, Flitner und Nohl zunehmend klarer. Die anfängliche Ambivalenz
weicht mehr und mehr der Distanzierung. Ob und wieweit damit aber bei diesen Pädagogen
noch während der NS-Zeit auch erste Schritte zur Entwicklung eines demokratisch-politischen
Bewußtseins und zu einem demokratischen Erziehungskonzept verbunden waren, ist damit
noch nicht gesagt.
[Zur Eingangsseite "Wolfgang Klafki: Erziehung - Humanität - Demokratie ..."]
Anmerkungen
[1] ) W. Klafki: Bericht über das Podium
"Pädagogik und Nationalsozialismus" In: 25. Beiheft der Zeitschrift für Pädagogik
(Bilanz für die Zukunft - Aufgaben, Konzepte und Forschung in der Erziehungswissenschaft.
Beiträge zum 12. Kongreß der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft
vom 19. - 21.3.1990 in der Universität Bielefeld), S. 35 - 55. - Die Referate einer
Arbeitsgruppe mit dem Thema "Erziehungswissenschaft und Nationalsozialismus" sind zusammen
mit weiteren Aufsätzen zum Thema in einem Band von Wolfgang Keim mit dem Titel
"Erziehungswissenschaft und Nationalsozialismus - Eine kritische Positionsbestimmung" publiziert
worden: Studienheft 9 der Zeitschrift "Forum Wissenschaft", hrsg. vom Bund demokratischer
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Marburg 1990.
[Zurück zum Text]
[2] ) Vgl. P. Kaßner: Peter Petersen - Die
Negierung der Vernunft? In: Die Deutsche Schule 1989, S. 117 - 132. - W. Keim: Peter Petersens
Rolle im Nationalsozialismus und die bundesdeutsche Erziehungswissenschaft. Wie vorher, S. 133 -
145. - U. Herrmann: Geschichtsdeutung als Disziplinpolitik? Wie vorher, S. 366 - 373. - W. Keim:
Noch einmal: Worum es eigentlich geht. Wie vorher, S. 373 - 376.
[Zurück zum Text]
[3] ) Vgl. W. Keim: Pädagogik und
Nationalsozialismus - Zwischenbilanz einer Auseinandersetzung innerhalb der bundesdeutschen
Erziehungswissenschaft. In: Neue Sammlung 1989, S. 186 - 208 (Wiederabdruck in dem in Anm. 1)
genannten Band von W. Keim "Erziehungswissenschaft und Nationalsozialismus", S. 14 - 27). Th.
Wilhelm: Verwandlungen im Nationalsozialismus - Anmerkungen eines Betroffenen. In: Neue
Sammlung 1989, S. 498 - 506 sowie Keims Stellungnahme zu dieser Replik in der Anmerkung 1
seines vorher genannten Aufsatzes "Pädagogik und Nationalsozialismus" in der Fassung im
Band "Erziehungswissenschaft und Nationalsozialismus", S. 25.
[Zurück zum Text]
[4] ) K.-Ch. Lingelbach: Erziehung und
Erziehungstheorie im nationalsozialistischen Deutschland. Weinheim 1970; überarbeitete
Zweitausgabe mit drei neuen Studien und einem Diskussionsbericht, Frankfurt 1987.
[Zurück zum Text]
[5] ) W. Klafki: Theodor Litts Stellung zur Weimarer
Republik und seine Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus (zuerst 1967), Wiederabdruck
in W. Klafki: Aspekte kritisch-konstruktiver Erziehungswissenschaft. Weinheim 1976, S. 219 -
252.
[Zurück zum Text]
[6] ) W. Klafki: Die Pädagogik Theodor Litts -
Eine kritische Vergegenwärtigung. Königstein/Ts. 1982.
[Zurück zum Text]
[7] ) Vgl. außer den in Anm. 1) und 2) genannten
Abhandlungen Keims vor allem seinen Beitrag "Bundesdeutsche Erziehungswissenschaft und
Nationalsozialismus" in dem von ihm herausgegebenen Sammelband "Pädagogen und
Pädagogik im Nationalsozialismus - Ein unerledigtes Problem der Erziehungswissenschaft",
Frankfurt 1988.
[Zurück zum Text]
[8] ) A. Rang: Reaktionen auf den Nationalsozialismus
in der Zeitschrift "Die Erziehung" im Frühjahr 1933. In: H. U. Otto / H. Sünker (Hrsg.):
Soziale Arbeit im Faschismus. Bielefeld 1986, S. 35 - 54. - Ders.: Beklommene Begeisterung -
Sprangers und Flitners Reaktionen auf den Nationalsozialismus im Jahre 1933. In: P. Zedler / E.
König (Hrsg.): Ansätze und Studien zur Rekonstruktion pädagogischer
Wissenschaftsgeschichte. Weinheim 1989, S. 263 - 294.
[Zurück zum Text]
[9] ) K. Beutler: Militärpädagogische
Aspekte bei Erich Weniger - Zum kriegsfördernden Beitrag geisteswissenschaftlicher
Pädagogik. In: W. Keim (Hrsg.): Pädagogen und Pädagogik im
Nationalsozialismus, vgl. Anm. 7), S. 60 - 72. - Ders.: Bemerkungen zur Anwendung der
hermeneutischen Methode in der Auseinandersetzung zwischen Adalbert Rang und Ulrich Herrmann
in dem in Anm. 7) genannten Sammelband von Keim, S. 137 - 142.
[Zurück zum Text]
[10] ) K. Himmelstein: "Wäre ich jung, wäre ich Nationalsozialist ...". Anmerkungen zu Eduard Sprangers Verhältnis zum deutschen Faschismus. In: W. Keim (Hrsg.): Pädagogen und Pädagogik im Nationalsozialismus (vgl. Anm. 7), S. 39 - 59.
[Zurück zum Text]
[11] ) U. Herrmann (Hrsg.): "Die Herausgeber
müssen sich äußern". Die Staatsumwälzung im Frühjahr 1933 und die
Stellungnahmen von Eduard Spranger, Wilhelm Flitner und Hans Freyer. In: U. Herrmann / J.
Oelkers: Pädagogik und Nationalsozialismus. Weinheim/Basel 1989 (= Herrmann 1989 a), S.
281 - 325. - Ders.: Polemik und Hermeneutik. Zur Auseinandersetzung mit A. Rang über
Pädagogik und "Un-Pädagogik" und zur Kritik "kritischer" Historiographie. In: P.
Zedler / E. König (Hrsg.): Ansätze und Studien zur Rekonstruktion pädagogischer
Wissenschaftsgeschichte. Weinheim 1989 (= Herrmann 1989 b), S. 295 - 315. - Ders.:
Geschichtsdeutung als Disziplinpolitik. In: Die Deutsche Schule 1989, S. 366 - 373 (= Herrmann
1989 c).
[Zurück zum Text]
[12] ) H.-E. Tenorth: Zur deutschen Bildungsgeschichte
1918 - 1945. Köln/Wien 1985. - Ders.: Deutsche Erziehungswissenschaft 1930 - 1945.
Aspekte ihres Strukturwandels. In.: Zeitschrift für Pädagogik 1986, S. 290 - 321. -
Ders.: Falsche Fronten. In: demokratische Erziehung 1987, H. 7/8, S. 28 - 32. - Ders.:
Wissenschaftliche Pädagogik im nationalsozialistischen Deutschland. In: U. Herrmann / J.
Oelkers: Pädagogik und Nationalsozialismus. Weinheim/Basel 1989, S. 53 - 84. - Ders.:
Einfügung und Formierung, Bildung und Erziehung. Positionelle Differenzen in
pädagogischen Argumentationen um 1933. Wie vorher, S. 259 - 279. - Ders.:
Pädagogisches Denken. In: D. Langewiesche / H.-E. Tenorth (Hrsg.): Handbuch der deutschen
Bildungsgeschichte, Bd. V, 1918 - 1945: Die Weimarer Republik und die nationalsozialistische
Diktatur. München 1989, S. 111 - 153. - Ders.: Eduard Sprangers hochschulpolitischer
Konflikt 1933 - Politisches Handeln eines preußischen Gelehrten. In: Zeitschrift für
Pädagogik 1990, S. 573 - 596.
[Zurück zum Text]
[13] ) A. Leschinsky: Einen Schritt voraus, zwei Schritte
zurück? Kritische Überlegungen zum Umgang der Erziehungswissenschaft mit der
Vergangenheit anläßlich eines neu erschienenen Buches. In: Neue Sammlung 1989, S.
209 - 225.
[Zurück zum Text]
[14] ) Uwe Henning / Achim Leschinsky: "Widerstand im
Detail". Eduard Sprangers Rücktrittsaktion vom Frühsommer 1933 im Spiegel
bürgerlicher Presseberichte. In: Zeitschrift für Pädagogik 1990, S. 551 - 572. -
Dies. (Hrsg.): Enttäuschung und Widerspruch. Die konservative Position Eduard Sprangers im
Nationalsozialismus. Analysen - Texte - Dokumente. Weinheim 1991.
[Zurück zum Text]
[15] ) Vgl. Anm. 4), außerdem: K.-Ch. Lingelbach:
Unkritische Bildungshistorie als sozialwissenschaftlicher Fortschritt? In: Zeitschrift für
Pädagogik 1988, S. 519 - 534. - Vgl. auch meinen Bericht über Lingelbachs
Diskussionsbeiträge in der in Anm. 1) genannten Publikation.
[Zurück zum Text]
[16] ) Vgl. Anm. 9).
[Zurück zum Text]
[17] ) Vgl. Anm. 4): K.-Ch. Lingelbach: Erziehung und Erziehungstheorien ... 2. Aufl. 1987, S. 221 - 245 sowie die in den Anm. 5) und 6) genannten Veröffentlichungen.
[Zurück zum Text]
[18] ) Vgl. die entsprechenden Artikel, die in Anm. 8 (A.
Rang 1986, 1989, 1990) und in Anm. 11 (U. Herrmann 1989 a, b, c) genannt werden.
[Zurück zum Text]
[19] ) Vgl. U. Herrmann, Anm. 18), 1989 a, S. 282.
[Zurück zum Text]
[20] ) Die Erziehung, 8. Jg. 1932/33, Aprilheft 1933, S.
401 - 408 (E. Spranger) bzw. S. 408 - 416 (W. Flitner).
[Zurück zum Text]
[21] ) U. Herrmann: "Die Herausgeber müssen
sich äußern", vgl. Anm. 11), Herrmann 1989 a, bes. S. 288.
[Zurück zum Text]
[22] ) Vgl. Anm. 8): A. Rang: Beklommene
Begeisterung ...
[Zurück zum Text]
[23] ) Vgl. Anm. 8) bzw. 22): Rang 1989, S. 275 -
277
[Zurück zum Text]
[24] ) Vgl. bes. U. Herrmann (Anm. 11), 1989 a), bes. S.
283 ff., 290 ff., 295.
[Zurück zum Text]
[25] ) K. Himmelstein (vgl. Anm. 10), bes. S. 52 ff.
[Zurück zum Text]
[26] ) Vgl. dazu die detaillierte Analyse von H.-E.
Tenorth, s. Anm. 12) (Tenorth 1990).
[Zurück zum Text]
[27] ) Vgl. Anm. 14): U. Hennig / A. Leschinsky
1990.
[Zurück zum Text]
[28] ) Vgl. K. Himmelstein (Anm. 10), Himmelstein
1989, S. 51.
[Zurück zum Text]
[29] ) Vgl. E. Spranger: Mein Konflikt mit der
nationalsozialistischen Regierung 1933. In: Universitas 1955, S. 457 - 473, bes. S. 472 f.
[Zurück zum Text]
[30] ) Vgl. H.-E. Tenorth: Eduard Sprangers
hochschulpolitischer Konflikt 1933 ... (s. Anm. 12), bes. S. 573 und 586 ff. - Diese These bedarf m.
E. genauer Überprüfung. Jedenfalls ist sie auch von Tenorth nicht so gemeint, als ob die
Betonung der individuellen Gewissensentscheidung von jenem Zeitpunkt ab ein prinzipiell neues
Element in Sprangers Denkentwicklung darstelle. Allenfalls erhält dieses bereits viel
früher in Sprangers Weltanschauung ausgebildete Moment nach der Krise vom April/Mai 1933
noch stärkeres Gewicht als vorher. - Unter vielen Belegstellen für die Betonung der
individuellen Gewissensentscheidung schon vor 1933 sei hier nur auf ein auch bei Himmelstein (a. a.
O., S. 50) angeführtes Zitat verwiesen: In Sprangers zeitkritischem Aufsatz "Gegenwart" vom
September 1932 heißt es u. a.: "Mag also der Liberalismus sich tausendmal und in allen
übrigen Formen überlebt haben: Diese eine Gestalt kann und darf nicht wieder sterben:
Das individuelle Gewissen, das sich für sein Tun und Lassen selbst verantwortlich weiß."
(In: E. Spranger: Volk - Staat - Erziehung. Gesammelte Reden und Aufsätze. Leipzig 1932, S.
197; vgl. ebda, S. 201).
[Zurück zum Text]
[31] ) E. Spranger: Texte für die Mittwochs-Gesellschaft 1935 - 1944, hrsg. von Uwe Henning u. a., 2. überarb. Aufl. München
1988.
[Zurück zum Text]
[32] ) Vgl. E. Spranger: Gesammelte Schriften, Bd.
VII: Briefe 1901 - 1963, hrsg. von H.-W. Bähr, Tübingen 1978, Anmerkungen zu den
Briefen an Käte Hadlich vom 2. Juli 1936 und vom 4. Dezember 1936, S. 435/436.
[Zurück zum Text]
[33] ) Vgl. Sprangers Briefe an Käthe Hadlich
vom 20.04.1936. In: E. Spranger: Gesammelte Schriften, vgl. Anm. 32, S. 170 f.
[Zurück zum Text]
[34] ) E. Spranger: Probleme der Kulturphilosophie.
(Bunkatetsugaku-no-sho-mondai). Übers. von Shinichiro Kotsuka. Tokyo 1937. Vgl. auch die
beiden Beiträge aus den Japan-Vorträgen in Sprangers "Texten für die
Mittwochs-Gesellschaft" (vgl. Anm. 31): "Schriftlicher Bericht von Eduard Spranger über
seinen Aufenthalt in Japan" (951. Sitzung am 14. April 1937) und "Über den japanischen
Nationalcharakter" (963. Sitzung am 19. Januar 1938), S. 39 - 45 bzw. S. 46 - 49.
[Zurück zum Text]
[35] ) Karl Löwith: Mein Leben vor und nach
1933 in Deutschland. Stuttgart 1968, S. 113.
[Zurück zum Text]
[36] ) Reiko Sato: Spranger und Japan. In: Bulletin der
Tachibana Frauenuniversität, Tachibana 1970, Nr. 3, S. 65 - 83.
[Zurück zum Text]
[37] ) T. Tashivo: Sprangers Attitude Toward Fascism.
In: Japanese Journal of Educational Research. Vol. 50, No. 4, Dec. 1983, p. 333 - 342. - Ders.:
Some Features of Sprangers Politico Pedagogical Thought 1933 - 1945. - Forms of "Resistance"
against National Sozialism. Wie vorher, Vol. 52, No. 2, June 1985, p. 173 - 182.
[Zurück zum Text]
[38] ) Vgl. E. Spranger: Vorworte zu den in Anm. 34)
genannten Sammelbänden mit Vorträgen Sprangers in japanischer Sprache.
[Zurück zum Text]
[39] ) Vgl. die Zitate aus Briefen Litts an Nohl in
Elisabeth Blochmanns Buch "Herman Nohl in der pädagogischen Bewegung seiner Zeit 1879 -
1960". Kapitel "Göttingen 1933 - 1945", S. 163 - 184.
[Zurück zum Text]
[40] ) H. Nohl: Die pädagogische Bewegung in
Deutschland und ihre Theorie. 2. durchges. und mit einem Nachwort versehene Aufl. Frankfurt/M.
1935. - Die beiden Hauptteile des Buches waren zuerst in dem noch vor dem nationalsozialistischen
Umbruch gedruckten "Handbuch der Pädagogik", hrsg. von H. Nohl und L. Pallat, Bd. I,
Langensalza 1933 erschienen: "Die Theorie der Bildung" (S. 3 - 80) und "Die pädagogische
Bewegung in Deutschland" S. 302 - 374.
[Zurück zum Text]
[41] ) Vgl. das Nachwort zur 3. Auflage des Buches,
Frankfurt/M. 1948, S. 229.
[Zurück zum Text]
[42] ) Vgl. den Abdruck des Vorworts zur 2. Aufl. in
der 3. Aufl. 1948, S. 228.
[Zurück zum Text]
[43] ) Vgl. die in E. Blochmanns Nohl-Biographie (s.
Anm. 39) enthaltenen Auszüge aus dem Briefwechsel Nohls mit Ludwig Pallat über den
Abschluß des "Handbuchs der Pädagogik" (vgl. Anm. 40) - S. auch E. Blochmann, a. a.
O., S. 160 ff.
[Zurück zum Text]
[44] ) Frau Hee-Hyang Choi.
[Zurück zum Text]
[45] ) Die Kennzeichnung im Universitätsarchiv
Göttingen lautet: Cod. Ms H. Nohl 830: 1G. - Daß Nohl diese Vorlesung gehalten und
eine Abschrift des Textes noch im Dezember 1940 an Theodor Litt zu dessen 60. Geburtstag gesandt
hat, war schon bisher durch Elisabeth Blochmanns Nohl-Biographie (vgl. Anm. 39, S. 171) bekannt,
nicht aber, daß das Göttinger Universitätsarchiv ein maschinenschriftliches
Exemplar der Vorlesung besitzt.
[Zurück zum Text]
[46] ) Vgl. die Wiedergabe der Stellungnahme Litts zu
Nohls oben erwähnter Vorlesung vom Wintersemester 1933/34 bei E. Blochmann (s. Anm.
39), S. 171.
[Zurück zum Text]
[47] ) Vgl. den Vortrag "Pädagogische
Bewegung oder pädagogische Reaktion?", den Nohl im Oktober 1932 auf einer
pädagogischen Kundgebung hielt. Er wurde in der Zeitschrift "Deutsche Schule" im 37. Jg.
1933, H. 1 abgedruckt. Wiederabdruck in: H. Nohl: Pädagogik aus dreißig Jahren.
Frankfurt/M. 1949, S. 237 - 244.
[Zurück zum Text]