Gen-Umwelt Interaktionen bei gesunden Probanden mit und ohne Kindheitstraumata und ihre subklinischen Persönlichkeitsausprägungen

Seit Langem ist bekannt, dass Gen- und Umweltfaktoren miteinander interagieren und Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit haben. Insbesondere bei der Entstehung von psychiatrischen Erkrankungen spielt die weit erforschte Genvariante CACNA1C rs1006737 eine wichtige Rolle. Zudem finden sich bei g...

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Main Author: Grill, Lea
Contributors: Krug, Axel (Prof. Dr.) (Thesis advisor)
Format: Doctoral Thesis
Language:German
Published: Philipps-Universität Marburg 2023
Subjects:
Online Access:PDF Full Text
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Description
Summary:Seit Langem ist bekannt, dass Gen- und Umweltfaktoren miteinander interagieren und Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit haben. Insbesondere bei der Entstehung von psychiatrischen Erkrankungen spielt die weit erforschte Genvariante CACNA1C rs1006737 eine wichtige Rolle. Zudem finden sich bei gesunden Probanden mit dem A-Allel der Risikovariante CACNA1C rs1006737 Auffälligkeiten in der funktionellen Magnetresonanztomographie, welche unterschiedliche Auswirkungen auf die Gedächtnisfunktion haben. Hier zeigen sich unter anderem Defizite im Arbeitsgedächtnis. Der L-Typ Cav1.2 Kanal, für den das Risikogen CACNA1C kodiert, spielt ferner für die synaptische Plastizität, Lernen und Gedächtnis eine essenzielle Rolle. Bekannt ist außerdem, dass der Umweltfaktor Kindheitstrauma Auswirkungen auf die psychische Gesundheit hat und in Zusammenhang mit der Entstehung von affektiven Störungen steht. Auch neuropsychologische Defizite in Gedächtnis- und Exekutivfunktionen sowie verhaltensneuropsychologische Auffälligkeiten werden in Zusammenhang mit Kindheitstraumata festgestellt. Beide Risikofaktoren weisen zudem verhaltensneuropsychologische Auffälligkeiten auf. Das A-Allel der Risikovariante CACNA1C rs1006737 ist mit reduzierter Präferenz für soziale Aktivitäten, ängstlichen Zügen und geschlechtsspezifischen Unterschieden hinsichtlich emotionaler Labilität und Belastbarkeit assoziiert. Bei vernachlässigten Kindern zeigen sich weniger soziale Interaktionen und eine negative Stimmung, bei Jugendlichen mit körperlichem Missbrauch wurde u. a. ein erhöhtes aggressives Verhalten festgestellt. Diese Erkenntnisse dienen als Grundlage für diese Arbeit, welche der Frage nachgeht, ob bei den bekannten Risikofaktoren eine Interaktion besteht und welche Auswirkungen diese auf die Kognition und Persönlichkeit haben. Ziel dieser Arbeit war es zu erforschen, ob kognitive Defizite bei gesunden Probanden mit Risikofaktoren bestehen und ob Persönlichkeitsmerkmale besonders ausgeprägt sind. Dazu wurden jeweils unabhängig voneinander in Gruppen das Risikoallel des CACNA1C rs1006737 sowie der Umweltfaktor Kindheitstrauma auf signifikante Effekte in der neuropsychologischen Testung untersucht. Um den Umweltfaktor zu messen, wurde der Childhood-Trauma-Questionnaire genutzt. Das NEO-Fünf-Faktoren-Inventar diente zur Erkennung von herausstechenden Persönlichkeitsmerkmalen innerhalb der Gruppen. Mit Hilfe der o. g. Tests wurde außerdem betrachtet, ob eine Gen-Umwelt Interaktion zwischen den Probanden mit Risikovariante des CACNA1C rs1006737 und dem Umweltfaktor Kindheitstrauma besteht und inwieweit diese sich auf die Kognition und die Persönlichkeit der gesunden Probanden auswirkt. Der Haupteffekt des A-Allels der Risikovariante zeigte in der neuropsychologischen Testung signifikante Ergebnisse bei dem Untertest Summe der Tiere des Regensburger Wortflüssigkeitstests (p=0,01) sowie der Verlustinterferenz beim Verbalen Lern- und Merkfähigkeitstest (p=0,006). Im Gegensatz dazu zeigte der Haupteffekt Umweltfaktor in dem Test Buchstaben-Zahlen-Folgen ein signifikantes Ergebnis (p=0,049). Weitere signifikante Ergebnisse der einzelnen Haupteffekte blieben aus. Der Interaktionseffekt zwischen der Risikovariante CACNA1C rs1006737 und Kindheitstrauma zeigte sowohl im Untertest Summe der Tiere des Regensburger Wortflüssigkeitstest als auch im Verbalen Lern- und Merkfähigkeitstest in der Lernleistung und in der Verlustinterferenz ein signifikantes Resultat. Beide Risikofaktoren beinhalten bei der Auswertung des NEO-Fünf-Faktoren Inventars keine signifikanten Ergebnisse. Der Interaktionseffekt wies bei den Merkmalen Neurotizismus (p=0,016) und Extraversion (p=0,039) signifikante Resultate auf. In dieser Arbeit konnte bestätigt werden, dass bei gesunden Probanden durch die beiden Risikofaktoren Gen und Umwelt sowie deren Interaktion Effekte auf die Kognition auftraten. Diese zeichneten sich durch signifikant schlechtere Ergebnisse in den Testungen sowohl für die semantisch-kategorielle Wortflüssigkeit als auch für das deklarative episodische Gedächtnis und das Arbeitsgedächtnis aus. Die beiden signifikanten Ergebnisse der Merkmale Neurotizismus und Extraversion im Persönlichkeitstest traten nur bei der Gen-Umwelt Interaktion auf, wodurch hier ein Interaktionseffekt zwischen der Risikovariante (A-Allel) und einem Kindheitstrauma gezeigt wurde. Dieser Interaktionseffekt wurde bei gesunden Probanden erstmals in dieser Arbeit in der neuropsychologischen Testung sowie im Persönlichkeitstest nachgewiesen. Die Ergebnisse des Haupteffektes Risikovariante bestätigten zum Teil die bereits bestehenden Studien, welche Defizite in der Wortflüssigkeit nachwiesen. Ein Vergleich der Studien mit dem Haupteffekt Kindheitstrauma ist nicht abschließend möglich, da eine Aufteilung in die Subgruppen des Childhood-Trauma-Questionnaire aufgrund der kleinen Gruppengröße nicht stattfand. Weitergehende Studien sollten dies berücksichtigen und die Gruppengröße erhöhen. Dadurch wäre es möglich zu eruieren, welche Formen der Kindheitstraumata für die Interaktion mit der Risikovariante verantwortlich sind. Zudem wäre es notwendig, die signifikanten Persönlichkeitsmerkmale der Gen-Umwelt Interaktion auf ihre klinische Relevanz im Alltag zu überprüfen. Dabei sollte bedacht werden, dass nur ein Einzelnukleotidpolymorphismus eines Gens getestet wurde und somit nur ein Basenpaartausch eines kompletten Gens untersucht wurde. Dadurch ist die Aussagekraft der Ergebnisse einzuschränken. Insofern ist eine weitere Beurteilbarkeit bezüglich klinischer Relevanz zum jetzigen Zeitpunkt nicht abschließend möglich. Weitergehend wäre es erforderlich, ob die Gen-Umwelt Interaktion als weiterer Risikofaktor für den Ausbruch einer psychiatrischen Erkrankung angesehen werden kann. Falls sich die Interaktion erneut bestätigen würde, wäre das Screening bei gesunden Probanden mit Kindheitstrauma auf die Risikovariante sicherlich zu erwägen, um präventiv vor dem Ausbruch einer psychiatrischen Erkrankung zu handeln.
Physical Description:86 Pages
DOI:10.17192/z2023.0329