Auswirkungen einer PACAP-Gendefizienz auf Purkinjezell- Degeneration und Atrophie des Kleinhirns im Superoxiddismutase-1 Mausmodell der Amyotrophen Lateralsklerose

Die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) ist eine neurodegenerative Erkrankung. Hauptsymptom ist ein Verlust der Willkürmotorik, bedingt durch ein kontinuierliches Absterben motorischer Nervenzellen in Cortex, Hirnstamm und Rückenmark. Aktuell wird davon ausgegangen, dass sich die Pathologie der ALS nic...

Ausführliche Beschreibung

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Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Burrichter, Jannik
Beteiligte: Schütz, Burkhard (Prof. Dr.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2022
Schlagworte:
Online Zugang:PDF-Volltext
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Beschreibung
Zusammenfassung:Die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) ist eine neurodegenerative Erkrankung. Hauptsymptom ist ein Verlust der Willkürmotorik, bedingt durch ein kontinuierliches Absterben motorischer Nervenzellen in Cortex, Hirnstamm und Rückenmark. Aktuell wird davon ausgegangen, dass sich die Pathologie der ALS nicht nur auf Motoneurone beschränkt, sondern es sich um eine multisystemische Netzwerkerkrankung mit charakteristischer, gestörter Konnektivität handelt. Basierend auf einer genetischen Mutation, die in 20% aller vererbbaren ALS Fälle auftritt, hat die Etablierung des Superoxiddismutase 1 (SOD1) - transgenen Mausmodells im Jahr 1994 durch Gurney et al. wesentlich zur Aufklärung möglicher zugrunde liegender Pathomechanismen beigetragen. Das Neuropeptid Pituitary-adenylate-cyclase-activating-polypeptide (deutsch: Hypophysen-Adenylatcyclase-aktivierendes-Protein; PACAP) wurde initial aus dem Hypothalamus isoliert und gehört zu einer Genfamilie, der auch das Vasoaktive Intestinale Polypeptid (VIP), Secretin, das Wachstumshormon (GH) sowie Glucagon angehören. PACAP besitzt verschiedene neuroprotektive, aber auch neuroinflammatorische Funktionen und Auswirkungen auf das ZNS und ist in akuten und chronischen neurodegenerativen Erkrankungen wie der ALS eingebunden. Diese Arbeit beschäftigte sich mit den Auswirkungen einer PACAP-Defizienz im SOD1 (G93A)-Mausmodell der ALS mit Fokus auf mikro- sowie makroskopische Veränderungen im Kleinhirn. Hierzu besaßen die untersuchten Mausgruppen die genetische SOD1-Mutation, einen PACAP-Knockout oder beide Faktoren und es wurden Auswirkungen zu den zwei Messzeitpunkten des präsymptomatischen Stadiums (p60/70) und Endstadium (p120) ausgewertet. Histologisch wurden für die eingebundenen Kleinhirngewebeproben die Purkinjezellen gezählt sowie eine mögliche makroskopische Atrophie des Kleinhirns (anhand Querdurchmesser und Länge) im MRT beurteilt. Abschließend wurde ein Vergleich zwischen der histologischen Schnittführung durch das Mikrotom und der MRT-Diagnostik anhand einer Flächenberechnung im Sagittalschnitt unternommen. In der Purkinjezellanalyse führte eine monofaktorielle SOD1-Mutation oder der alleinige PACAP-Knockout zu beiden Messzeitpunkten zu keinem Purkinjezelluntergang im Vergleich zum Wildtyp. Das Vorhandensein der SOD1-Mutation bei bestehendem PACAP-Knockout (WT/KO vs. SOD1/KO) im Frühstadium führte zu einer verringerten Purkinjezellzahl. Beim Vergleich der Gruppen SOD1/WT vs. SOD1/KO trat dieser Effekt weder im Früh- und Endstadium auf. Der im MRT berechnete Querdurchmesser des Kleinhirns zeigte für die reine SOD1-Mutation (WT/WT vs. SOD1/WT) zum p60/70- und Endstadium-Zeitpunkt eine signifikante makroskopische Atrophie. Für den alleinigen PACAP-Knockout war dies im Querdurchmesser nicht zu beobachten. In der berechneten Länge des Kleinhirns zeigte sich hingegen nur die Gruppe des alleinigen PACAP-Knockouts (WT/WT p60/70 vs. WT/KO p60/70) als signifikant atroph. Diese Atrophie konnte in der Kleinhirnlänge nicht für die SOD1-Mutation zum p60/70- oder Endstadium-Zeitpunkt (WT/WT p60/70 vs. SOD1/WT p60/70 oder SOD1/WT p60/70 vs. SOD1/WT Endstadium) repliziert werden. Diese MRT-Ergebnisse deuteten auf einen möglichen Gewebeuntergang bei Defizienz bzw. neuroprotektive Wirkung bei normaler Funktion, möglicherweise auch auf die Zellgenese sowie den Zelluntergang des Kleinhirns, hin. Diese Diagnostikmethode könnte zudem, übertragen auf den Menschen, in der ALS-Kleinhirndiagnostik in vivo sinnvoll sein und für zukünftige Studien forciert genutzt werden. Im letzten Schritt dieser Arbeit wurde verglichen, inwieweit eine makroskopische Atrophie durch Flächenberechnung des SOD1-mutierten sowie PACAP-defizienten Kleinhirns gleichwertig durch Histologie und Radiologie beurteilt werden kann. Histologisch konnte die Nutzbarkeit einer Flächenberechnung für die ALS ausschließlich im präsymptomatischen ALS-Verlauf (p60/70-Zeitpunkt) bewiesen werden. Alleinig PACAP-Knockout Mäuse im ALS-Frühstadium (WT/KO p60/70) zeigten signifikant atrophe Kleinhirne in der Fläche. In der PACAP-Knockout-Endstadium-Gruppe, aber auch für den Monofaktor der SOD1-Mutation konnte zu beiden Messzeitpunkten diese Signifikanz nicht bestätigt werden. In der MRT-Flächenberechnung war zum p60/70-Zeitpunkt sowohl für die alleinig PACAP-Knockout-, als auch die SOD1-mutierten Tiere eine signifikante Atrophie des Kleinhirns nachweisbar. Alleinig der Unterschied von SOD1/WT p60/70 vs. SOD1/WT Endstadium zeigte keine Progredienz in der Flächenatrophie. Zusammenfassend erscheint mit beiden Diagnostikmethoden im Frühstadium der ALS eine Analyse der Kleinhirnfläche sinnvoll. Im Unterschied zu der histologischen Schnittführung war jedoch im MRT auch eine Wirkung durch die SOD1-Mutation eindeutig nachzuweisen. Zudem liegt der unumstrittene Vorteil der MRT bei der Möglichkeit der in vivo Diagnostik, welche auch für den Menschen anwendbar ist. Somit scheint im Vergleich zum bewährten histologischen Schnitt, die Nutzung der radiologischen Bewertung des Kleinhirns im SOD1-Mausmodell der Amyotrophen Lateralsklerose sinnvoll und könnte zukünftig eine größere Rolle in der Forschungsdiagnostik spielen.
Umfang:86 Seiten
DOI:10.17192/z2022.0283