Agroforestry and Ecosystem Services: Value Capture in Silvopastoral Food Production Systems in Italy

Since the second world war, agriculture in Europe has been subject to changing and increasingly conflicting pressures. Until the 1980s, European but also national agricultural policies followed a productivist approach focusing mainly on the increase of productivity. For the farming sector this has b...

Ausführliche Beschreibung

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Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Röhrig, Nina
Beteiligte: Hassler, Markus (Prof. Dr.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Englisch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2020
Schlagworte:
Online Zugang:PDF-Volltext
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Seit dem Ende des zweiten Weltkriegs ist der landwirtschaftliche Sektor zunehmend verschiedenen, teils widersprüchlichen, Anforderungen ausgesetzt. Bis in die 1980er Jahre hinein verfolgte die Politik auf EU-Ebene, aber auch in vielen Nationalstaaten, einen produktivistischen Ansatz mit Fokus auf der Steigerung von Produktivität. Für landwirtschaftliche Betriebe bedeutete dies eine Zeit starker Modernisierung, die vor allem durch Intensivierung, Spezialisierung und Konzentration im Landwirtschafts- und Nahrungsmittelsektor geprägt war. Betriebe gerieten zunehmend unter starken Anpassungsdruck und wurden abhängiger von sowohl Zulieferern (z. B. für Betriebsmittel oder Kapital) als auch Abnehmern des Lebensmitteleinzelhandels und der -industrie. Seit den 1980ern wurden die negativen Auswirkungen dieser Form der landwirtschaftlichen Produktion zunehmend wahrgenommen, was z. B. zu Reformen in der gemeinsamen Agrarpolitik auf EU-Ebene führte. Auch wenn sich daraufhin in einigen Regionen eine Extensivierung und Diversifizierung der Produktion feststellen ließ, so kann heute dennoch keine komplette Umkehr der produktivistischen Strukturen in der Landwirtschaft festgestellt werden. Die Notwendigkeit, landwirtschaftliche Systeme nachhaltig umzugestalten ergibt sich aus den vielfältigen Herausforderungen, vor denen nicht nur die Landwirtschaft noch immer steht wie z. B. die Mitigation von bzw. Anpassung an den Klimawandel, Biodiversitätsverlust und Umweltverschmutzung. In dem Zusammenhang ist die Betrachtung von alternativen, umweltfreundlichen Anbauverfahren wie Agroforstsystemen von zentraler Bedeutung. In diesen Systemen werden die landwirtschaftliche Produktion wie Viehhaltung (silvopastoral) oder Ackerbau mit dem Anbau bzw. der Nutzung von Bäumen auf derselben Fläche kombiniert. Während dies die Flächeneffizienz steigert, können sich aus den Interaktionen der verschiedenen Systemelemente auch einige ökologische Vorteile oder Ökosystemdienstleistungen ergeben (z. B. Reduzierung von Bodenerosion, effizientere Nährstoffnutzung und weniger -auswaschung, Steigerung der Biodiversität, Verbesserung des Wasserhaltevermögens und somit Prävention von Überflutung). Darüber hinaus ermöglichen Agroforstsysteme auch eine Diversifizierung von landwirtschaftlichen Einkommen. Um Landwirte und Landwirtinnen zu motivieren, auf umweltfreundliche Alternativen zum dominierenden Landwirtschaftsmodell umzustellen, bedarf es der Überwindung ideologischer, aber auch praktischer Herausforderungen. Forschung zu den Einstellungen von Landwirten und Landwirtinnen und anderen Interessensgruppen zeigt, dass sich Agroforstwirtschaft in einem Spannungsfeld zwischen der Wahrnehmung von positiven Umweltleistungen und Bedenken hinsichtlich eines größeren Arbeitsaufwandes durch neue Praktiken bewegt. Ein besseres Verständnis von Vermarktungsmöglichkeiten wird in diesem Zusammenhang als eine Option erachtet, um Transitionen in diesem Bereich zu fördern. Aus diesem Grund untersucht diese Dissertation, welche Strategien von Landwirtinnen und Landwirten in silvopastoralen Agroforstsystemen angewendet werden, um ihre Produkte und die damit verbundenen Ökosystemdienstleistungen zu vermarkten. Im Fokus stehen hier zunächst die Bildung, Steigerung und Erfassung von Werten. Eine Schwierigkeit in der Analyse von ökologischen Produktionssystemen ist, dass viele ihrer Vorteile immateriell sind, was die wirtschaftliche Inwertsetzung erschwert. Gleichzeitig kann gerade diese aber als Anreiz für die Umstellung auf nachhaltige landwirtschaftliche Verfahren verstanden werden. Vor dem Hintergrund, dass Konsumenten und Konsumentinnen verstärkt auf regionale und umweltfreundliche Alternativen zur konventionellen Produktion von Lebensmitteln achten, liegt ein weiterer Schwerpunkt der Analyse auf der Vermarktung in alternativen Lebensmittelnetzwerken und den Vorteilen bzw. Herausforderungen, die sich hieraus ergeben. Des Weiteren wird die Rolle, welche Agroforstsystemen in der Transition zu einem nachhaltigen Nahrungssystem generell zukommen kann, analysiert. In Zeiten anhaltender Fragmentierung, Spezialisierung und Globalisierung von wirtschaftlichen Prozessen im Nahrungs- und Landwirtschaftssektor bedarf es Analyseinstrumenten, die es ermöglichen, wirtschaftliche Strukturen und Prozesse ganzheitlich zu erfassen. Es ist nötig, in Konzepten zu denken, die über betriebswirtschaftliche Untersuchungen hinausgehen. Aus diesem Grund bilden die Theorien der Globalen Wertketten (z. B. Gereffi et al. 2005) und Globalen Produktionsnetzwerke (z. B. Henderson et al. 2002) die Basis für die Analyse in dieser Dissertation. Darüber hinaus wurden die theoretischen Konzepte zu alternativen Lebensmittelnetzwerken und sozio-technologischen Transitionen (z. B. Geels 2002) hinzugezogen, um die zugrundeliegenden Bedingungen und Konsequenzen von verschiedenen Vertriebswegen besser einordnen zu können und abzuschätzen, inwiefern die Positionierung der Landwirte und Landwirtinnen im weiteren Lebensmittelnetzwerk zu dessen nachhaltiger Transition beitragen kann. Diese kumulative Dissertation besteht aus drei Forschungsartikeln, die auf für die Analyse erhobenen qualitativen Daten basieren. Der erste Artikel “Capturing the Value of Ecosystem Services from Silvopastoral Systems: Perceptions from Selected Italian Farms” befasst sich mit der Entstehung, Definition und Erfassung von Wert in silvopastoralen Systemen und ist damit eng mit der Analysekategorie “Wert” aus dem GPN Ansatz verknüpft. Zunächst wurde untersucht, ob und wie die befragten Landwirte und Landwirtinnen (ökologische) Vorteile ihrer Agroforstsysteme wahrnehmen und wie sie diese definieren. Basierend auf den Unterkategorien der GPN Analysekategorie “Wert” wurde in einem zweiten Schritt untersucht, ob und unter welchen Bedingungen diese wahrgenommenen Vorteile oder Werte vermehrt und durch den Verkauf abgegriffen werden bzw. erhalten bleiben. Des Weiteren wurden Möglichkeiten diskutiert, wie Ökosystemdienstleistungen durch die Produkte inwertgesetzt werden können. Der zweite Artikel “Silvopastoral production as part of alternative food networks: Agroforestry systems in Umbria and Lazio, Italy” untersucht die Entscheidungen für den Vertrieb der Produkte aus den untersuchten silvopastoralen Systemen auf alternativen oder konventionellen Vermarktungswegen. Während die Analyse im ersten Artikel stark auf die einzelnen Betriebe beschränkt war, wird diese im zweiten Artikel auf einen regionalen, nationalen und teilweise sogar internationalen Kontext ausgedehnt. Konzeptionell ist der Artikel in den Kontext von alternativen Lebensmittelnetzwerken und das wachsende Bewusstsein über Umweltproblematiken in der Landwirtschaft eingebettet. Vor diesem Hintergrund wurde untersucht wie Landwirte und Landwirtinnen ihre Produkte verkaufen und ob sie Teil von alternativen Lebensmittelnetzwerken sind. Der dritte Artikel “Niche formation in agroforestry: considerations from silvopastoral systems in central Italy” analysiert inwiefern die untersuchten Systeme Einfluss auf eine nachhaltige Veränderung auf das weitere Nahrungs- und Landwirtschaftssystem nehmen können. Basierend auf den theoretischen Konzepten von Nachhaltigkeitstransitionen und der Multi-Level Perspektive werden die Positionierung der Landwirte in Bezug auf Regime und Nischen sowie Möglichkeiten und Hindernisse für das Herbeiführen von nachhaltigen Veränderungen auf Ebene des weiteren Nahrungssystems untersucht. Die Ergebnisse dieser Dissertation lassen sich wie folgt zusammenfassen: (1) Die Wahrnehmung von ökologischen Vorteilen der Agroforstsysteme war zwischen den Landwirten und Landwirtinnen unterschiedlich ausgeprägt und nur einige unter ihnen schienen diese in ihren positiven Auswirkungen anzuerkennen. Das deutet auf ein bisher ungenutztes Potential in Bezug auf die Wertsteigerung durch die Einbindung von Ökosystemdienstleistungen in den Wert von Produkten hin. (2) Die Prozesse in den Agroforstsystemen haben dennoch einen Einfluss auf den Wert bzw. die Rentabilität der Produkte, da zum einen die Zahl von und somit Kosten für externe Inputs reduziert werden konnten und die silvopastorale Produktion in einigen Fällen die Produktqualität erhöhen konnte (z. B. verbesserter Nährstoffgehalt; Umweltfreundlichkeit). (3) Die Art des Verkaufs ist ausschlaggebend für die Vermarktung von bestimmten Qualitätsattributen. Alle Betriebe verkaufen ihre Produkte zumindest teilweise in alternativen, direkten Kanälen (z. B. Ab-Hof-Verkauf, Lieferung an Privathaushalte, eigene Geschäfte in Städten). Der Verkauf findet darüber hinaus auch im nationalen und internationalen Kontext statt. (4) Das Fehlen eines Agroforst-Labels wurde als Hindernis für die Vermarktung von ökologischen Vorteilen aus diesen Systemen über weitere Distanzen verstanden. (5) Das Vorhandensein von Mischformen von konventionellen und alternativen Zulieferern und Vermarkungswegen deutet auf die Grenzen von regionalisierten Lebensmittelsystemen bezüglich einer limitierten Zahl von Konsumenten und Konsumentinnen sowie der Verfügbarkeit von Betriebsmitteln hin. Das alternative Lebensmittelnetzwerk ist somit weiterhin stark vom konventionellen Landwirtschaftssystem beeinflusst. (6) Auch wenn die Landwirte und Landwirtinnen eine Form der Landwirtschaft betreiben, die stark vom industrialisierten System abweicht, ist dies nicht genug, um vom Vorhandensein einer “Agroforst-Nische” zu sprechen. Vielmehr bewegt sich das System am Rand des vorhandenen Lebensmittel- und Landwirtschaftsregimes. Der Beitrag zu einer nachhaltigen Transition des Landwirtschaftsregimes ist damit begrenzt. Eine bessere Kooperation zwischen Akteuren aus dem Agroforstbereich wäre ein möglicher erster Schritt, um Lernprozesse zu fokussieren und Aufmerksamkeit auf Regimeebene zu erzeugen.