Inter-Community Cooperation in Ethnically Plural Societies. Shi`i-Maronite Relations and the Alliance between the Free Patriotic Movement and Hizbullah in Lebanon

At the intersection of political science, history and social anthropology, this dissertation asks for the givens and conditions of inter-communal cooperation in the ethnically-plural setting of Lebanon. It explores the social base of the party alliance between the mainly Maronite Christian Free Patr...

Ausführliche Beschreibung

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Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Sakmani, Manuel Samir
Beteiligte: Ouaissa, Rachid (Prof. Dr.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Englisch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2020
Schlagworte:
Online Zugang:PDF-Volltext
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An der Schnittstelle von Politikwissenschaft, Geschichte und Sozialanthropologie angesiedelt fragt diese Dissertation nach den Gegebenheiten und Bedingungen inter-kommunitärer Kooperation in der ethnisch-pluralen Gesellschaft des Libanon. Sie untersucht die soziale Basis des Parteienbündnisses zwischen der mehrheitlich maronitisch-christlichen Freien Patriotischen Bewegung (Free Patriotic Movement [FPM]) und der schiitisch-muslimischen Hizbullah ("Partei Gottes"), das 2006 mit der Unterzeichnung eines Memorandum of Understanding (MoU) durch deren Vorsitzende ins Leben gerufen wurde. Sie analysiert dabei die Entstehung dieser Allianz vor dem historischen Hintergrund der maronitisch-schiitischen Beziehungen auf dem Territorium des heutigen Libanon seit dem späten 7. Jahrhundert, stellt ihre Entwicklung und Auswirkungen dar und rekonstruiert das soziale Gefüge und die Motive der Unterstützer. Der Kernzeitraum der Untersuchung erstreckt sich von Mai 2005 bis Mai 2018, beginnend mit den Konsultationen zur Unterzeichnung des MoU bis zu den libanesischen Parlamentswahlen von 2018 und deren unmittelbaren Nachwirkungen. Seit den 1960er Jahren entwickelten schiitische Akteure ein eigenes national-libanesisches Narrativ, welches sie dem seinerzeit vorherrschenden, maronitisch gefärbten nationalistischen Diskurs entgegensetzten. Seit dem Ende des libanesischen Bürgerkriegs (1975-90) spielte hierbei die Hizbullah eine wichtige Rolle. Mit der Präsenz der syrischen Armee in großen Teilen des Landes hatten sich die Machtverhältnisse, zum ersten Mal im modernen Libanon, zugunsten der schiitischen Gemeinschaft verschoben. Ihr revisionistischer Ansatz erhielt nun sowohl syrische als auch offizielle libanesische Unterstützung. Die ehemals privilegierte maronitische Gemeinschaft stellte derweil den Großteil der Opposition und erlebte somit das genaue Gegenteil. Dennoch gingen in der Folge des syrischen Abzugs von 2005 die nominell säkularen Christen der FPM – bekannt für ihre entschiedene Opposition gegen die syrische Vorherrschaft – und die "pro-syrischen" bewaffneten Islamisten der Hizbullah eine bis dahin undenkbare Allianz ein, die seither große Teile der libanesischen schiitischen und maronitischen Gemeinschaften sowie andere Christen mit einbezieht. Das Bündnis überstand die Stürme des Julikriegs 2006 (Israel vs. Hizbullah/Libanon) und die Spillover-Effekte des Bürgerkriegs im benachbarten Syrien (seit 2011), in den die Hizbullah seit 2013 auch offiziell verwickelt ist. Vor diesem Hintergrund sind Vorstellungen, nach welchen sich die Beziehungen zwischen den Gemeinschaften in der Region als ein permanentes Nullsummenspiel mit sektiererischem Charakter darstellen, einer Revision zu unterziehen. Die vorliegende Dissertation argumentiert, dass das Bündnis, das sich mit dem MoU formierte, mehr ist als ein opportunistisches Elitenprojekt, zumal die Basis beider Parteien einen wichtigen Anteil daran hat. Es kann auch nicht primär als "Minderheitenbündnis" erklärt werden, da gemeinsame Interessen, Bedürfnisse und Werte der beteiligten Wählergruppen eine entscheidende Rolle spielen. Die Ergebnisse, die das Bündnis auf der inter-kommunitären und zwischenmenschlichen Ebene hervorbrachte, stellen zudem verbreitete Axiome über die konfliktträchtige Koexistenz von Religionsgemeinschaften im Libanon und im Nahen Osten grundsätzlich in Frage. Tatsächlich stellte die gleichzeitige Zugehörigkeit der Kernwählerschaft von FPM und Hizbullah zu unterschiedlichen Religionen und divergierenden sozio-kulturellen Milieus weder ein grundsätzliches Hindernis für die enge politische Zusammenarbeit der Parteien noch für die fortschreitende soziale Integration ihrer Basis dar. Entgegen gängiger Vorstellungen offenbaren die Ergebnisse dieser Arbeit eine Sphäre des Sozialen im Libanon, in die weder Konfessionalismus noch Klientelismus jemals erfolgreich eingedrungen sind. Der angewandte theoretische Rahmen erfasst diese Sphäre als "Feld der inter-kommunitären Beziehungen", unter Rückgriff auf die Feldtheorie von Pierre Bourdieu (1930-2002).