Zusammenfassung:
Der Transport von Proteinen in membranbegrenzte Organellen, wie Mitochondrien oder Peroxisomen wird über spezifische Zielsteuerungssignale erreicht. Wie Proteine mit Signalen für zwei Organellen in der Zelle verteilt werden und wie sich dies auf die subzelluläre Organisation von Organellen auswirkt wurde bislang wenig erforscht. In vorherigen Studien wurde gezeigt, dass die Phosphatase Ptc5 in Saccharomyces cerevisiae, die ein N-terminales Signal für Mitochondrien und ein C-terminales Signal für Peroxisomen aufweist, zunächst in die Mitochondrien inseriert, dort prozessiert und anschließend in die Peroxisomen überführt wird.
In dieser Arbeit wurde untersucht, ob Proteine mit Zielsteuerungssignalen für Peroxisomen und Mitochondrien aufgrund ihrer Affinität zu beiden Importmaschinerien als Verbindungselemente (sog. Tether) zwischen diesen Organellen fungieren können und ihren physikalischen Kontakt beeinflussen. Ein weiteres Ziel dieser Arbeit bestand in der Identifizierung und funktionellen Charakterisierung von Proteinen, die an der peroxisomalen Translokalisierung von Ptc5 beteiligt sind.
Es konnte gezeigt werden, dass Proteine mit dualen Lokalisierungssignalen die Bildung von Organellkontakten induzieren. Ihre Überexpression steigerte den Anteil von Peroxisomen in Assoziation mit Mitochondrien. Dieser Phänotyp konnte sowohl durch Fluoreszenz- als auch Elektronenmikroskopie nachgewiesen werden. Es fiel auf, dass die Assoziation von Organellen in Abhängigkeit des metabolischen Zustands der Zelle reguliert wird. Kontakte bildeten sich vermehrt unter Bedingungen, in denen Peroxisomen metabolisch aktiv waren (beispielsweise während der Lysinbiosynthese oder beim Wachstum mit Ölsäure als Kohlenstoffquelle). Insbesondere Proteine mit ausgeprägter mitochondrialer Verankerung und ohne bzw. schwacher peroxisomaler Translokalisierung wirkten als starke Tether.
Die Phosphatase Ptc5 aus Saccharomyces cerevisiae translokalisiert aus Mitochondrien in Peroxisomen, ist aber kein starker Tether. In einem genetischen Screen wurden Mutanten identifiziert, die die peroxisomale Lokalisierung von Ptc5 beeinträchtigen. Von Interesse war hierbei insbesondere die Identifizierung von Δmdm10-Mutanten. Mdm10 ist Teil des ERMESKomplexes, der ER und Mitochondrien verbindet und Lipidtransfer zwischen beiden Organellen ermöglicht. Im Einklang mit vorherigen Studien zeigte diese Arbeit die Rolle von ERMES bei der Entstehung von Kontakten zwischen Mitochondrien und Peroxisomen. Ein künstlicher Tether für beide Organellen supprimierte die Peroxisomen-spezifischen Phänotypen der Deletion von MDM10. Auch die peroxisomale Translokalisation von Ptc5 war in diesen Zellen wieder möglich. Der direkte Proteintransfer aus Mitochondrien in die Peroxisomen erfordert demnach physischen Kontakt.
ERMES-Komponenten akkumulierten außerdem an Knotenpunkten zwischen dem ER, Peroxisomen und Mitochondrien. Ob der ERMES-Komplex direkt als molekularer Tether für Peroxisomen fungiert oder diese Funktion indirekt über ERMES-abhängige Proteine vermittelt wird, konnte in dieser Arbeit nicht endgültig geklärt werden. In ERMES-Mutanten zeigten viele Proteine mit dualen Zielsteuerungssignalen eine Fehllokalisation, was wahrscheinlich zu einer Einschränkung ihrer Funktionalität als Tether führt. Dies ist ein Hinweis auf einen indirekten Beitrag von ERMES für die Bildung von Kontakten zwischen Peroxisomen und Mitochondrien. Zusammenfassend konnte mit dieser Arbeit ein wichtiger Beitrag zum Verständnis der Organisation eukaryotischer Zellen geleistet werden. Ein Transit von Proteinen aus Mitochondrien in Peroxisomen war bis 2020 unbekannt. Es gelang die Charakterisierung neuer Faktoren, die an diesem Prozess beteiligt sind. Zudem konnte gezeigt werden, dass Proteine mit zwei Zielsteuerungssignalen häufig als molekulare Tether fungieren. Dies offenbarte einen bisher kaum erforschten Mechanismus zur Bildung von Kontaktstellen zwischen Organellen.