Zusammenfassung:
Naturstoffe, die aus dem Sekundärmetabolismus stammen werden von Organismen nicht unbedingt zum Überleben, der Reproduktion oder der Differenzierung benötigt, bieten aber dennoch einen signifikanten Selektionsvorteil in der Konkurrenz mit anderen Lebewesen. Daraus resultiert, dass viele dieser Naturstoffe in Organismen bestimmte biologische Aktivitäten aufweisen. Durch die biologische Aktivität vieler dieser Substanzen ist beispielsweise der pilzliche Sekundärmetabolismus eine attraktive Quelle für die Entdeckung und Entwicklung neuer Arzneimittel. Bisher wurde nur ein Bruchteil aller existierenden Pilze identifiziert, was bedeutet, dass noch immer ein enormes ungenutztes Potenzial für die Herstellung pharmazeutisch nutzbarer Naturstoffe vorhanden ist. Dieses Potenzial kann durch verschiedene bioinformatische, molekularbiologische und biochemische Ansätze zugänglich gemacht werden.
Die Entdeckung biosynthetischer Gene für Sekundärmetabolite in Pilzen wird dadurch erleichtert, dass relevante Gene für die Herstellung einer Verbindung nebeneinander an einem bestimmten Lokus auf dem Chromosom vorliegen, d.h. sie sind geclustert. Diese biosynthetischen Gencluster (BGCs) enthalten ein oder mehrere Gene, deren Proteinprodukte für die Bildung des Kohlenstoffrückgrats des jeweiligen Stoffs verantwortlich ist. Dieses Rückgrat wird durch weitere, im Cluster kodierte, modifizierende Enzyme strukturell diversifiziert. In dieser Arbeit wurden die BGCs für zwei unterschiedliche Naturstoffe und ihre Analoga in dem Ascomyceten Aspergillus ruber identifiziert und bestätigt. Außerdem wurden einzelne Schritte in diesen Stoffwechselwegen näher untersucht.
Das Salicylaldehydderivat Flavoglaucin und seine Analoga unterscheiden sich nur in der Anzahl und Position der Doppelbindungen in der Heptyl-Seitenkette. In vorangegangenen Studien wurde gezeigt, dass einige dieser Substanzen biologisch aktiv sind, indem sie beispielsweise als Antioxidantien wirken, antiinflammatorische Effekte vorweisen oder auch an humane Opioid- und Cannabinoidrezeptoren binden. Obwohl Flavoglaucin und seine Analoga schon 1934 zum ersten Mal beschrieben wurden, war bis zur Veröffentlichung der in dieser Arbeit beschriebenen Daten nicht viel mehr über ihre Biosynthese bekannt, als dass sie Produkte des Polyketidstoffwechsels sind. Durch Genome Mining konnte in dieser Arbeit ein Gencluster (fog-Cluster) im Genom von A. ruber identifiziert werden, der alle nötigen Gene für die Biosynthese dieser Stoffe enthält. Die heterologe Expression dieses BGC im Modellorganismus Aspergillus nidulans bestätigte, dass der fog-Cluster für die Bildung von Flavoglaucin und seinen Analoga verantwortlich ist. Gendeletionen in dem heterologen Expressionsstamm, die Überexpression des Gens für die hoch-reduzierende Polyketidsynthase (HR-PKS) fogA in A. nidulans, in vitro-Enzymassays mit der Prenyltransferase FogH und Fütterungsexperimente zur Untersuchung der FAD-abhängigen Oxidoreduktase FogF zeigten einen ungewöhnlichen Weg hin zum finalen Aldehydprodukt. Das Polyketidgrundgerüst wird von FogA in Kooperation mit dem Cupin FogC und den kurzkettigen Dehydrogenasen/Reduktasen FogB und FogD reduktiv als Salicylalkohol entlassen, nur um nach der C3-Hydroxylierung durch das Cytochrom P450 (CYP) FogE und die C5-Prenylierung durch FogH von FogF wieder zu einem Aldehyd oxidiert zu werden. Diese Reoxidation ist bemerkenswert, da die Freisetzung des Produkts von einer HR-PKS für gewöhnlich hydrolytisch als Carbonsäure oder reduktiv allerhöchstens als Aldehyd erfolgt. Die Modifikation der Intermediate vor der Reoxidation erfordert scheinbar die Hydroxymethylgruppe des Salicylalkohols, denn eine Prenylierung des synthetisierten Aldehyd-Substratanalogs durch FogH findet nicht statt. Diese Arbeit wurde in Kooperation mit Frau Dr. Huomiao Ran durchgeführt. Die Biosynthese von Flavoglaucin weist einige Parallelen zu denen von Sordarial in Neurospora crassa und Trichoxid in Trichoderma virens auf, unterscheidet sich aber neben der Prenylierung signifikant durch die finale Reoxidation und die Variabilität des Sättigungsmusters in der Heptyl-Seitenkette.
In dieser Arbeit wurde auch die Biosynthese von Indolalkaloiden der Echinulin-Familie näher untersucht. Aus einer vorigen Studie war bekannt, dass zwei Prenyltransferasen EchPT1 und EchPT2 jeweils die reverse C2-Prenylierung und mehrere konsekutive reguläre Prenylierungen des Indolrings des zyklischen Dipeptids aus L-Tryptophan und L-Alanin katalysieren. Die Einführung einer oder zwei exo-Doppelbindungen an den Substituenten um den 2,5-Diketopiperazinring durch eine CYP aus dem identifizierten BGC wurde jedoch nur vermutet. Durch heterologe Expression des postulierten ech-BGCs in A. nidulans konnte diesem Cluster die Bildung von Substanzen der Echinulin-Familie eindeutig zugewiesen werden. Dabei wurden allerdings nur Substanzen ohne Doppelbindung (Echinulin-Serie) und mit einer (∆10) Doppelbindung am Tryptophansubstituenten (Neoechinulin A-Serie) gebildet. Das Enzym für die Einführung der zweiten (∆14) Doppelbindung am Alaninsubstituenten (Neoechinulin B-Serie) scheint nicht durch die Gene des Clusters kodiert zu werden. Auch die Erweiterung des exprimierten BGCs um drei weitere potenzielle Oxidoreduktasen stromabwärts des ech-Clusters resultierte nicht in der Produktion von Substanzen mit beiden Doppelbindungen. Fütterungsexperimente bestätigten die Einführung der ∆10-Doppelbindung durch die im ech-Cluster kodierte CYP EchP450, aber widerlegten die Hypothese, dass EchP450 auch die Bildung der ∆14-Doppelbindung katalysiert. Weitere in vitro-Enzymassays mit der Prenyltransferase EchPT2 zeigten deutlich ihre Präferenz gegenüber Substraten ohne exo-Doppelbindung, was in gewissem Maße zur Erklärung der Verhältnisse zwischen den verschiedenen Substanzen der Echinulin-Familie in A. ruber beiträgt.