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Titel:Evaluation psychometrischer Verfahren zur Verbesserung der Diagnostik von ADHS im Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalter
Autor:Schmidt, Martin Harald
Weitere Beteiligte: Christiansen, Hanna (Prof.)
Veröffentlicht:2017
URI:https://archiv.ub.uni-marburg.de/diss/z2017/0250
DOI: https://doi.org/10.17192/z2017.0250
URN: urn:nbn:de:hebis:04-z2017-02507
DDC:150 Psychologie
Titel (trans.):Evaluation of psychometric procedures to improve the diagnosis of ADHD in childhood, adolescence and adulthood
Publikationsdatum:2017-06-12
Lizenz:https://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/4.0

Dokument

Schlagwörter:
Diagnosis, Kulturelle Variation, ADHS, Diagnostik, Differentialdiagnostik, Neuropsychologische Testverfahren, ADHD

Zusammenfassung:
Bei der Aufmerksamkeitsdefizit–/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) handelt es sich um eine der weltweit häufigsten psychischen Störungen mit Beginn im Kindes- und Jugendalter,welche oft bis ins Erwachsenenalter hinein persistiert. Die aus den Kernsymptomen Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität entstehenden Verhaltens- und Erlebensweisen verursachen bedeutsames Leiden bei Betroffenen, deren Familien sowie deren schulischem bzw. beruflichem Umfeld. Weiterhin ist die Wahrscheinlichkeit der Entwicklung komorbider psychischer Störungen bei von ADHS betroffenen Menschen deutlich erhöht, was den Leidensdruck der Betroffenen und des Umfeldes zusätzlich intensiviert. In diesem Zusammenhang wird die massive Belastung der Gesundheitssysteme durch ADHS deutlich. Eine zuverlässige Diagnostik der Störung im Kindesalter ist aufgrund der Überlappung der Kernsymptomatik der ADHS mit zentralen Symptomen anderer psychischer Störungen (beispielsweise Konzentrationsschwierigkeiten bei Depressionen), vor allem in Hinblick auf die noch eingeschränkte Introspektionsfähigkeit jüngerer Kinder und die hohe Reaktivität von Kindern und Jugendlichen auf Störungen der familiären Strukturen (im Sinne des Indexpatienten der systemischen Therapie), äußerst anspruchsvoll. Mit zunehmendem Alter besteht bei bis dato unentdeckter ADHS zudem das Risiko der Entwicklung einer komorbiden psychischen Erkrankung, die die zugrunde liegende Störung gegebenenfalls überdeckt. Diagnostische Instrumente müssen demzufolge einerseits ein hohes Maß an Sensitivität für die Erfassung der Symptomatik, andererseits ein hohes Maß an Spezifität in Abgrenzung zu problematischen Verhaltens- und Erlebensweisen, welche besser durch andere psychische Störungen oder problematische Lebensumstände erklärt werden können, aufweisen. Im Rahmen der länderübergreifenden Forschung wird weiterhin deutlich, dass es kulturelle Unterschiede bei der Beurteilung der Qualität und Intensität von ADHS-Kernsymptomen gibt, also welches Verhalten vom sozialen Umfeld als „problematisch“ erlebt wird. Beispielsweise berichten in Deutschland lebende Familien mit Migrationshintergrund insgesamt häufiger ADHS-Symptome ihrer Kinder, die aber wiederum seltener diagnostiziert werden (Huss et al., 2008). In diesem Zusammenhang muss also überprüft werden, ob sich ein psychometrisches Testverfahren zur Diagnose der ADHS für eine möglichst große Population als ausreichend valide und reliabel erweist, oder ob es eventuell an Subgruppierungen (bspw. nach Geschlecht oder kulturellem Hintergrund) entsprechend angepasst werden muss. Selbst- und Fremdbeurteilungen von Verhalten und Erleben mithilfe von Fragebögen zählen zu den am häufigsten eingesetzten Verfahren zur Erfassung von ADHS-Symptomen, sowohl im Kinder- als auch Erwachsenenalter, weswegen sich der erste Artikel (Schmidt, Reh, Hirsch, Rief, & Christiansen, 2013) dieser Arbeit den möglichen Einflüssen kultureller Variation auf die Zuverlässigkeit der Conners-3 Skalen (Conners, 2008), einem verbreiteten Fragebogen zur Erfassung von ADHS im Kindesalter, widmet. Zu diesem Zweck wurde eine Gruppe in Deutschland lebender Kinder mit türkischem Migrationshintergrund, sowie deren Eltern und Lehrer, untersucht. Die Auswertung der Daten ergab keinen relevanten Einfluss der Akkulturation bei der Bewertung der Symptome der Kinder, und zwar unabhängig davon ob die Beurteilung durch die Eltern oder die Lehrer stattfand. Zudem bestätigte die konfirmatorische Faktorenanalyse die Faktorenstruktur der amerikanischen Originalversion. Insgesamt scheinen die Conners-3 Skalen resistent gegenüber potentiellen Verzerrungen im Rahmen kultureller Variation zu sein, was für eine Eignung bei der Beurteilung von ADHS-Symptomen, unabhängig vom kulturellen Hintergrund der Kinder, spricht. Die retrospektive Diagnose von ADHS im Erwachsenenalter, einer Entwicklungsstörung mit Beginn in der Kindheit, wird durch die Überlappung der Kernsymptome mit derer verschiedener anderer psychiatrischer Störungen erschwert, beispielsweise Konzentrations-/Aufmerksamkeitsproblemen bei Depressionen oder Impulsivität bspw. bei Substanzbezogenen- und Verhaltenssüchten oder auch der Borderline-Persönlichkeitsstörung. Der zweite Artikel (Schmidt, Müller-Reh, Müller, Meyer, Rumpf & Christiansen) befasst sich mit der Problematik der Differentialdiagnostik von ADHS im Erwachsenenalter. Zu diesem Zweck wurde die Kurzversion der Conners Adult ADHS Rating Scales (CAARS-S), sowohl einer Gruppe von ADHS betroffenen Erwachsenen, als auch Probanden, welche von einer anderen mit mangelnder Impulskkontrolle assoziierten Störungen betroffen waren, vorgelegt. Die Ergebnisse der statistischen Auswertungdeuten auf eine insgesamt gute Eignung der CAARS-S hin, zwischen diesen Störungsbildern adäquat zu differenzieren. Im Besonderen gilt dies für die Subskala ADHS-Index, deren alleinige Verwendung eine Genauigkeit der Zuordnung von immerhin 82,5% aufwies. Die leitliniengerechte Diagnostik von ADHS empfiehlt neben der Verwendung von Fragebögen auch den Einsatz neuropsychologischer Verfahren. Diese bieten den Vorteil einer stark erhöhten Objektivität gegenüber Fragebögen und klinischen Interviews bei der Erfassung der ADHS-Kernsymptomatik. Bislang fehlt es diesen Verfahren jedoch an ausreichend hoher Spezifität zur Differenzierung von ADHS und anderen klinischen Störungsbildern. Der Quantified Behavior-Test (Qb-Test; Ulberstad, 2012) ist, im Gegensatz zu herkömmlichen neuropsychologischen Verfahren, welche sich meist auf die Erfassung von Aufmerksamkeitsdefiziten und behavioraler Impulsivität beschränken, mit Hilfe einer Infrarotkamera in der Lage, auch die Bewegungen des Probanden während der laufenden Testung und somit motorische Auffälligkeiten zu erfassen. Faktorstruktur und psychometrischen Eigenschaften des Qb-Tests sind Thema des dritten Artikels (Reh, Schmidt, Lam, Schimmelmann, Hebebrand, Rief & Christiansen, 2013). Die mit einer großen Stichprobe durchgeführte explorative Faktorenanalyse identifizierte eine drei-faktorielle Struktur, die mit den ADHS-Kernsymptomen übereinstimmt. Dies ist ein erster Schritt zu einer Verbesserung der bestehenden objektiven neuropsychologischen Verfahren mit Hilfe des Qb-Tests. Insgesamt sprechen die vorliegenden Studienergebnisse für folgende Aussagen: 1.) die Conners-3 Skalen sind resistent gegenüber Verzerrungen durch kulturelle Variabilität und somit für den Einsatz in internationalen Studien zu ADHS geeignet; 2.) die Conners Adult ADHD Rating Scales, insbesondere die Subskala ADHS-Index, differenzieren ausreichend gut zwischen ADHS im Erwachsenenalter und anderen psychischen Störungen, welche mit einer Störung der Impulskontrolle assoziiert sind; und 3.) die ermittelte Faktorenstruktur des Qb-Tests spricht dafür, dass eine Verbesserung der objektiven Erfassung von ADHS-Kernsymptomendurch dieses Verfahren erreicht werden kann. Die Ergebnisse der Arbeiten liefern somit einen Beitrag zur Verbesserung der Diagnostik von ADHS im Kindes- und Erwachsenenalter.


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