Zusammenfassung:
Urkeimzellen haben innerhalb eines Organismus eine wichtige Aufgabe; ohne sie kann keine neue Generation entstehen. Ihre Entwicklung muss einer genauen Regulation unterliegen, da schon kleinste Fehler den Verlust der Fortpflanzungsfähigkeit bedeuten können. Über die an der Entwicklung der Urkeimzellen beteiligten Signalwege in Wirbellosen ist bisher nur wenig bekannt. Deshalb wurde hierzu Untersuchungen an dem marinen Polychaetne Platynereis dumerilii durchgefürht
Da in Vertebraten die Entwicklung der Urkeimzellen durch das Steroidhormon Estradiol beeinflusst werden konnte (Ge et al., 2012; La Sala et al., 2010), wurde untersucht, ob in Platynereis ein ähnlicher Effekt vorliegt. Tatsächlich konnten nach Behandlungen von 2 bis 24 h mit Estradiol Larven mit mehr als vier Urkeimzellen gefunden werden (Lidke et al, in press). Ebenso wie Estradiol erhöhte auchdas Xenoestrogens Ethinylestradiol die Anzahl der Urkeimzellen Eine Behandlung mit Estradiol nach 24 h ergab keine Larven mit erhöhter Anzahl von Urkeimzellen. Das Zeitfenster für die Empfindlichkeit der Embryonen für Estradiol ließ sich auf 4 h bis 9 h eingrenzen, d.h.die Urkeimzellen ließen sich nur zum Zeitpunktihrer Entstehung durch Estradiol beeinflussen. Der Estradiolrezeptor Inhibitor ICI182 780 konnte den durch Estradiol erzeugten Effekt blockieren. Dies zeigt, dass der Estradiolrezeptor an der Erhöhung der Urkeimzellen-Anzahl beteiligt ist. Um zu zeigen, zu welchem Zeitpunkt der Estradiolrezeptor in Platynereis nachzuweisen ist, wurden Westernblots mit verschiedenen Antikörpern durchgeführt, die jedoch alle keine eindeutige Bande entsprechender Größe detektieren konnten. Im Gegensatz dazu war der Nachweis der Estradiolrezeptor mRNA in 6 h alten Embryonen durch In Situ Hybridisierung erfolgreich.
Anhand des Proliferationsmarkers EdU konnte gezeigt werden, dass nach einer Behandlung mit Estradiol auch noch nach 8 h Urkeimzellen entstehen, anstatt wie normalerweise zwischen 6 h und 8 h. Der Versuch, mögliche Zielgene des Estradiol-Signalweges mit Hilfe von RT PCR aufzuzeigen, war aufgrund der geringen Anzahl der Urkeimzellen im Embryo jedoch nicht möglich.
Wurde zunächst noch davon ausgegangen, dass die überzähligen Urkeimzellen durch einen genomischen Signalweg des Estradiolrezeptors zustande kamen, so zeigte der Einsatz eines Proteinkinase B (AKT) Inhibitors, dass es sich höchstwahrscheinlich um sogenanntes ‚Rapid Signaling‘ handelte (Moriarty et al., 2006). AKT Inhibitor alleine erzeugt Larven mit weniger als vier Urkeimzellen. Der AKT Signalweg scheint also an der Entstehung der Urkeimzellen beteiligt zu sein.
Als mögliches Ziel von AKT kam die Glykogen Synthase Kinase 3β (GSK3β) in Frage. Ihre Beteiligung an der Entwicklung der Urkeimzellen wurde mit Hilfe des GSK3β Inhibitors Azakenpaullon (Azp) untersucht. Eine Behandlung während der Entstehung des Mesoblasten 4d (4 h bis 5 h) sorgte für eine verringerte Anzahl der Urkeimzellen, während eine spätere Behandlung von 5,5 h bis 6,5 h zu einem Anstieg der Urkeimzellen Anzahl führte. Die GSK3β scheint neben AKT eine wichtige Rolle bei der Urkeimzellen-Entwicklung zu spielen. Da β-Catenin ein durch GSK3β reguliertes Protein ist, wurden mit verschiedenen Antikörpern versucht, in Embryonen eine Veränderung der GSK3β Aktivität nachzuweisen. In einzelnen Fällen gelang eine immunohistochemische Färbung des β-Catenin, jedoch aufgrund der nicht zuverlässigen Wirkung der Antikörper konnte eine Veränderung der β-Catenin Lokalisation nicht systematisch untersucht werden.
Da der FGF Rezeptor unter anderem AKT aktivieren kann (Kalff und Spencer, 2012), sollte durch den Einsatz des FGFR Inhibitors SU5402 untersucht werden, ob der Rezeptor an der Entstehung der Urkeimzellen beteiligt ist. Der Inhibitor erzeugte Larven mit einer verringerten Anzahl der Urkeimzellen. Eine Verknüpfung von FGFR und AKT könnte in diesem Fall vorliegen. Weiter wurde eine Nanos Response Elements in der untranslatierten 3‘ Region der Sequenz des FGFR gefunden. Dies könnte bedeuten, dass der FGFR durch den Keimzellmarker Nanos in den Urkeimzellen normalerweise herunterreguliert wird.
Sowohl für den MAP Kinase Signalweg, als auch für den Notch-Delta Signalweg konnten bereits Verbindungen zu FGFR oder GSK3β bei anderen Spezies aufgezeigt werden (Espinosa et al., 2003; Kalff und Spencer, 2012; Kim und Snider, 2011). Die Beeinflussung beider Signalwege mit spezifischen Inhibitoren zeigte jedoch keine Änderungen in der Anzahl der Urkeimzellen bei Platynereis. In beiden Fällen wurde bisher jedoch nur eine Konzentration ausgetestet, wodurch sich eine Beteiligung der beiden Signalwege bisher nicht endgültig ausschließen lässt.
Neben der Untersuchung der an der Urkeimzell-Entwicklung beteiligten Signalwege wurden noch weitere Ergebnisse erzielt. Die komplette Sequenz des PduVasa Inserts im Plasmid ‚Vasa Clon A‘ wurde ermittelt. Ebenfalls konnten Fragmente von Pdu-Aktin und Pdu-CyclinB1 kloniert und sequenziert werden. Außerdem konnte gezeigt werden, dass sich die Färbung von α-Tubulin mit Hilfe eines entsprechenden Antikörpers dazu eignet, um als mögliche Gegenfärbung zu β-Catenin zu fungieren. Da sich der immunhistochemische Nachweis des Vasa Proteins bei Embryonen als schwierig erwies, wurde zudem versucht, die Urkeimzellen in Embryonen durch Kernfärbungen mit DAPI oder Propidium Jodid sichtbar zu machen. Da die Urkeimzellen jedoch nach kurzer Zeit in den Embryo einwandern, waren diese nur sehr schwierig im Embryo zu finden Im Rahmen dieser Arbeit konnte also gezeigt werden, dass Estradiol eine proliferative Wirkung auf die Urkeimzellen von Platynereis hat. Weiterhin konnte ein Modell aufgestellt werden, das eine mögliche Beteiligung und Verknüpfung von FGFR, AKT und GSK3β bei der Entwicklung der Urkeimzellen beinhaltet.