Zusammenfassung:
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den
Grundlagen der Ablaich- und Interstitialphase der Äsche (
Thymallus thymallus) und den Auswirkungen anthropogener
Gewässerveränderungen auf die frühen Entwicklungsstadien. In
einem deutschen Mittelgebiergsfluss, der Lahn, wurde das
Ablaichverhalten der Äsche beobachtet und die Anzahl und
Struktur verschiedener Äschenlaichplätze aufgenommen. Das
Laichsubstrat wurde erstmalig mit standardisierten Siebsätzen
(0,063-63mm) ausgesiebt und das Larvenaufkommen von 1995-1999
dokumentiert. Mithilfe von Schlauchsystemen mit verschiedenen
Tiefenhorizonten (10, 20 und 30cm Sedimentiefe)konnten die
Milieubedingungen (O2, CO2, NO3-, NO2-, NH4+, NH3, o-PO4-P,
pH-Wert, Temp.,Leitfähigkeit und SBV)im Interstitial an
natürlichen Laichplätzen erfasst werden. Zusätzlich wurden
stoffliche Belastungsszenarien durchgeführt, bei denen
Kiesboxen mit Äscheneiern und Schlauchsysteme in
Gewässerabschnitten mit unterschiedlicher stofflicher Belastung
(vor und nach der Ausleitungsstrecke einer Kläranlage)
vergraben wurden. Die Boxen wurden zu drei verschiedenen
Entwicklungszeitpunkten (Augenpunktstadium, Schlupf und
Aufschwimmen) geborgen. Die Mortalität der Eier und Larven
wurde notiert und die verbliebenen Tiere unter dem Binokular
vermessen. Durch die zeitgleiche Onlinemessung der
chemisch-physikalischen Parameter in der freien Welle konnte
die Tagesperiodik der o.g. Parameter dokumentiert und ihr
Verlauf im Interstitial modelliert werden. In der Lahn wandern
die Äschen Anfang April an die Laichplätze, wo die Männchen
langgestreckte Reviere von 4,5 bis 8 m² verteidigen. Der
Ablaichvorgang begann nachmittags ab einer Wassertemp. von 8°C.
Zum Ablaichen wurden überströmte Flachwasserzonen (Mittelwerte:
Oberflächenströmung: 61 cm/s, Grundströmung 34 cm/s,
Wassertiefe 41 cm) genutzt. Zwischen den einzelnen
Ablaichvorgängen waren die Äschen in Ruhehabitaten (ufernahe
Kolke mit Ästen und Totholz bedeckt) zu finden. Das
Laichsubstrat war überwiegend kiesig. Es bestand überwiegend
aus Grobkies (Korngöße 20-63 mm: 30-50%), einigen Steinen
(>63 mm: 3-35%) und Mittelkies (6,3-20 mm: 14-30%). Der
Feinsedimentanteil (< 2 mm) war an allen drei untersuchten
Flussabschnitten gering (5,3-12,3%). Die Dauer der
Embryonalentwicklung war temperaturabhängig und betrug in der
Lahn durchschnittl. 156,3 Tagesgrade (16,9 Tage bei 9,25°C).
Die limitiernden Faktoren der Ei- und Embryonalentwicklung der
Äsche an der Lahn waren die Ammoniakkonzentrationen und der
Feinsedimentanteil im Interstitial. Im stofflich stark
belasteten Versuchsfeld traten Ammoniakkonzentrationen bis 108
µg/l NH3-N vor dem Schlupf auf. In der sensiblen Phase nach dem
Schlupf wurden NH3-N Werte bis 52 µg/l gemessen, die zum
Absterben aller Äscheneier führte. Als Grenzwert für die
Larvalentwicklung wird eine NH3-N Konzentration von 25 µg/l
diskutiert. An den natürlichen Laichplätzen korrelierte die
Anzahl aufschwimmender Äschenlarven signifikant negativ mit dem
Feinsedimentanteil (Korngröße < 2 mm). Der höchste
Feinsedimentanteil von 23,7% trat nach Ausbelieben des
Winterhochwassers im Jahr 1996 auf und führte zu einer
Halbierung des Äschenlarvenaufkommens. Der pH-Wert der freien
Welle zeigte ausgeprägte tagesperiodische Schwankungen
(7,3-9,9) mit Maximalwerten in den Nachmittagsstunden. An den
natürlichen Laichplätzen lag der pH-Wert mit 8-8,9 in 10 cm
Sedimenttiefe im alkalischen Bereich. Die
Sauerstoffkonzentration lag tagsüber immer im übersättigten
Bereich (11,7 - 15 mg/l in 10 cm Sedimenttiefe, 11,2 - 16,5
mg/l in der freien Welle). Nachts sanken die O2-Werte in der
freien Welle bis 5,9 mg/l. Sowohl die hohen pH-Werte als auch
die hohen Sauerstoffkonzentrationen am Tage warenb auf die
erhöhte Photosyntheserate der Algen im eutrophierten Gewässer
zurückzuführen.