Quantifizierung der Symptomschwere von Parkinson- Erkrankten mittels oberflächlicher Elektromyographie und maschinellen Lernens – eine Pilotstudie

Hintergrund: Mit einer Prävalenz von 108 bis 257 pro 100.000 Einwohnern stellt das idio- pathische Parkinson-Syndrom (iPS) die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung auf dem europäischen Kontinent dar. Die Klinik der PatientInnen wird typischerweise durch das Auftreten der drei Kardinalsymptome...

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المؤلف الرئيسي: Wullstein, Maximilian
مؤلفون آخرون: Pedrosa, David (PD Dr.) (مرشد الأطروحة)
التنسيق: Dissertation
اللغة:الألمانية
منشور في: Philipps-Universität Marburg 2023
الموضوعات:
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الملخص:Hintergrund: Mit einer Prävalenz von 108 bis 257 pro 100.000 Einwohnern stellt das idio- pathische Parkinson-Syndrom (iPS) die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung auf dem europäischen Kontinent dar. Die Klinik der PatientInnen wird typischerweise durch das Auftreten der drei Kardinalsymptome Bradykinese, Tremor und Rigor bestimmt. Der in der medikamentösen Therapie als Goldstandard geltende Wirkstoff Levodopa trägt zwar übli- cherweise zu einer schnellen Linderung der Beschwerden bei, wird aber auch mit häufigen Nebenwirkungen wie Dyskinesien und Wirkfluktuationen assoziiert. Aus diesem Grund ist eine individuelle Feinjustierung der Therapie hinsichtlich der optimalen Einnahmezeitpunkte und der verabreichten Dosen von entscheidender Bedeutung für den Behandlungserfolg. Als Entscheidungsgrundlage für die behandelnden TherapeutInnen dienen dazu Dokumen- tationen der Betroffenen über das Auftreten der Beschwerden im Tagesverlauf sowie klini- sche Skalen wie die von der Movement Disorder Society überarbeitete Unified Parkinson's Disease Rating Scale (MDS-UPDRS). Diese Methoden sind bekanntermaßen mit einer ho- hen Subjektivität und einem hohen Zeitaufwand verbunden. In den vergangenen Jahren wurden daher zahlreiche Arbeiten veröffentlicht, die sich diesen Limitationen angenommen haben. Vorrangiges Ziel war die Entwicklung einer mobilen sensorgestützten Technologie, die eine objektive Quantifizierung motorischer Beschwerden im häuslichen Umfeld ermög- lichen soll. Eine Mehrheit der Studien setzte hierbei auf die Verwendung einzelner oder mehrerer Bewegungssensoren. Einen alternativen und vielversprechenden Ansatz stellt die oberflächliche Elektromyographie dar. Sie ermöglicht eine nicht-invasive Beurteilung mus- kulärer elektrischer Aktivität unabhängig von der sichtbaren Bewegung und konnte bereits erfolgreich im Zusammenhang mit dem iPS getestet werden. Hinsichtlich einer Vorhersage der motorischen Symptomschwere unter Zuhilfenahme von maschinellem Lernen lagen bislang allerdings keine Erfahrungswerte vor. Fragestellung: In dieser Pilotstudie sollte geprüft werden, ob eine objektive Quantifizierung motorischer Beschwerden beim iPS anhand oberflächlicher elektromyographischer Mes- sungen und Techniken maschinellen Lernens gelingt. Methoden: Für die vorliegende Studie wurden oberflächliche elektromyographischer Para- meter von 45 iPS-Betroffenen während der wiederholten Ausführung einer Tapping-Auf- gabe im medikamentösen „On“- und „Off“-Status erhoben. Die Aufzeichnungen erfolgten mit Hilfe eines Myo Gesture Control ArmbandsTM, das am Unterarm der untersuchten Seite fixiert wurde. Aus den gewonnenen Daten wurde eine Auswahl an Features extrahiert, um unterschiedliche Regressionsmodelle zu trainieren. Ziel war die Vorhersage eines Scores des dritten Abschnitts der MDS-UPDRS. Zur Validierung der getesteten Modelle wurde die Pearson Korrelation zwischen prädizierten und klinisch bestimmten Werten der MDS- 87 Zusammenfassung UPDRS berechnet. In weiteren Untersuchungen sollten Redundanzen der Features sowie der Einfluss unterschiedlicher Sampleintervalllängen wie auch der Anzahl berücksichtigter sEMG-Elektroden auf die Prädiktionsgüte ermittelt werden. Ergebnisse: Die höchste Prädiktionsgüte (r = 0,853) konnte mit einem Random-Forest- Regressionsmodell unter Einsatz von acht Features und fünf sEMG-Elektroden bei einer Sampleintervalllänge von sechs Sekunden erzielt werden. Die Regressionsmodelle Sup- port Vector Machine und k-nächste-Nachbarn präsentierten ebenfalls vielversprechende Resultate, wohingegen im Zusammenhang mit der linearen Regression wesentlich gerin- gere Pearson Korrelationskoeffizienten ermittelt wurden. Hinsichtlich der optimalen Samp- leintervalllänge profitierten die Modelle am ehesten von Ausschnitten mit vier bis sechs Se- kunden Länge. Eine weitere Verkürzung der Sampleintervalle bedingte eine Abnahme der Prädiktionsgüte. Die Berücksichtigung von mehr als fünf sEMG-Elektroden führte ebenfalls zu keiner Verbesserung des Korrelationskoeffizienten. Bei der Untersuchung von Korrela- tionen zwischen den einzelnen Features zeigten sich bei der Mehrzahl der Paare starke Zusammenhänge. Das Feature Waveform Length (WL) konnte als einziges der acht getes- teten Features mit einem nachteiligen Effekt auf die Prädiktionsgüte identifiziert werden. Diskussion: In dieser Studie konnte erstmalig die Prädiktion des dritten Abschnitts der MDS-UPDRS anhand oberflächlicher elektromyographischer Parameter und klassischer Regressionsmodelle gezeigt werden. Aktuell wird zunehmend diskutiert, ob eine Kombina- tion mehrerer Sensoren am geeignetsten ist, um die unterschiedlichen Ausprägungen mo- torischer Beschwerden beim iPS im häuslichen Umfeld bestmöglich zu erfassen. Die ober- flächliche Elektromyographie bietet sich auf der Grundlage der hier gewonnenen Erkennt- nisse als eine dieser Sensortechnologien an. Zukünftig sollten zur weiteren Verbesserung der Prädiktionsgüte auch nicht konventionelle Features sowie neuronale Netze getestet werden. Zudem könnte ein passives Monitoring alltäglicher Aktivitäten als methodische Grundlage in Erwägung gezogen werden, um die Belastung für die PatientInnen möglichst gering zu halten. Um Bedenken hinsichtlich des Tragekomforts der Sensoren zu begegnen, wäre ein Einsatz von integrierten Elektroden in Handschuhen oder Kleidung vorstellbar. Schlussfolgerungen: Die vorliegende Studie belegt, dass eine objektive Quantifizierung motorischer Beschwerden beim iPS mit Hilfe von oberflächlichen elektromyographischen Ableitungen einer Tapping Aufgabe und flachen Techniken maschinellen Lernens gelingt. In Zukunft könnte hiermit ein mobiles Monitoring der PatientInnen im häuslichen Umfeld zur individuellen Optimierung von Therapien und Vorbeugung von Komplikationen ermöglicht werden.
DOI:10.17192/z2024.0036