Bedarfsanalyse für Maßnahmen der Gesundheitsförderung und Prävention im Landkreis Marburg-Biedenkopf bei Erwachsenen und Senioren/Seniorinnen – Bedarf aus der Perspektive relevanter Akteure

In Zeiten des demographischen Wandels und des Vorherrschens von chronischen nicht übertragbaren Erkrankungen in den Industrieländern rücken Prävention und Gesundheitsförderung als Lösungsansätze zur Steigerung des Wohlbefindens der Bevölkerung zunehmend in den Fokus. Während auf internationaler und...

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Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Schwarze, Kerrin
Beteiligte: Geraedts, Max (Prof. Dr.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2022
Schlagworte:
Online Zugang:PDF-Volltext
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Beschreibung
Zusammenfassung:In Zeiten des demographischen Wandels und des Vorherrschens von chronischen nicht übertragbaren Erkrankungen in den Industrieländern rücken Prävention und Gesundheitsförderung als Lösungsansätze zur Steigerung des Wohlbefindens der Bevölkerung zunehmend in den Fokus. Während auf internationaler und nationaler Ebene die Entwicklung von Strategien im Vordergrund steht, erfolgt die Umsetzung von Projekten oftmals auf lokaler Ebene. Grundlage für Maßnahmen ist unter anderem die Ermittlung des Handlungsbedarfs im Rahmen von Bedarfsanalysen. Das Ziel dieser Dissertation ist es, mithilfe einer Bedarfsanalyse im Rahmen des Projekts „Gesundheit fördern – Versorgung stärken“ einen Überblick über die aktuelle Situation im Landkreis Marburg-Biedenkopf im Hinblick auf Gesundheitsförderung und Prävention mit Fokus auf Erwachsene und Senioren/Seniorinnen zu erhalten. Im Anschluss sollen die Ergebnisse dazu beitragen, gesundheitsfördernde und präventive Maßnahmen vor Ort bedarfs- und zielgruppengerecht zu planen und umzusetzen.Es wurde ein Mixed-Methods-Ansatz gewählt. Quantitative Analysen wurden in Form einer Small Area Estimation durchgeführt, bei der auf Grundlage öffentlich verfügbarer Daten Prävalenzen von Risikofaktoren und Krankheiten unter Berücksichtigung der lokal unterschiedlichen Bevölkerungsstrukturen modelliert wurden. Für die Variablen Depression, Krebs, Adipositas, Diabetes, Rückenschmerzen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Polypharmazie und Multimorbidität sowie Pflegebedarf und Hospitalisierung wurde die Verteilung von gesundheitsrelevanten Merkmalen in den einzelnen Gemeinden und Städten des Landkreises nach Altersgruppen aufgeschlüsselt geschätzt. Als qualitative Analysemethode erfolgten Expertenbefragungen. Dazu wurden in 19 Kommunen des Landkreises und 4 Stadtteilen Marburgs semistrukturierte leitfadengestützte Interviews mit insgesamt 70 lokalen Akteuren/Akteurinnen verschiedener Fachgebiete zur Erfassung von präventionsbezogenen Strukturen, Problemen und Bedarfen durchgeführt. Es wurde nach vier Altersgruppen unterschieden sowie gesondert auf gesundheitlich vulnerable Gruppen (u.a. Alleinerziehende und Geflüchtete) eingegangen. Die per Tonband aufgenommenen Interviews wurden entlang von Themenkomplexen zusammengefasst, Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Kommunen hervorgehoben und Best Practice-Beispiele identifiziert. In der Small Area Estimation präsentierte sich der Landkreis Marburg-Biedenkopf als typische ländliche Region Deutschlands. Für die untersuchten Krankheiten ergaben sich nur geringe interkommunale Unterschiede bei den Altersgruppen ‚Erwachsene‘ und ‚Senioren/Seniorinnen‘. In den Interviews wurden vielfach klassische Public Health-Themen benannt, anhand derer ein Bedarf für Maßnahmen der Gesundheitsförderung und Prävention ableitbar ist (z. B. Bewegungsmangel, Überforderung Erwachsener, zurückgehendes Vereins-/Ehrenamtsengagement, Alterseinsamkeit). Die lokalen Unterschiede im Umgang mit dem Themenfeld der Prävention und Gesundheitsförderung wurden deutlich, wobei sich insgesamt ein großer Bedarf an Maßnahmen der Prävention und Gesundheitsförderung abzeichnete. Teilweise wurden konkrete Handlungsansätze formuliert. Die Bedeutung von Settings und der kommunen- sowie generationenübergreifenden Zusammenarbeit zur Bedarfsdeckung wurde oft hervorgehoben sowie einige Best Practices benannt. Aus der Small Area Estimation ließen sich kaum lokal anzupassende Strategien ableiten. Die regionalen Unterschiede kamen vermutlich insbesondere durch die sozioökonomischen Unterschiede innerhalb des Landkreises zustande. Maßnahmen könnten also in Gebieten mit einer ausgeprägten sozioökonomischen Deprivation besonders sinnvoll sein, etwa in Form von quartiersbezogenen und niedrigschwelligen Angeboten. Die Verbreitung von Wissen und Best Practices sowie die Vernetzung von Akteuren/Akteurinnen könnten wichtige Schalter für eine Verbesserung der präventiven und gesundheitsfördernden Versorgung der Erwachsenen und Senioren/Seniorinnen im Landkreis sein. Einige Probleme können jedoch nicht lokal bewältigt werden, sondern erfordern ein Handeln auf (inter-)nationaler Ebene. Aufgrund der sich unterscheidenden Herangehensweise waren Gegenüberstellungen beider Analysemethoden nur bedingt möglich. Die SAE bildete einige Krankheiten und Risikofaktoren ab, die in den Interviews nicht erwähnt wurden. Als Limitation der Interviews ist zu nennen, dass die Unterschiede zwischen den Kommunen eventuell nicht adäquat erfasst wurden, da die Auswahl der Interviewten lokal stark variierte und einzelne Bevölkerungsgruppen (z.B. vulnerable Gruppen) kaum repräsentiert waren. Die SAE ist ihrerseits als Schätzmodell nicht mit quantitativen Daten gleichzusetzen. Insgesamt eignet sich die Bedarfsanalyse als Startpunkt für settingbezogene Interventionen, da sie Akteure/Akteurinnen einbindet, lokale Unterschiede und Ansätze offenlegt und regionale Vorbilder in Form von Best Practices identifiziert. Die Erkenntnisse der Bedarfsanalyse können sowohl für praktizierende und übergeordnete Akteure/Akteurinnen des Landkreises als auch für andere Forschende und Akteure/Akteurinnen aus dem Themenfeld der Prävention und Gesundheitsförderung einen Informationsgewinn darstellen und als Ansatzpunkt für zukünftige Forschung dienen.
Umfang:166 Seiten
DOI:10.17192/z2023.0323