Kontinuierliches, intraoperatives Neuromonitoring des N. laryngeus recurrens links über den Doppellumentubus - eine Feasibility-Studie

Fragestellung Die Recurrensparese in der thorakalen Chirurgie stellt mit einer Inzidenz von 1,9-32% eine ernst zu nehmende Komplikation mit weitreichenden Folgen dar. Vor allem Eingriffe am Aortenbogen und der linken Lunge stellen ein erhebliches Risiko für die Verletzung des Nervus laryngeus recur...

Ausführliche Beschreibung

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Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Jochens, Nora
Beteiligte: Kirschbaum, Andreas (Prof. Dr.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2022
Schlagworte:
Online Zugang:PDF-Volltext
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Beschreibung
Zusammenfassung:Fragestellung Die Recurrensparese in der thorakalen Chirurgie stellt mit einer Inzidenz von 1,9-32% eine ernst zu nehmende Komplikation mit weitreichenden Folgen dar. Vor allem Eingriffe am Aortenbogen und der linken Lunge stellen ein erhebliches Risiko für die Verletzung des Nervus laryngeus recurrens im Abgang aus dem Nervus vagus im aortopulmonalen Fenster dar. Die Anwendung des Neuromonitorings, wie es in der Schilddrüsenchirurgie zum Einsatz kommt, wurde bereits diskutiert und in einigen Fällen erfolgreich angewendet. Aufgrund der Notwendigkeit zur Einlungenventilation bei Lungeneingriffen, ergibt sich die Frage, ob es technisch möglich ist, das kontinuierliche Neuromonitoring über einen Doppellumentubus durchzuführen und wie hierfür die Ableitelektroden auf dem Tubus angeordnet werden sollten. Hierfür wurden Patienten mit der Indikation zur linksseitigen Thorakotomie in diese Studie eingeschlossen. Alle Patienten erhielten vor und nach der Operation eine phoniatrische Untersuchung durch die Kollegen der Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde zum Ausschluss einer vorbestehenden Pathologie im Bereich der Stimmlippen. Der Doppellumentubus wurde mit zwei hintereinander geklebten Elektroden proximal des trachealen Cuffs versehen und die jeweiligen Abstände dokumentiert. Im Rahmen der Operation erfolgte die kontinuierliche Stimulation des Nervus vagus vor Abgang des Nervus laryngeus recurrens. Als signifikantes Signal wurde eine Amplitude von mindestens 165µV definiert und dokumentiert, ob sich distal, proximal oder an beiden Elektroden ein Signal ableiten ließ. Ergebnisse Es wurden insgesamt 20 Patienten eingeschlossen. Es zeigten sich keine wesentlichen Unterschiede in Geschlecht, Größe und Gewicht. In 14 Fällen bestand eine maligne Erkrankung, bei 6 Patienten eine benigne Veränderung. Bei allen Patienten wurde ein Doppellumentubus verwendet, davon 18 linksläufige und 2 rechtsläufige Tuben in allen Größen von 35 bis 41Chr. Bei 18 Patienten konnte ein signifikantes Signal abgeleitet werden. Bei 14 Patienten wurde nur an der distalen Elektrode, bei 4 Patienten an beiden Elektroden ein Signal detektiert. Bei keinem der Patienten wurde nur proximal ein Signal gemessen. In keinem Fall zeigte sich während der Operation ein mildes oder schweres Ereignis im Sinne eines Amplitudenabfalls in Kombination mit einer Latenzzeitverlängerung, ein Loss-of-Signal trat nicht auf. Nachweislich kein Patient wies postoperativ eine Recurrensparese auf. Die meisten signifikanten Signale ließen sich bei einem Abstand der Elektrode zum trachealen Cuff von 10-11mm ableiten. Ab einer Distanz von 74mm zwischen trachealem Cuff und Elektrode war kein Signal nachweisbar. Diskussion Die Studie konnte die bis dato vorliegenden Untersuchung zur Anwendung des Neuromonitorings bestätigen und ziegen, dass das kontinuierliche Neuromonitoring über einen Doppellumentubus technisch durchführbar und sicher anzuwenden ist. Dabei sollte die Ableitelektrode mindestens 10mm vom trachealen Cuff, jedoch nicht weiter als 74mm entfernt liegen. Damit kann bei Verwendung nur einer Ableitelektrode diese auf Höhe der Stimmlippen positioniert werden. Unter Berücksichtigung der vorangegangenen Studien, in denen die Produkte verschiedener Hersteller von Elektroden und Doppellumentuben verwendet wurden und unserer Untersuchung, wird sich das cIONM auf die verschiedenen Materialkombinationen anwenden lassen. Limitationen liegen in der Stichprobengröße von 20 Patienten. Außerdem sollte in einer nachfolgenden Untersuchung sowohl die Elektrodenanordnung als auch die Möglichkeit zur Senkung der Recurrenspareserate überprüft werden. Schlussfolgerung Das kontinuierliche, intraoperative Neuromonitoring über den Doppellumentubus bei linksthorakalen Eingriffen als einfach anzuwendende und für den Patienten sichere Methode, bietet dem Operateur eine zusätzliche Sicherheit im Rahmen der Präparation. Insbesondere in der Therapie des Lungenkarzinoms ist die Lymphknotendissektion ein entscheidender, prognosebeeinflussender Schritt. Hierbei spielen die Lymphknoten der Level 4-6 als mediastinale Lymphknoten im aortopulmonalen Fenster eine bedeutende Rolle. Dies stellt jedoch ein hohes Risiko für die Funktion des N. laryngeus recurrens dar. Die intraoperative Echtzeit-Überwachung der Funktion durch Anwendung des kontinuierlichen Neuromonitorings kann möglicherweise zu einer deutlichen Risikoreduktion einer Recurrensparese beitragen. Neben der Lymphadenektomie der Level 4-6 in der Lungenchirurgie finden sich auch in der Herz- und Viszeralchirurgie potentielle Anwendungsgebiete. Eingriffen nahe am Aortenbogen, in der kindlichen Herzchirurgie, sowie der Ösophaguschirurgie stellen Risikoeingriffe für die Entstehung einer Recurrensparese dar. Daher sollte auch in diesem Bereich das cIONM implementiert werden.
Umfang:105 Seiten
DOI:10.17192/z2023.0158