Elektrophysiologische Charakterisierung neuronaler spannungsabhängiger Calciumströme des Locus coeruleus in zwei experimentellen Parkinson-Modellen der Maus

Der Locus coeruleus (LC) ist ein noradrenerger Kern des dorsolateralen Hirnstammes, der auf vielfältige Weise in die physiologischen Prozesse des zentralen Nervensystems eingebunden ist. Eine funktionelle Beeinträchtigung dieses Kerngebietes lässt sich bei vielen neurologischen und psychiatrischen E...

Ausführliche Beschreibung

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Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Griesbach, Markus
Beteiligte: Decher, Niels (Prof. Dr. phil. nat.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2023
Schlagworte:
Online Zugang:PDF-Volltext
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Beschreibung
Zusammenfassung:Der Locus coeruleus (LC) ist ein noradrenerger Kern des dorsolateralen Hirnstammes, der auf vielfältige Weise in die physiologischen Prozesse des zentralen Nervensystems eingebunden ist. Eine funktionelle Beeinträchtigung dieses Kerngebietes lässt sich bei vielen neurologischen und psychiatrischen Erkrankungen oftmals bereits in frühen Stadien beobachten, sodass der LC sowohl aus diagnostischer als auch therapeutischer Sicht von großem Interesse ist. Im Rahmen der Parkinson-Erkrankung (PD; auch Morbus Parkinson), kommt es durch degenerative Veränderungen der dopaminergen Neurone der Substantia nigra pars compacta (SNpc) zu den charakteristischen Kardinalsymptomen der Erkrankung. Die Neurone des LC sind im Rahmen der PD jedoch bereits vor den Neuronen der SNpc vom Zelluntergang betroffen. Der progrediente Verlust der noradrenergen Neurone des LC wird für viele der nichtmotorischen Symptome der PD verantwortlich gemacht. Darüber hinaus wird in Bezug auf die SNpc eine neuroprotektive Funktion der Neurone des LC angenommen. Die Ursachen für die Beteiligung des LC und dessen selektive Vulnerabilität im Rahmen der PD sind bisher jedoch weitestgehend ungeklärt. Die Neurone des LC zeichnen sich durch eine ausgeprägte Periodik ihrer Depolarisationen aus, um eine regelmäßige Freisetzung von Noradrenalin (NA) zu ermöglichen. Diese Schrittmacheraktivität wird maßgeblich durch spannungsabhängige Calciumkanäle gewährleistet. Es hat sich gezeigt, dass dieses charakteristische Entladungsverhalten der LC-Neurone im Rahmen der PD zugunsten einer erhöhten Depolarisationsfrequenz verschoben ist. Die dadurch erhöhte intrazelluläre Calciumkonzentration, oxidativer Stress sowie die charakteristischen alpha-Synuclein-Aggregate in den betroffenen Zellen wurden als mögliche Faktoren der Pathogenese der PD postuliert. Die Stabilisierung der zellulären Calciumhomöostase könnte daher einen positiven Einfluss auf den Krankheitsverlauf der PD bewirken. Im Rahmen dieser Arbeit wurde der Einfluss zweier Modelle der PD auf die elektrophysiologischen Eigenschaften spannungsabhängiger Calciumströme in Neuronen des LC untersucht. Im ersten untersuchten Modellsystem wurden Hirnschnitte von Wildtyp-Mäusen (C57/Bl6) angefertigt und für eine definierte Inkubationszeit der Substanz Rotenon ausgesetzt. Rotenon, eine Substanz die vor allem als Insektizid Verwendung findet, blockiert den Komplex I der mitochondrialen Atmungskette und erzeugt somit eine oxidative und metabolische Stresssituation für die betroffenen Zellverbände, wie sie auch im Rahmen der PD zu beobachten ist. Mithilfe der Substanzen Tetrodotoxin (TTX), Tetraethylammonium (TEA) sowie 4-Aminopyridin (4-AP) wurde die pharmakologische Antagonisierung der spannungsabhängigen Natrium- und Kaliumkanäle der untersuchten Zellen ermöglicht, sodass die Calciumströme der untersuchten Neurone anschließend näherungsweise isoliert dargestellt werden konnten. Einzelzellaufnahmen dieser Neurone mithilfe der Patch-Clamp-Methode haben ergeben, dass die Amplitude der ins Cytosol gerichteten Calciumströme nach Einwirkung von Rotenon mitunter signifikant abnimmt. Eine anschließend erfolgte Antagonisierung der spannungsabhängigen Calciumkanäle mittels einer hochdosierten Cobalt(II)-Chlorid-Lösung (CoCl2) konnte den erhaltenen Calciuminflux zwar signifikant senken, jedoch nicht vollständig blockieren. Die resultierende Reststromkomponente wird somit offenbar von Kanalsystemen getragen, die nicht cobaltspezifisch antagonisiert werden können. Im Rahmen des zweiten untersuchten Modellsystems wurde der Einfluss der für PD typisch auftretenden alpha-Synuclein-Aggregate auf die elektrophysiologischen Eigenschaften spannungsabhängiger Calciumströme der LC-Neurone untersucht. Zu diesem Zweck wurde einem Kollektiv von Wildtyp-Mäusen (C57/Bl6) zu definierten Zeitpunkten stereotaktisch ein viraler Vektor unilateral in den Bereich der dorsolateralen Pons injiziert. Die Versuchstiere wurden in drei verschiedene Kohorten randomisiert, welchen dabei jeweils entweder das Gen eines Wildtyp-alpha-Synucleins, das Gen einer stark zur Aggregation neigenden Mutante des alpha-Synucleins (A53T-alpha-Synuclein) oder das Gen des Proteins Luciferase mittels eines viralen Vektorsystems transduziert wurde. Letztere Kohorte diente als Kontrollgruppe. Nach einer zweimonatigen Latenzzeit wurden Einzelzellableitungen des LC an Hirnschnitten der Versuchstiere durchgeführt, nachdem auch hier die spannungsabhängigen Natrium- und Kaliumkanäle der untersuchten Zellen mittels TTX, TEA und 4-AP antagonisiert wurden. Analog zu den Ergebnissen des ersten Untersuchungsmodells, zeigte sich nach Überexpression beider alpha-Synuclein-Varianten auch hier ein signifikant gesenkter Calciuminflux. Als Ursache des verminderten Ioneneinstromes kommt im Rahmen beider Modellsysteme eine intrazelluläre Calciumüberladung infrage, welche beispielsweise durch Freisetzung aus intrazellulären Speichern sowie die erhöhte Oszillationsfrequenz der Neuronen des LC entsteht. Die gezielte pharmakologische Modulation spannungsabhängiger Calciumkanäle der LC-Neurone, kommt demnach als möglicher therapeutischer Ansatz im Rahmen der PD infrage.
Umfang:85 Seiten
DOI:10.17192/z2023.0149