Entwicklung von Inhibitoren wirtseigener Serinproteasen zur antiviralen Therapie

Die Entwicklung neuer Strategien zur antiviralen Therapie ist von entscheidender Bedeutung, da viele Viren eine erhebliche Bedrohung für die globale Gesundheit darstellen. Nach dem Eindringen in ihren Wirt sind die meisten Viren auf die Aktivität von Wirtsproteasen angewiesen, um sich zu replizieren...

Ausführliche Beschreibung

Gespeichert in:
Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Pilgram, Oliver
Beteiligte: Steinmetzer, Torsten (Prof. Dr.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2021
Schlagworte:
Online Zugang:PDF-Volltext
Tags: Tag hinzufügen
Keine Tags, Fügen Sie den ersten Tag hinzu!
Beschreibung
Zusammenfassung:Die Entwicklung neuer Strategien zur antiviralen Therapie ist von entscheidender Bedeutung, da viele Viren eine erhebliche Bedrohung für die globale Gesundheit darstellen. Nach dem Eindringen in ihren Wirt sind die meisten Viren auf die Aktivität von Wirtsproteasen angewiesen, um sich zu replizieren. Daher kann die Hemmung solcher Proteasen die Virusausbreitung verringern. Der Fokus dieser Arbeit lag auf dem Design, der Synthese und der Charakterisierung von Inhibitoren für die Wirtsproteasen Matriptase und S1P im Kontext potenzieller neuer antiviraler Wirkstoffe. Projekt A: Matriptase-Inhibitoren: Die membrangebundene trypsinartige Serinprotease Matriptase kann die Hämagglutinine bestimmter Influenzaviren spalten und damit potenziell zur Virusreplikation beitragen. In unserer Arbeitsgruppe wurde in den letzten Jahren eine Vielzahl von Matriptase-Inhibitoren vom 3-Amidinophenylalanin-Typ (Phe(3-Am)) entwickelt. Ziel dieser Doktorarbeit war es, hauptsächlich monobasische Matriptase-Inhibitoren des Phe(3-Am)-Typs mit hoher Selektivität gegenüber den Gerinnungsproteasen Thrombin und Faktor Xa zu entwickeln und zu synthetisieren, da die Hemmung dieser Enzyme potenziell zu Blutungskomplikationen führen kann. Dies sollte durch eine gründliche Analyse der aktiven Zentren aller drei Enzyme und die Einbeziehung von Docking-Studien erreicht werden. Frühere Hemmstoffserien lieferten zwei monobasische Matriptase-Inhibitoren (5 und 28) mit einer hohen Selektivität gegenüber Thrombin (SF 126 bzw. 410), die mit einer mutmaßlichen Kollision des Thrombin-spezifischen 60er Insertionsloops mit der Cyclohexylureidogruppe der Hemmstoffe begründet wurde. In dieser Arbeit wurden sowohl das C-terminale Piperidid ​​als auch die Harnstoffgruppe derivatisiert, wobei letztendlich ein Piperidyl-4-tert-butylharnstoff als optimale C-terminale Gruppe zum Erreichen einer hohen Selektivität gegenüber Thrombin identifiziert wurde. In Kombination mit geeigneten Substituenten am N-terminalen Biphenylsystem wurden mehrere neue monobasische Derivate mit solcher Selektivität entwickelt. Die höchste Selektivität wurde für die monobasische Verbindung I5 (SF 1533) und den dibasischen Inhibitor I20 (SF 3643) erreicht. Während der C-Terminus modifiziert wurde, um die Affinität für Thrombin zu verringern, sollten die Substituenten am N-terminalen Biphenylsystem eine erhöhte Selektivität gegenüber FXa gewährleisten. Diese Gerinnungsprotease weist einen Phe174-Rest in ihrer S3/4-Binderegion auf, an analoger Position befindet sich in Matriptase ein Glutamin (Gln175). Basierend auf der Kristallstruktur eines verwandten Phe(3-Am)-Inhibitors im Komplex mit Matriptase (PDB: 2GV6) wurden Docking-Studien durchgeführt, um N-terminale Substituenten zu identifizieren, die möglicherweise in der Lage sind, Gln175 der Matriptase zu adressieren, wodurch nur die Affinität für Matriptase und nicht für FXa verbessert werden sollte. Diese Studien schlugen 3- und 4-Hydroxymethylgruppen als geeignete Substituenten für diese Wechselwirkung mit Gln175 vor, welche somit die Grundlage für alle im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten N-terminalen Variationen bildeten. Die erhaltenen Inhibitoren zeigten jedoch nicht die gewünschte Selektivität gegenüber FXa. Von allen 24 neuen Derivaten zeigt nur die dibasische Verbindung I21 (SF 105) eine adäquate Selektivität. Es wurden vier neue Kristallstrukturen von drei verschiedenen Inhibitoren (I5, I12 und I20) im Komplex mit Matriptase, Thrombin und Trypsin erhalten, die das Vorliegen der vorhergesagten Wechselwirkung zwischen Gln175 und der 4-Hydroxymethylgruppe von Inhibitor I5 belegen konnten. Darüber hinaus ermöglichten die Strukturinformationen dieser Komplexe die Etablierung detaillierterer Struktur-Wirkungsbeziehungen, welche die Weiterentwicklung dieses Inhibitortyps unterstützen könnten. Ausgewählte Hemmstoffe zeigten eine starke inhibitorische Wirkung auf die Replikation eines Matriptase-abhängigen H9N2-Influenzavirusstamms. Projekt B: S1P Inhibitoren: Die site-1 protease (S1P) ist ein Mitglied der Proproteinconvertasen und an der Regulierung des intrazellulären Cholesterin- und Fettsäurehaushalts beteiligt. Darüber hinaus spaltet es die Glykoprotein-Vorläufer aller bekannten humanpathogenen Arenaviren und stellt damit einen interessanten Angriffspunkt für eine gezielte antivirale Therapie dar. Bisher wurde nur ein einziger Artikel über potente, reversible S1P-Inhibitoren mit in vitro-Aktivität veröffentlicht und alle folgenden Studien zur Wirkung der S1P-Hemmung auf verschiedene biologische Systeme wurden mit der in diesem Artikel beschriebenen Verbindung PF-429242 durchgeführt. In dieser Arbeit wurden peptidische Boronsäuren basierend auf der Substratsequenz RRLL↓ und deborylierte Analoga als neue S1P-Inhibitorklasse etabliert. Des Weiteren wurden weitere Derivate der Verbindung PF-429242 synthetisiert. Die Synthese peptidischer Boronsäure-Inhibitoren wurde optimiert und umfangreiche Studien zur Etablierung von Boronsäure-SPPS durchgeführt. Die enzymkinetische Charakterisierung zeigte, dass peptidische Boronsäuren hochwirksame S1P-Inhibitoren sind und lässt vermuten, dass die Boronsäurefunktion kovalent mit dem Serin im aktiven Zentrum interagiert. Verbindung I34, die ein Borocyclopentylglycin in P1-Position trägt, bindet an S1P mit einem IC50-Wert von 73 nM und damit fünfmal stärker als der Referenzinhibitor PF-429242 (IC50 = 374 nM). Im Falle der Derivate von PF-429242 wurden die Reaktionsbedingungen für beide reduktiven Aminierungen, die zur Synthese solcher Inhibitoren erforderlich sind, optimiert. Keines der neuen Derivate der veröffentlichten Verbindung PF-429242 zeigte jedoch eine höhere S1P-Affinität als die Referenz selbst.
Umfang:498 Seiten
DOI:10.17192/z2021.0487