Akkommodative Selbstregulation nach erworbenen Hirnschädigungen: Lebensziele, persönliche Reifung und Ereigniszentralität.

Erworbene Hirnschädigungen (EHS) stellen bisherige Schemata über die Welt und das Selbst in Frage und können die Erreichbarkeit wichtiger Lebensziele blockieren. Entsprechend erfordern EHS eine Anpassung übergeordneter Schemata und Lebensziele. Das duale Prozessmodell (Brandtstädter & Renner, 19...

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Main Author: Künemund, Anna
Contributors: Exner, Cornelia (Prof. Dr.) (Thesis advisor)
Format: Doctoral Thesis
Language:German
Published: Philipps-Universität Marburg 2016
Subjects:
Online Access:PDF Full Text
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Description
Summary:Erworbene Hirnschädigungen (EHS) stellen bisherige Schemata über die Welt und das Selbst in Frage und können die Erreichbarkeit wichtiger Lebensziele blockieren. Entsprechend erfordern EHS eine Anpassung übergeordneter Schemata und Lebensziele. Das duale Prozessmodell (Brandtstädter & Renner, 1990, 1992; Brandtstädter & Rothermund, 2002) postuliert zwei Mechanismen der Selbstregulation und Zielanpassung: Assimilative Regulation umfasst das Festhalten an übergeordneten Schemata und Lebenszielen, während akkommodative Regulation die Anpassung übergeordneter Schemata an veränderte Realitätsgegebenheiten, die Repriorisierung von Lebenszielen, positive Sinnzuschreibungen, positive Bewertungsprozesse aversiver Ereignisse und Veränderungen der Zentralität selbstdefinierender Bereiche beschreibt. Übergeordnetes Ziel dieser publikationsbasierten Dissertation war es, akkommodative Selbstregulation nach EHS systematisch zu untersuchen. In Studie 1 wurde die längsschnittliche Entwicklung kommunaler und agentischer Lebensziele unter Berücksichtigung dreier Lebenszielattribute (Wichtigkeit, allgemeine Realisierbarkeit, momentaner Erfolg) nach EHS betrachtet und Zusammenhänge zu subjektivem Wohlbefinden analysiert. Die Realisierbarkeit und der momentane Erfolg kommunaler und agentischer Lebensziele nahmen über ca. 2 Jahre hinweg signifikant ab, während die Ziel-Wichtigkeit stabil blieb. Eine höhere Realisierbarkeit kommunaler Lebensziele und ein höheres Funktionsniveau der EHS-Betroffenen gingen mit erhöhten subjektiven Wohlbefinden einher. Studie 2 untersuchte negative und positive selbstrelevante Veränderungen nach einem Schlaganfall mithilfe standardisierter Fragebögen und eines halbstrukturierten Interviews. Darüber hinaus wurden erstmalig Veränderungen in Selbstschemata (persönliche Reifung, Ereigniszentralität) zwischen Schlaganfallpatienten und Kontrollprobanden verglichen. Schlaganfallpatienten berichteten über signifikant höhere persönliche Reifung und signifikant höhere Ereigniszentralität im Vergleich zur Kontrollgruppe. Gleichzeitig wiesen sie signifikant höhere Depressivitätswerte und eine signifikant geringere Lebenszufriedenheit auf. Auch die qualitativen Ergebnisse zeigten, dass die Mehrheit der Schlaganfallpatienten sowohl negative als auch positive Veränderungen berichtete. Studie 3 betrachtete die längsschnittliche Entwicklung von persönlicher Reifung und von Ereigniszentralität nach einem Schlaganfall über drei Messzeitpunkte hinweg und den Einfluss kognitiver Prozesse und Coping-Prozesse auf die Entwicklung persönlicher Reifung. Schlaganfallpatienten berichten bereits bei Ersterhebung über persönliche Reifung, wobei die Werte nach folgend stabil blieben. Über die Zeit hinweg zeigte sich ein Trend zur Zunahme der subjektiven Zentralität des Schlaganfalls. Coping durch soziale Unterstützung war mit stärkerer persönlicher Reifung zum zweiten Untersuchungszeitpunkt verbunden. Akzeptanz-Coping führte ebenfalls zu stärkerer persönlicher Reifung, allerdings nur unter der Voraussetzung moderater bis hoher Ereigniszentralität. Zusammengefasst untermauern die Ergebnisse die Relevanz von Lebenszielen für die neuropsychologisch-psychotherapeutische Rehabilitation nach EHS. Die Berücksichtigung positiver Konsequenzen im Sinne persönlicher Reifung kann als eine Ergänzung eines auf Restitution und Kompensation von Beeinträchtigungen ausgelegten rehabilitativen Ansatzes gesehen werden. Darüber hinaus könnte die Berücksichtigung des Konzepts der Ereigniszentralität sowohl das Erkennen negativer als auch positiver Veränderungen erleichtern.
Physical Description:124 Pages
DOI:10.17192/z2016.0109