Untersuchung zum aktuellen Sprachstand ehemals sprachentwicklungsgestörter Kinder

In der kindlichen Entwicklung gehören Störungen des Sprechens und der Sprache zu den häufigsten Entwicklungsstörungen. Darunter nimmt die spezifische Sprachentwicklungsstörung (SSES) eine bedeutsame Stellung ein, sie betrifft im deutschen Sprachraum zwischen fünf und acht Prozent der Kinder. Multika...

Ausführliche Beschreibung

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Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Suchanka, Hanna
Beteiligte: Berger, Roswitha (Prof.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2015
Schlagworte:
Online Zugang:PDF-Volltext
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Beschreibung
Zusammenfassung:In der kindlichen Entwicklung gehören Störungen des Sprechens und der Sprache zu den häufigsten Entwicklungsstörungen. Darunter nimmt die spezifische Sprachentwicklungsstörung (SSES) eine bedeutsame Stellung ein, sie betrifft im deutschen Sprachraum zwischen fünf und acht Prozent der Kinder. Multikausal verursacht, konnten in den letzten Jahren vielfältige Auswirkungen der Störung identifiziert werden, die die von der Störung betroffenen Kinder in den Bereichen geschriebener und gesprochener Sprache, psychosozialer Entwicklung und Schulbesuch bis ins Jugend- und Erwachsenenalter beeinflussen. Im klinischen Alltag ist auffällig, dass betroffene Kinder häufig zusätzlich von einer auditiven Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung (AVWS) betroffen sind. Die Symptomatik dieser Störung zeigt sich meist erst im Schulalter, betroffene Kinder weisen Aufmerksamkeitsprobleme im Unterricht sowie Defizite im Schriftspracherwerb auf. Inwiefern zwischen der SSES und AVWS ein Kausalzusammenhang besteht oder die Störungen unabhängig voneinander im Sinne von Komorbiditäten auftreten, ist Gegenstand der Forschung. Weiterführende Forschungsergebnisse zur Prognose von SSES im deutschen Sprachraum sowie Erkenntnisse über Zusammenhänge zwischen AVWS und SSES sind für betroffene Kinder, deren Eltern, Therapeuten und Lehrer wichtig damit mögliche Parallelitäten frühzeitig erkannt werden können und somit eine Therapie effektiver gestaltet werden kann und Auswirkungen der Störungen abgemildert werden können. Die vorliegende Forschungsarbeit widmet sich der Nachbeobachtung von ehemals von einer SSES betroffenen Kindern. Dabei handelt es sich um eine Vorstudie, deren Zielsetzung es war, Grundlagen für eine weiterführende, prospektiv angelegte Studie zur Langzeitbeobachtung von SSES-Kindern zu schaffen. Dafür wurde in einem interdisziplinären Team ein Elternfragebogen entwickelt, der effizient und ökonomisch die elterliche Einschätzung des aktuellen Sprachstands einholen sollte. Weitere Schwerpunkte wurden auf Informationen bezüglich des Schriftspracherwerbs, des Schulbesuchs und des Vorliegens einer AVWS gelegt. Das Studienkollektiv setzte sich aus ehemaligen Patienten der Klinik für Phoniatrie und Pädaudiologie des Universitätsklinikums Marburg zusammen. Dabei handelte es sich um vorwiegend kombiniert expressiv und rezeptiv sprachentwicklungsgestörte Kinder im Alter zwischen viereinhalb und sechs Jahren. Ausschlusskriterien waren eine periphere Hörstörung und eine geistige Behinderung. Die Auswertung der 61 verwertbaren Fragebögen ergab, dass noch 23 % der befragten Eltern ihre durchschnittlich inzwischen 11 Jahre alten Kinder als sprachauffällig bezeichnen würden. Diese Kinder wiesen zum Zeitpunkt der Diagnosestellung deutlich häufiger eine rezeptive Komponente einer SSES auf als eine rein expressive Störung. Defizitäre Sprachleistungen wurden von den Eltern in folgenden Bereichen bejaht: Häufige Wortsuche (16,4 %) und unvollständige Sätze (25 %). Die expressive Sprachverständlichkeit der Kinder und die Fähigkeit, mündlich gegebene Anweisungen zu verstehen, wurden als unauffällig bewertet. Die Kinder des befragten Kollektivs konnten laut ihren Eltern fristgerecht eingeschult werden, es zeigte sich im Vergleich zum Bundesdurchschnitt eine erhöhte Quote an Kindern, die eine Klasse wiederholen mussten (5 %). Der Großteil der ehemals von einer SSES betroffenen Kinder ist in der Lage, eine Regelschule zu besuchen (86,3 %), jedoch sind die übrigen 13,7 % der Kinder auf sprachfördernde Maßnahmen angewiesen, wie beispielsweise den Besuch einer Sprachheil- oder Förderschule. Im Bereich Schriftspracherwerb konnten folgende Problemfelder identifiziert werden: Zusammenschleifen von Buchstaben zum Wort (16 %), Lesesynthese (30 %), Satzbau (33 %) und Rechtschreibung (50 %). Dieser Bereich ist laut den Eltern also deutlich häufiger gestört als die eigentlichen Sprachleistungen der Kinder. Eine Häufung von AVWS in dem befragten Kollektiv konnte in der vorliegenden Untersuchung nicht gezeigt werden. Die Ergebnisse der statistischen Testung mittels Fishers Exakten Tests erzielten bei Fragestellungen bezüglich der Prognose von expressiven Störungsbildern und einer SSES mit rezeptiver Komponente keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen. Jedoch weisen bereits existierende Forschungsarbeiten in die gleiche Richtung, und so können die Ergebnisse dieser Studie sicherlich als Trends aufgefasst werden. Abschließende Aussagen über die Prognose, Schullaufbahn und Zusammenhänge mit AVWS erlauben die vorliegenden Daten allerdings nicht. Um solche Schlüsse ziehen zu können, bietet es sich an, auf Basis der vorliegenden Untersuchung eine prospektive Studie an einem größeren Patientenkollektiv mit standardisierten Messinstrumenten durchzuführen.
DOI:10.17192/z2015.0509