Beschlüsse des Ständigen Ausschusses für das Bibliothekswesen (StA IV) der Philipps-Universität Marburg
Beschluß vom 27.08.1971:
Grundsätzliche Überlegungen des Ständigen Ausschusses für das Bibliothekswesen (Ständiger Ausschuß IV) zur Bibliotheksorganisation in der Philipps-Universität Marburg nach Bildung der Fachbereiche (im Anschluß an die "Empfehlungen für die Zusammenarbeit zwischen Hochschulbibliothek und Institutsbibliotheken." Hrsg. von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Bibliotheksausschuß Bonn-Bad Godesberg, 1970)
- Die Aufgabe einer optimalen Literaturversorgung der gesamten
Hochschule und der finanzielle Zwang, die verfügbaren
Bibliotheksmittel so ökonomisch und rationell wie
möglich einzusetzen, erfordert, daß sich die
Universitätsbibliothek und die Fachbereichsbibliotheken als
Teile einer Einheit begreifen und im Rahmen eines kooperativen Gesamtsystems zusammenarbeiten. Negativ ausgedrückt
heißt das: das alte mehr oder weniger zusammenhanglose
Nebeneinander von Universitätsbibliothek und
Institutsbibliotheken ist organisatorisch und ökonomisch
nicht mehr zu rechtfertigen.
- Unbedingt beibehalten werden jedoch muß - im Rahmen
eines kooperativen Gesamtsystems - ein zweigleisiges System von
Universitätsbibliothek und Fachbereichsbibliotheken. Denn
beide haben teils gleiche, teils sich überschneidende, teils
andersartige Funktionen. Aus der Sicht des Benutzers ist es
- Aufgabe der Universitätsbibliothek neben der
Bereitstellung eines bibliographischen Apparates, der
Nachschlagewerke, der Zeitschriften sowie einer Lehrbuchsammlung
vornehmlich, Literatur auszuleihen.
- Aufgabe der Fachbereichsbibliotheken ist die jederzeitige
Verfügbarkeit von Präsenzbeständen in
Freihandaufstellung für die betreffenden Wissenschaftler und
Studenten. Dabei handelt es sich sowohl um grundlegende und
spezielle Forschungsliteratur, als auch um Studienliteratur und
Zeitschriften. (Ausführlich: Empfehlungen der Deutschen
Forschungsgemeinschaft).
- Die Universitätsbibliothek ist organisatorisch die
bibliothekarische Koordinierungsstelle der gesamten Hochschule (s.
HUG § 37 [Anm. 1]). Wichtige ihr obliegende zukünftige Aufgaben
sind in diesem Rahmen in Marburg u.a.:
- die Herstellung eines Systematischen Zentralkatalogs,
- die Ausarbeitung von einheitlichen Sachkatalogsystemen
für die Fachbereichsbibliotheken,
- die Ausarbeitung einheitlicher Regeln für die
Führung der Kataloge und die Aufstellung der Bücher
sowie praktische Hilfe bei der Umstellung mit dem Ziel einer
möglichst weitgehenden Vereinheitlichung der bisher sehr
unterschiedlich aufgebauten Bibliotheken und
Bibliothekssystematiken,
- Ermittlungen zur Abgrenzung der Zuständigkeiten und
Aufgaben der in den Instituten eingesetzten bibliothekarischen
Fachkräfte,
- Hilfestellung bei Bücherkäufen und
Buchbindearbeiten.
Die Betonung der Koordinationsfunktion der
Universitätsbibliothek, welche u.a. bereits durch die
Erfassung sämtlicher Buchbestände der Universität
in einem Alphabetischen Zentralkatalog und durch eine Zentrale
Bestellkartei ihren Ausdruck gefunden hat, darf jedoch nicht dazuführen, daß nun die von den Fachbereichsbibliotheken
angeschaffte Literatur von der Universitätsbibliothek nicht
mehr gekauft wird, so daß sich allmählich das
Schwergewicht auf die Fachbereichsbibliotheken verlagert und diese
nun zwangsläufig zu Ausleihbibliotheken werden. Denn jedes
Buch ist für den Benutzer, vor allem in den
Geisteswissenschaften, ein Arbeitsplatz; aufeinander abgestimmte
Doppel- und Mehrfachanschaffungen wissenschaftlicher Werke sind
sinnvoll und notwendig.
- Bei der Zusammenfassung der zur Zeit in eine Vielzahl von
Institutsbibliotheken aufgesplitterten Buchbestandes zu
leistungsfähigen Fachbereichsbibliotheken mit entsprechend
geschultem Fachpersonal und Kopiergeräten müssen
differenzierte Lösungen für die Geisteswissenschaften,
Naturwissenschaften und den Fachbereich Humanmedizin gefunden
werden. Solange eine räumliche Konzentration der
Fachbereichsbibliothek nicht möglich ist, wird für eine
einheitliche Verwaltung der im Fachbereich vorhandenen
Bibliotheken gesorgt werden müssen. Für den Fachbereich
Humanmedizin werden wegen seiner Ausdehnung Sonderregelungen
nötig sein.
- Zu den vordringlichen Aufgaben des Bibliotheksausschusses
gehört daher:
- die Erstellung allgemeiner Richtlinien für alle
Fachbereiche,
- die Erstellung spezieller Richtlinien (unter Einbeziehung
notwendiger Übergangslösungen) für die einzelnen
Fachbereiche in Kooperation mit diesen.
- Soweit im Fachbereich eine Fachbereichskommission für das
Bibliothekswesen gebildet wird, soll sie einmal die Zusammenarbeit
mit dem Ständigen Ausschuß IV und der
Universitätsbibliothek sicherstellen, zum anderen soll sie
die Organisation des Bibliothekswesens im Fachbereich regeln und
den laufenden Betrieb und die Literaturerwerbung koordinieren. An
den Sitzungen nehmen der bzw. die Fachreferenten der
Universitätsbibliothek und der bzw. die Bibliothekare des
Fachbereichs mit beratender Stimme teil. Das gleiche gilt für
die Erörterung von Angelegenheiten des Bibliothekswesens in
der Fachbereichskonferenz.
- Wenn auf den Lahnbergen die Errichtung einer weiteren
zentralen Bibliothek notwendig werden sollte, dann wird sie
organisatorisch eine Zweigstelle der Universitätsbibliothek
sein müssen. Nähere Überlegungen hierüber
werden schon in Kürze im Zusammenhang mit der Planung der
Neubauten für den Fachbereich Humanmedizin anzustellen
sein.
- Angesichts der Expansion der wissenschaftlichen
Neuerscheinungen und des stetig anwachsenden Literaturbedarfs
infolge der Expansion von Forschung und Lehre (Lehrpersonal,
Studentenzahlen) muß aber dringend vor dem Versuch gewarnt
werden, die finanziellen Probleme allein durch organisatorische
Maßnahmen bewältigen zu wollen. Eine
grundsätzliche (erhöhter Literaturbedarf) und laufende
(Preissteigerung) Erhöhung der Bibliotheksetats ist nicht zu
umgehen.
[Anm. 1:] Jetzt: HUG § 38.