Protokoll der 76. Abendaussprache


Quelle: Berlin, Landesarchiv: Rep. 140, Acc. 4573: Schulfarm Insel Scharfenberg: Chronik der Schulfarm Insel Scharfenberg, Bd. VI, o.S.

[Datum: Mi, 15.06.1927 - Protokollant: [anonym]]


Schlicht begann Bauer die musikalische Einleitung mit dem "deutschen Lied" von Tschaikowskij. Im größeren Kreis, durch 30 neue Tertianer vermehrt, erzählt Blume zur Einführung in unsere Gedankenwelt Verwandtes aus seiner Ferienlektüre. So von dem Baumeister Sommerfeldt, der vom Klempnerlehrling zum Großbauherrn in der Türkei aufgestiegen ist, und zwar, wie er bekennt, allein durch Arbeit an sich selbst, nicht unterstützt durch Schule, Staat, Gönner. Auch bei August Herrmann Francke, dessen Todestag man in Deutschland in diesen Tagen überall gedacht hatte, ließ sich mehreres aufzeigen, was wir hier verwirklichen möchten: die Verbindung der Landwirtschaft und der Industrie mit der Schule, die Teilung in Neigungskurse, das Heranbilden der Lehrer aus den eigenen Reihen, die Aufnahme ärmerer Schüler. Allerdings muß auch auf den Unterschied hingewiesen werden, daß in Halle alles mehr von christlichem Geist durchdrungen war.

Ins Engere gehend, sprach er von der Hochzeit unseres früheren Altphilologen Herrn Wolff, übermittelte einen Gruß des ehemaligen Schülers Döhlemann, der uns nicht ganz freiwillig verlassen hatte, jetzt aber auf der Fahrt nach Amerika unserer gedachte, ferner von den behördlichen Ferienbesuchen, die mit dem Bau und den notwendigen Reparaturen zusammenhingen. Den engen harmonischen Zusammenhalt der Ferienbewohner wünschte er auch in die Schulzeit fortgesetzt; an einer Zeitungsfrage über "Weekenderholung" zeigte er, wie grade die stärksten geistigen Arbeiter allzu bequemer Erholungsmanie, wie sie jetzt eine Tagesströmung ist, entgegengetreten seien.

Daran schloß sich ungezwungen ein Mißtrauensantrag gegen Gerhard Marnitz, der vor den Ferien beim Abendessen statt einer 6 der abgezählten Schinkenportionen sich genommen hatte. Er wurde mit 30 gegen 7 Stimmen angenommen. - Sich die Unterhaltung der Gäste bei der bevorstehenden Elternversammlung zu überlegen, ward Ausschuß und Gemeinschaft gebeten.

Blumes Anregung, einen Schwimmlehrer duch Vermittlung des Amtes für Leibesübungen kommen zu lassen, ward abgelehnt; Faas verlangte dem gegenüber, daß jeder Oberstüfler 2-3 Jüngere in der Schwimmkunst fördern solle.

Ein Antrag des Ausschusses, auch im Holzhaus einen auf Sauberkeit achtenden Waschdienst einzuführen, ward nach lebhaftem Widerspruch von Teutenberg abgelehnt.

Mit einem altfranzösischen Lied von Tschaikowskij klang der Abend aus.



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