Protokoll der 84. Abendaussprache


Quelle: Berlin, Landesarchiv: Rep. 140, Acc. 4573: Schulfarm Insel Scharfenberg: Chronik der Schulfarm Insel Scharfenberg, Bd. VII, o.S.

[Datum: , ......1928 - Protokollant: Heinz Mügner]


Zu Beginn der 84. Abendaussprache trug Herr Spree auf dem Klavier ein Menuett Schuberts vor.

Darauf ging man zum ersten Punkt der Tagesordnung, Preisverteilung des Plakatbewerbs, über. Samter verlaß einen Zeitungsausschnitt und sprach dann im Namen der Kommission sein Bedauern über die mäßige Beteiligung aus. Daran schloß sich die Preisverteilung an. Der erste Preis wurde unter stürmischem Beifall Jochen zugesprochen. Ohrenbetäubender Jubel erhob sich aber, als Herr Ackermann, der Vertreter der Lehrerschaft, einen Trostpreis erhält.

Nachdem einige nicht Anwesende entschuldigt worden waren, ging man daran, den zweiten Punkt, einen Antrag von Kabelich, zu behandeln. Dieser lief darauf hinaus, die Ferien 3 Tage eher anzutreten und wieder zu beenden. Als Gründe führte Kabelich an, daß man dann Fahrgeld nach Berlin sparen und den Unterricht mit einer vollen Woche beginnen könne. Ludwig Knoll wendet dagegen ein, daß verschiedene dann ihre Pläne wieder umstoßen müßten. Auch der Chef bemerkt, ihn hätten verschiedene Eltern gefragt, ob ihre Söhne früher nach Hause könnten. Da er es nicht erlaubt habe, würde diese plötzliche Umänderung recht unangenehm sein. Die folgende Abstimmung ergibt, daß nur 2 Stimmen dafür sind, der Antrag also abgelehnt ist.

((o.S.))

Der 3. Punkt ist eine Anfrage von Bobs, ob nicht ein jeder, der ein Amt haben wolle, sich melden könne, damit nicht Leute gewählt würden, die gar keine Lust dazu hätten. Bauer meint, daß das schon immer so gewesen sei, wozu Ruthenberg ergänzt, daß stets 2 Wochen vor der Wahl Umfrage untereinander war. Marnitz ist dafür, daß jeder nur 1 Amt, nicht aber 4 oder 5 bekleiden solle. Da keine Wortmeldung erfolgt, findet die Allgemeinheit, daß eine Abstimmung überflüssig sei.

Daraufhin erteilt Bobs dem Chef zum 4. Punkt das Wort. Frl. Rotten, eine Freundin Scharfenbergs, gebe eine Zeitschrift, das "Werdende Zeitalter" heraus. Sie will eine Scharfenberg-Nummer herausgeben, so daß wir unsere Anfänge, Erfahrungen und Ziele kostenlos vor eine interessierte Öffentlichkeit bringen können. Aber nicht allein die Lehrer sollen schreiben, sondern das Heft soll sich mosaikartig aus Beiträgen aller zusammensetzen. Die erste Frage ist: Sollen wir mit oder ohne Kommmission arbeiten? Herr Spree meint, man möge sich doch aus jedem Hause einen wählen, der dann aus seiner Personenkenntnis heraus die einzelnen besser anfeuern könne. Schließlich, nach langer Debatte, ergibt die Abstimmung, daß die Kommission allgemein zu wählen ist. Und zwar entscheidet man sich für eine Sieben-Männer Kommission [Anm 1].

Der 5. und wichtigste Punkt, das Erntefest und die Einweihung des Neubaues, schließt sich an. Kube meint, daß zum Erntefest keine Stücke aus dem Unterricht sondern besondere vorgeführt werden sollen. Radvann weist auf die Interessenlosigkeit der Zuschauer hin, die Stenger

((o.S.))

damit erklärt, daß die meisten die Stücke nicht verstanden hätten. Darauf erklärt die Oberstufe, sie hätte die Absicht, Görings "Seeschlacht" [Anm. 2] zur Einweihung aufzuführen. Aber der Chef hält es für unmöglich, dieses Stück dabei zu inszenieren da es in seinem quälenden Ernst nicht in den Rahmen einer Einweihung hineinpasse. Eine sehr wichtige Frage ist die, ob beide Feste zusammenfallen sollen. Sofort meldet sich Meister Glasenapp zum Wort. Dieses sei unmöglich, erklärt er, da das Übersetzen dann nicht mehr bewältigt werden könne. Es müssen also die Feste unbedingt getrennt werden. Die Eltern wären zu der Einweihung weniger nötig, meint er, es sollen nur Interessenten eingeladen werden. Blume erläutert noch zu der Elternfrage, daß es keine Herabsetzung der Eltern sein solle, sondern nur ein Akt der Notwendigkeit. In der Abstimmung wird die Zusammenlegung der Feste abgelehnt. ---

Dr. Radvann nimmt zum letzten Punkt, Anfragen und Anregungen, das Wort. Er bittet, Zeitungsartikel, die mit der Antike zusammenhängen, ihm zu bringen. Chef erwähnt einen Brief des statistischen Amts, in dem sich ein Herr bereit erklärt, unentgeltlich einen Kurs für die deutsche Landwirtschaft zu eröffnen. Dann bittet er, weil die hellen Farben des Neubaus jetzt schon beschädigt seien, sich doch mehr vorzusehen. Dann schreitet man zur Wahl eines neuen Geschäftsführers. Emil Schipkus kann die meisten Stimmen auf sich vereinigen und ist somit gewählt.

Der Abend wird mit einem Klavierstück beendet, gespielt von Herrn Spree und unserem Musikwart Bauer.

Heinz Mügner.


Anmerkungen::

Anm. 1:
Die Sieben-Männer-Kommission bestand aus H. Samter, E. Schipkus, B. Schmoll, K. Martinu, J. Heinrichsdorff, L. Knoll und H. Setzer, wie man entnehmen kann: : Aus dem Leben der Schulfarm Insel Scharfenberg. Bilder, Dokumente, Selbstzeugnisse von Eltern, Lehrern, Schülern, red. von Wilhelm BLUME, in: Das Werdende Zeitalter. Eine Monatsschrift für Erneuerung der Erziehung, Jg. 7 (1928), S. 329-404, hier S. 329.

Anm. 2:
GÖRING, Reinhard, Seeschlacht. Tragödie, Berlin 1917 [12. und 13. Aufl. ebd. 1926].



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