Protokoll der 73. Abendaussprache


Quelle: Berlin, Landesarchiv: Rep. 140, Acc. 4573: Schulfarm Insel Scharfenberg: Chronik der Schulfarm Insel Scharfenberg, Bd. V, S. 472-474

[Datum: , ...03.1927 - Protokollant: Erich Dietz]


Auch diese Abendaussprache wurde durch Beethovensche Klänge eingeleitet: Herr Sorge spielte Sonate Opus 26 und Opus 49,I und las als Motto dieses Abends ein Wort dieses großen Komponisten vor: "Höheres gibt es nicht, als der Gottheit sich mehr als andere Menschen zu nähern und von hieraus die Strahlen der Gottheit unter dem Menschengeschlecht zu verbreiten".

Bevor wir nun zur letzten Abstimmung über die Zwischenstüfler kamen, sprach Teutenberg den Wunsch aus, daß die erforderliche Stimmenzahl, also 2/3 Mehrheit, herabgesetzt werde, da er sie als zu streng empfände; ihm wurde jedoch erwidert, wir könnten unmöglich jedesmal die Aufnahmebedingungen ändern. Ferner brachte die sogenannte "Tricolore-Bude" durch eine schriftliche Erklärung ihr Erstaunen darüber zum Ausdruck, daß Herbert Böttger bei der Stimmrechtsverteilung bisher vollkommen übergangen würden sei, trotzdem sie ihn fraglos für würdig hielten, in die Gemeinschaft aufgenommen zu werden.

Da der Ausschuß sich nun zum Auszählen der Stimmen zurückzog, gab uns

((473))

Herr Blume einen kurzen Bericht über das neu erschienene Jahresheft "Die Schule am Meer" [Anm. 1]. Wir hörten, daß dies schon bedeutend sachlicher sei als das erste, bei dem man den berechtigten Witz gemacht hätte, die Schule habe das Meer zu ihrem Oberstudienrat ernannt. Die Schule wendet sich besonders gegen das Vorurteil, das Wetter sei zu schlecht, da wegen der Nähe des Golfstroms dort mildes Klima herrsche. Der Leiter Luserke gab allerdings die Abgeschlossenheit der Insel im Winter zu, bezeichnete sie jedoch als einen wesentlichen Faktor des Schulbetriebs. Dann folgte eine Aufzählung fertiger oder begonnener Jahresarbeiten. Der Bericht wird unterbrochen, da der Ausschuß wieder den Saal betritt und das Ergebnis der Schlußabstimmung mitteilt: Von 55 abgegebenen Stimmen hat Schnäwel 32, Böttger 30, Block 29, Papendorff 28 erreicht, also keiner die notwendige Stimmenzahl von 37. Wie immer in solchen Fällen betont Herr Blume, daß darin kein Werturteil für den Menschen überhaupt läge, wenn er sich gerade dieser Gemeinschaft nicht anschließen dürfe. Da es schon spät ist, wird nun die Fortsetzung des Berichtes vertagt, aus dem noch als Anregung hervorgeht, am Ende jeder Arbeitswoche ein Großreinemachen einzuführen [Anm. 2]. Nachdem ohne Widerspruch der Vorschlag Blumes, daß alle des Abituriums und Einjährigen wegen die Insel bis zum kommenden Dienstag verlassen sollen, angenommen ist, ging man zur Neuwahl der durch das Ausscheiden der Abiturienten verwaisten Ämter über.

Das Ergebnis war:

Politischer Zeitungsberichterstatter: Oeser
Literarischer Zeitungsberichterstatter: Fiebig
Mahlzeitenchef: Jandt
Gartensaalwart: Fiebig
Kahnwart: Kube

((474))

Den letzten Punkt bildete die Wahl eines neuen Lehrerausschusses, da auch Herr Sorge uns zu Ostern verläßt. Herr Sorge selbst stellt den Antrag, daß auch Blume in den Ausschuß gewählt werden darf, was der jedoch mit der Begründung zurückweist, man werde dann befürchten, daß die Selbständigkeit des Ausschusses zu sehr unterdrückt würde. So wurde der Antrag mit 14:30 Stimmen abgelehnt. Herr Blume schlägt nun vor auch den Landwirt zum Ausschuß wählbar zu machen, wogegen aber Glasenapp sich wendet, da er meint, "man solle nicht in der Not zum Landwirt greifen." Trotzdem wurde der Antrag mit 29:24 Stimmen angenommen. Nachdem Herr Dr. Saupe zurückgetreten ist, da er erst so kurze Zeit hier sei, und Herr Dr. Ziegelmayer seinem Beispiel gefolgt ist, schreitet man zur Wahl. Das Ergebnis ist: 2 Stimmen für Dr. Ziegelmayer, 31 für Herrn Glasenapp. Zur 2/3 Mehrheit gehörten jedoch 36 Stimmen. Zum Schluß ergreift noch einmal Herr Sorge das Wort. Er liest das erste Kapitel aus den Lebenserinnerungen von W. von Siemens [Anm. 3] vor und fordert mit diesem alle auf, drohenden Gefahren mutig entgegenzusehen. Er schließt mit den Worten: "Habt den Mut, mutig zu sein" diese Abendaussprache.

E. Dietz.


Anmerkungen::

Anm. 1:
Nach: SCHWARZ, Karl, Bibliographie der deutschen Landerziehungsheime (=Aus den deutschen Landerziehungsheimen, 8), Stuttgart 1970, S. 96, existieren zumindest neun 'Berichte der Schule am Meer auf Juist'; Im Frühjahr 1927 (März) erschien der siebte, 312 Seiten umfassende Bericht.

Anm. 2:
S. Protokoll der 75. Abendaussprache vom 03.05.1927: Hier weitere Vertagung des Themas, Fortsetzung nicht bekannt.

Anm. 3:
SIEMENS, Werner von, Lebenserinnerungen, 3. Aufl. Berlin 1916.



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