Protokoll der 61. Abendaussprache


Quelle: Berlin, Landesarchiv: Rep. 140, Acc. 4573: Schulfarm Insel Scharfenberg: Chronik der Schulfarm Insel Scharfenberg, Bd. V, S. 224-227

[Datum: , 16.09.1925 - Protokollant: Arnold Fritz]


Zu Anfang der Aussprache sangen uns Jenke, Opalka und Pewesin das Lied: "Als ich ein Junggeselle war" nach einem Satze von Georg Götsch und ein altes Wanderburschenlied mit Lauten und Violinenbegleitung.

Die erste Mitteilung war darauf Jenkes Bericht von der Arbeit der 4 Schlosser in einer großen, 20 Schraubstöcke beherbergenden Werkstatt in der Gartenstraße unter der Leitung Herrn Georges. Die ersten Erzeugnisse wurden herumgegeben.

Sodann erinnerte Blume den Rest des Naturkurses an eine vor längere Zeit vom Naturschutzverein getane Bitte und verlas einen sehr freundlichen, im Stile unseres Erntefestes geschriebenen Brief von Frau Oberschulrätin Wegscheider aus England, die bedauerte, nicht kommen zu können und einen Brief vom Centralinstitut, das sich für die gute Aufnahme der ausländischen Lehrer bedankte, die den Höhepunkt ihres Lehrganges in jenem Besuche sahen. Nunmehr sprach Walter Schramm über die Einnahmen des Erntefestes. Den 420-300 M. Auslagen = 120 M. betragenden Reingewinn beschlossen wir teils zur Deckung der bei der Verpflegungskasse gemachten Farbenschulden (50 M.), teils zur Bezahlung der Transport- und Septemberkosten des Klaviers (46 M.), teils zur Anschaffung einer Buchbinderpresse mit Preßbrettern zu verwenden, auch teilte Blume bei dieser Gelegenheit mit, daß der Geflügelstall am Braunhaus Glasenapp zu einer im großem Stil geplanten Entenzucht dienen solle, wo auch die von der Gemeinschaft gewählten Warte, von denen übrigens laut Beschluß Sonntags immer einer in Scharfenberg bleiben solle, von jetzt ab fungierten. Blume selbst habe aus eigenen Mitteln die Hühnerzucht am Holzhaus vergrößert und wolle sie mit Hilfe seines Hühnerwarts (J. Teutenberg) noch weiter leiten, bis sie in Schwung sei. Dann werde er sie der Gemeinschaft überlassen. Eine traurige Feststellung endlich machte der Ausschuß Schramm: Wenn auch der Ausschuß sich in Unterrichtsangelegenheiten nicht einmischen wolle, müsse er es hier doch tun, um die traditionelle Form des Scharfenberger Unterrichts zu retten. Paul Heinrichsdorff, der rein als Kamerad, nicht als Pauker den Aufbauern englischen Hilfs- und Lektüreunterricht erteilt, müßte sich über das pennälerhafte Betragen von Heide beschweren, aber auch Buschke und Faas hatten, wie sich herausstellte, auf üble Weise den Unterricht gestört. Der Ausschuß wolle einen Brief an die Eltern senden,

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in dem er ausdrückte, daß Leute mit dieser Gesinnung schwerlich in die Oberstufe gelangen können. Auch stellt W. Schramm fest, daß Heinz Link sich jetzt zum 3. Male auf schamlose Art seiner hiesigen Existenz unwürdig gezeigt hat, indem er mit Gewalt Hans Samter einen Angelhaken in den Kopf gebohrt habe. Er solle sich vorsehen, denn beim 4. Male müsse er Scharfenberg verlassen. Blume hebt noch hervor, daß es früher nie soweit gekommen sei, daß der Ausschuß regelrechte Verhöre abzunehmen gezwungen würde. Für den folgenden Tag wird noch eine Besprechung über den englischen Unterricht im Aufbau festgesetzt.

Dem 2. Punkt, der Bullenbaufrage, schickt Blume voraus, daß der Antrag Arnold Fritz zur Verbesserung jener Angelegenheit eigentlich schon erfüllt sei. Es bestände aber noch ein Vorschlag Kalähne, einen besseren Bullenbau zwischen Haupt- und Holzhaus einzurichten. Frl. Kalähne fordert außerdem, ein Zimmerkloset für Nacht und Krankheitsfälle zu beschaffen. Blume berichtet, daß schon 450 M. für diese Zwecke aus dem Versuchsschulfond beantragt seien. Zuletzt ermahnt der Antragsteller den Bullenbauwart noch zur besseren Ausübung seines Amtes.

Den 3. Antrag "Sportsonntag" begründet Jenke damit, daß jeder mal zeigen müsse, was er auf jedem Gebiete leistet. Er schlägt den ersten Nachferiensonntag für diesen Ausscheidungskampf vor. In einer 5 Kampfgruppe für Größere und einer 3 Kampfgruppe für Kleinere könnte sich jeder messen. Döhlemann wirft ein, daß wir nicht Rekorde haschen wollen, sondern nur den Körper stärken. Jenke erwidert, daß der Sportsonntag nur zu besserem Sportbetrieb anregen solle, und Schramm betont, daß hier doch jeder zeigen könne, was er in den Gruppen gelernt hat. Außerdem, sagt Blume, könne sich ja das Fest ganz ohne geladene Gäste abspielen; es wird angeregt, am Vormittag Sport und am Nachmittag Spiel zu treiben, worauf der Antrag und als Termin der erste Sonntag nach den Ferien angenommen wird.

Für den vierten Punkt ergreift das Wort Blume: Um unsere Selbstständigkeit zu fördern schlägt er nach den Erfahrungen, die er als Chronide machte, vor, das Wecken durch den Chroniden abzuschaffen. Durch ein starkes Läuten würden die meisten aufwachen und die andern [dadurch] wecken [können]. 10 Min. danach würden alle an der Glocke sein zum Ablauf. Berisch erinnert, daß der Budenälteste für schnelles Aufstehen sorgen müsse.

Als der Antrag angenommen ist, schreitet Blume zum 5., wichtigsten Antrag dieses Abends, der Umordnung des Bereitschaftsdienstes.

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Früher sei der Tag und die betreffende Arbeit des Hilfsdienstes ganz willkürlich jedem einzelnen in jeder Woche bestimmt worden, dann habe man den großen Schritt zum Bereitschaftsdienst getan. Aber auch im Bereitschaftsdienst sei man mehr oder weniger doch immer Gelegenheitsarbeiter, während der Antrag bezwecke, ähnlich dem wissenschaftlichen Kurssystem Fachgruppen zu bilden, die ganz nach Verabredung die zu erledigenden Arbeiten machen sollten. Auch würde hierdurch bezweckt, daß sich jeder seinen Hilfsdienst selbstständiger einrichten könne. Nachlässige Gruppen würde der Ausschuß auf den Schub bringen, wogegen dieser auch das Pensum einer zu sehr beschäftigten Gruppe regulieren würde. So könnte man sich eine Maler-, Buchbinder-, Tischler-, Schlosser-, Landwirtschafts- und manche andere Gruppe denken. Leute, die sich in keine Gruppen recht einfügen lassen, könnten ja eine Hilfstruppe für alles bilden, wenn aber im Sommer bei der Landwirtschaft viel zu tun sei, könnten ja auch alle andern Gruppen einspringen. Glasenapp bestätigt, daß mit wenigen Fachleuten mehr zu schaffen sei, als mit vielen Laien. Metz meint, daß durch diese Art mehr die materielle Leistung, als die Idee der ständigen Bereitschaft gefördert würde. Auch Berisch findet zu große Verfachlichung nicht gut. Der harmlose Dilettantismus gefiele ihm besser. Glasenapp erwidert: Es komme ja darauf an, Materielles zu schaffen! Metz glaubt nicht, daß Gemeinschaftsgeist durch diese Art des Hilfsdienstes zustandekäme, da jeder nur aus Liebe zur Sache arbeite. Schramm wendet sich dagegen, denn gerade dadurch, daß man eine größere Sache zum dauernden Nutzen der Gemeinschaft schaffe, fühle man sich ihrer wert und lerne man sie lieben. Da sich die Abendaussprache zeitlich dem Ende zuneigt, führt Blume nur noch an, daß wir durch Selbstarbeit nach außen unabhängig würden. Schließlich wird abgestimmt, ob wir den Gedanken weiter verfolgen, oder ihn gänzlich verbannen wollen. 26 Stimmen waren für das erste, 12 dagegen.

Der 6. Punkt, die Klavierfrage, wird noch erledigt. Man schlägt 2 Fliegen mit einer Klappe, indem man das Klavier, um die Arbeitenden im Hörsaal nicht zu stören, in ein geheiztes Zimmer bringen will, worin auch zugleich diejenigen, die geheizt schlafen wollen,

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wohnen könnten. Der Musikunterricht wird dann mit Hilfe des Flügels erteilt werden. Da aber auch für die Gemeinschaft oft etwas geübt wird, wird vorgeschlagen, daß von der monatlichen Abzahlung 6 M. von der Gemeinschaft, und 20 M. von den Übenden bezahlt werden sollen. Herr Bandmann ist dagegen und regt an, denjenigen, die nur üben, um für die Gemeinschaft etwas vorzubereiten, den Betrag zu erlassen, statt 6 M. den für Privatzwecke Übenden zu erlassen. Der erste Antrag wird angenommen. Blume berichtet noch, daß die Reparatur des Ibachflügels 350 M. kosten soll. Um nicht auf einmal alles Geld aufbringen zu müssen, soll sie nach und nach geschehen.

Der letzte Punkt, "Anregungen", wird von Samter eröffnet, der zur Förderung der Sammelmappen vorschlägt, diese im Saale auszulegen zur Besichtigung für alle. Man ist damit einverstanden. Walter Schramm bittet darauf um Vorschläge für Zimmer- und Arbeitsraumverteilung für den Winter. Es würden jetzt mehr und schwächer besetzte Räume geheizt, um die Gemütlichkeit zu steigern, wofür die Schlafzimmer oft stärker besetzt werden müßten.

Zum Schluß regt P. Völkner noch an, den Musikunterricht für die Oberstufe fakultativ zu machen. Die Besprechung darüber wird verschoben.

Zum Schluß dieser recht vielseitigen Abendaussprache singen uns die 3 Sänger (von vorhin) ein geistliches Lied von Leo Hasler 2 mal.

Arnold Fritz.



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