Protokoll der 57. Abendaussprache


Quelle: Berlin, Landesarchiv: Rep. 140, Acc. 4573: Schulfarm Insel Scharfenberg: Chronik der Schulfarm Insel Scharfenberg, Bd. V, S. 176-179

[Datum: , 27.05.1925 - Protokollant: Hellmut Jaesrich]


Die 57. Abendaussprache wird eingeleitet durch Schuberts Militärmarsch D-Dur.

Blume begrüßt zunächst den Zuschuß an neuem Blut, den Scharfenberg zu Beginn dieses Semesters erfahren hat und weist darauf hin, daß die neuen Mitglieder der Gemeinschaft, da sie erst nach Abschluß des Probevierteljahres bei Abendaussprachen und sonstigen Beschlüssen stimmberechtigt sind, umso besser ihre Tätigkeit auf Vorschläge und Anträge verwenden können. Unter dem Punkt Mitteilungen richtet Blume Grüße von Krampe aus Tübingen, von Kraemer und Grotjahn aus Innsbruck aus. Die Firma Leitz hat auf eine Anfrage geantwortet, daß der Betrieb eines Epidiaskops mit anderer als elektrischer Kraft sich nicht ermöglichen lasse, man sich also mit einem Diaskop begnügen müsse, das aber für unsere Zwecke kaum in Frage kommt, Herr Bandmann verpflichtet sich, sich bei der Firma zu orientieren ob vielleicht Akkumulatoren von mittlerer Stärke bei einem Epidiaskop in Verwendung kommen können, denn in der nächsten Zeit wird wohl kaum auf Elektrizität von Tegelort her zu hoffen sein. Als finanzielle Annehmlichkeiten werden erwähnt, daß ein begeisterter Besucher vom Donnerstag M. 100,- gestiftet hat und daß die Fährkasse sich zu der Kontohöhe von M. 61,35 aufgeschwungen hat.

Es wird zunächst eine Einlage in die eigentliche Tagesordnung behandelt, ein landwirtschaftlicher Antrag Glasenapps. Herr Glasenapp hält es zur Vermehrung des am Mittwoch nachmittag geleisteten für angebracht, den Schichtwechsel in der Gemeinschaftsarbeit wegfallen zu lassen. Bei manchen Arbeiten dauere es 1 1/2 bis 2 Stunden, bis man sie technisch einigermaßen beherrscht und die so erlernte Fähigkeit könne dann nicht mehr angewandt werden. Der nächste stehe um vier wieder ganz ahnungslos vor seiner Aufgabe. Es sei auch nicht immer möglich so schnell wie es wünschenswert sei, allen neuen Arbeitern beim Schichtwechsel ihren neuen Platz und ihre Aufgabe anzuweisen, und leicht geschehe es daß einer noch um fünf auf der Insel umherirre und sein Werkzeug, seine Kollegen und die zu entfernenden Maulwurfshaufen suche. Gegen den Antrag wird zunächst von K. Berisch eingewandt, daß nach 3 Stunden der gleichen, womöglich besonders monotonen Arbeit eine psychische Übermüdung sich einstelle, die die Arbeit beträchtlich verlangsame, ihr jeden Schwung nehme, so daß selbst von diesem Gesichtspunkt aus der Schichtwechsel nicht allein im Interesse des Arbeitenden sondern auch in dem der Arbeitslosigkeit bestehe. Von Blume wird gesagt, daß selbst bei Anerkennung aller

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vorgebrachten Gründe die Angelegenheit eines prinzipiellen Entscheids nicht bedürfe. Genüge es nicht, das Durcharbeiten, das schon jetzt bei einigen Arbeiten stattfindet, auf eine größere Zahl von Fällen auszudehnen, d.h. überall da anzuwenden, wo es für nötig erachtet wird und wirklich auf bessere Resultate hoffen läßt. Herr Glasenapp ist nicht so recht einverstanden, es wird also über den prinzipiellen Antrag abgestimmt. Er erhält 10 Stimmen, ist damit abgelehnt während Blume und W. Schramm als Verteidiger der Gemeinschaftsarbeit auf dem von Blume vorgeschlagenen Mittelpfad einherzuwandeln versprechen.

Der ursprüngliche Punkt I der Tagesordnung heißt: Einrichtung der Badestunde. Zunächst geht ein Bogen herum auf dem sich alle eintragen, die bisher ihr Probestück im Schwimmen auf Scharfenberg abgelegt haben. Es sind 17 Mann. Blume weist wie zu Beginn jedes Sommers auf die ungeheure Verantwortung hin, die gegenüber Öffentlichkeit und Gericht auf seinen Schultern liegt und bittet um Ernennung einer Wapo, wie sie ja schon im vorigen Jahre bestanden hat [Anm. 1]. Es melden sich: Blümel, Astheimer, Jandt, Schramm, Opalka; von den neuen, die automatisch eintreten sollen sobald sie sich freigeschwommen haben: Jenke und Döhlemann. Blume stellt nun als Bedingungen auf, unter denen allein das Baden auf Scharfenberg möglich sein kann: die Badestunde muß ausfallen, wenn kein Mitglied der Wapo ist, [...] [Anm. 2] über das [dann] niemand hinausschwimmen kann. Die Badestunde muß ausfallen, wenn kein Kahn am Badestrand vorhanden ist. Jürgen Teutenberg schlägt den Bau eines Floßes vor, womit sich Glasenapp nach eingehender Betrachtung der Holzverhältnisse einverstanden erklärt, und dem zur Entstehung zu verhelfen sich folgende Liste bereit erklärt: Bauer, Jakobi, Pewesin, Metz, Heimhold, Noeggerath, Heyn, Völkner, Steinauer, Heller, Wendt, Neke, Dietz, Klose, Pallat, Heide, Buschke. Ein Rettungsring soll aus der Fährkasse angeschafft und stets zum Baden mitgenommen werden, während er sonst wohl am besten möglichst ungesehen, aber leicht erreichbar an der Fährstelle untergebracht wird, da wo auch die neuen Ersatzruder stehen - sollen!

Zu Punkt II der Tagesordnung meldet sich Arnold Fritz, der den Vorschlag macht Sportpause und Freiübungspause zu vereinigen und an die Stelle der jetzigen Freiübungen hinter die 4. Stunde als vergrößerte Sportpause zu plazieren. Durch diese Konzentration werde die doppelte Misere des Zuspätkommens vermieden; für die Freiübungen lasse sich vielleicht ein Ersatz in einem kleinen Intermezzo beim morgendlichen Dauerlauf finden. Gegen den Antrag wird von Geister angeführt, daß man sich nach einer 3/4 Stunde ernst durchgeführten Sportes nicht mehr fähig zu 2 Unterrichtsstunden fühlen könne; von Blume wird bestätigt, daß in den Stadtschulen der Turnunterricht der höheren Klassen nach Möglichkeit auf die letzte Stunde gelegt wird. Arnold Fritz hofft durch seinen Antrag wenigstens zur Pünktlichkeit bei Freiübungs- und Sportpause beigetragen zu haben.

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Blume regt als praktischen Vorschlag an, die Bücher zur 5. und 6. Stunde schon gleich nach dem Frühstück mitzunehmen, um so unnötiges Zurücklaufen oder vielmehr -schlendern nach dem Haus zu vermeiden. Die Abstimmung über A. Fritz' Antrag gibt 4 Stimmen für den Antrag, der damit abgelehnt ist. Bei Gelegenheit dieser sportlichen Besprechung bittet Fr. Geister um Geld aus der Fährkasse zu einer Dachlatte, aus der sich die Springgruppe einen neuen Sprungständer fabrizieren kann.

Der nächste Punkt der Tagesordnung ist der Fährgeldantrag des Ausschusses, der vorschlägt zur festen Basierung der sooft in Anspruch genommenen Fährkasse eine bestimmten Betrag (10 Pf.) als Fährgeld zu erheben. In früheren, patriarchalischeren Zeiten wäre dies nicht nötig, ja vielleicht auch nicht sehr hübsch gewesen doch sei gegenüber den sich immer mehr häufenden Massenbesuchen wildfremder Leute diese Maßnahme das einzig gegebene. Einige ängstliche Gemüter fragten, ob uns das nicht womöglich als Unternehmer einer öffentlichen Fähre klassifizieren oder gar zu Steuern verpflichten würde. Astheimer schlägt vor, der Wohltätigkeit durch diesen Tarif keine Schranken zu setzen und durch einen Zusatz darauf hinzuweisen, daß man auch über mehr sich freuen würde, was jedoch keinen Anklang findet. Der Ausschuß betont, daß sich diese Bestimmung ja vorläufig nur auf fremde Besucher auszudehnen brauche und die Eltern sich ja noch in der Schulgemeinde zu dieser Frage äußern können. Die Abstimmung ergibt 3 Stimmen gegen [den] Antrag. - Noch nachträglich werden Stimmen laut, die auf möglichst vorsichtige Formulierung dringen und schließlich wird ein Wettbewerb für den besten Wortlaut ausgeschrieben, der jedoch möglichst bald zum Austrag kommen soll.

Peter Grotjahn fragt, durch den ornithologischen Aufsatz Rolli Werneckes [angeregt], ob und inwieweit den damals allgemein anerkannten Forderungen zur Hebung des Vogelbestandes genüge getan sei. Darauf antwortet Herr Glasenapp, daß von den augenblicklich amtlich festgestellten Katzen nur eine wildere und daß er sich schweren Herzens entschlossen habe, diese, die beste Rattenvertilgerin, an Neke weiterzugeben. Auch die Eichkätzchen will Herr Lehmann auf einem möglichst geringen Bestand halten. Blume sagt bei der Gelegenheit, daß scheinbar auch unsere Haustiere nicht immer so behandelt würden wie es sich gehörte und daß er hier energisch um Schonung und Menschlichkeit bitte.

In Punkt V stellt Blume den Antrag, das Erntefest als eigentliches Fest der Schulfarm traditionell auf einen bestimmten Tag festzulegen und schlägt dazu den ersten Sonntag [im] September vor. Dann sei etwa 3 Wochen vorher für Vorbereitungen Zeit; zumal wenn es sich um handwerkliche Betätigung für eine Art von Jahrmarkt handele, müsse man jedoch schon in und vor den großen Ferien mit den Überlegungen beginnen. Der Antrag wird einstimmig angenommen.

Da es bereits 1/2 10 ist wird vorgeschlagen die mehr theoretischen beiden letzten Punkte zu vertagen. Es handelt sich um die abschließende Besprechung über das Wiedergutmachungsprinzip und um die Besprechung einiger Anregungen die Blume den pädagogischen Tagungen der letzten Woche verdankte.

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Blume erzählt nur noch von der Einrichtung des offenen Abends in Godesberg, zu dem vorher Fragestellungen eingesammelt werden, die dann, von solchen, die sich für die betreffenden Dinge interessieren und unterrichtet haben, beantwortet werden. Vielleicht ließe sich das in etwas gesellschaftlicherer Form nach Scharfenberg übertragen um dieser etwas verkümmerten Seite des Scharfenberger Lebens etwas aufzuhelfen. Eine weitere Anregung ist die einer vermehrten Arbeitsunterstützung und -richtungsgebung beim Studientag. Der Eindruck des Rückgangs der wahren Studientagsarbeit lasse sich schwerlich verleugnen. -

Unter Anregungen und Anfragen bitten Fritz und Jandt um größere Ruhe beim Musikabend. Gerhard Metz möchte eines seiner Ämter (Um-das-Haus-Wart) vertretungsweise Molo überlassen. Gegen die verfassungsmäßige Außergewöhnlichkeit des Vorgangs vergißt er zwei Präzedenzfälle, was Blume dann nachholt: in den letzten Wochen ist das Amt des einen Hühnerwarts aus den Händen Links in die Krolls übergegangen, das Amt des Ziegenwarts von Hobus zu Blobelt gewandert. Kroll bittet das Amt des Postagenten auf Peter Grotjahn, den Postboten und postalischen Geschäftsführer der Scharfenbergschule zu übertragen.

Die Abendaussprache wird beschlossen durch ein Klavierstück von C. M. v. Weber. Thema Introduktion und Variationen.

H. Jaesrich.


Anmerkungen::

Anm. 1:
S. Protokoll der im Juni 1924 stattfindenden 8. Schulgemeinde in: Berlin, LA, SIS: CH, V, S. 20: "Für das Baden sind jetzt verschärft Sicherheitsmaßnahmen getroffen. Es wird nur gemeinsam und in Anwesenheit der sogenannten 'Wapo' gebadet, drei gewählten Schülern, die besonders im Schwimmen geübt sind."

Anm. 2:
Hier fehlt wohl ein Satzteil.



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