Protokoll der 51. Abendaussprache


Quelle: Berlin, Landesarchiv: Rep. 140, Acc. 4573: Schulfarm Insel Scharfenberg: Chronik der Schulfarm Insel Scharfenberg, Bd. V, S. 89f.

[Datum: , ......1924 - Protokollant: Wilhelm Blume]


[...]. Herr Bandmann stellt in der 51. Abendaussprache den Antrag, in Tegel mit eige-

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nen Kräften 2 Singspiele zu spielen; vielleicht könne man das mit dem vom Uraniadirektor geplanten "Vortrag zu Gunsten der Scharfenbergschule" verbinden; die Reparatur der Fähre erfordere Geld. Nur müsse die Gemeinschaft dazu ihre Zustimmung geben, daß eine Dame für die Sopranstimme dazugebeten werde; W. Schramm fragt, ob das gleich öffentlich sein müsse, on man's nicht erst einmal unter uns in kleinerem Kreis probieren könne. Herr Bandmann erwidert, dazu werde sich die Dame des vielen Übens wegen nicht verstehen. "Dann soll sie uns gestohlen bleiben", lautet ein Zwischenruf. Es kommt zu ziemlich scharfen Auseinandersetzungen zwischen W. Grundschöttel und G. Metz über den Wert der Oper als Kunstwerk. Herr Wolff kann sich des Eindrucks nicht erwehren, als ob zu viel "Aufmachung" bei dem ganzen Plan sei; er sei nicht organisch gewachsen, sondern vom Zaun gebrochen. In der Abstimmung wird mit knapper Majorität die Erlaubnis, eine Dame zu einer Singspiel-Aufführung in Tegel heranzuziehen, nicht erteilt. W. Schramm betont darauf, daß sich die Sänger dadurch nicht etwa davon abbringen lassen sollen, innerhalb der Gemeinschaft ihre Stimmen erschallen zu lassen; man habe sich nur gegen die Verstiegenheit der Absichten gewandt.

Man wird sich in derselben Aussprache schlüssig über die aus der ausgelegten Vorschlagsliste auszuwählenden Bücher für die Scharfenbergbibliothek, für die die Stadt aus einer Sonderbewilligung Geld ausgeworfen hat. Man will einmal die Interessen der jüngeren Kameraden aus der Aufbauabteilung berücksichtigt wissen, hat von diesem Gesichtspunkt nichts einzuwenden gegen den vielfach gewünschten Kampf um Rom [Anm. 1] oder A. Fürsts die Welt auf Schienen [Anm. 2], möchte zweitens aber die Kursinteressen berücksichtigt sehen; so entscheidet man sich für Haeckels Welträtsel in der gr. Ausgabe [Anm. 3], für Kahr, der Mensch [Anm. 4], für Wendland, die hellenistisch-römische Kultur [Anm. 5], für eine fremdsprachliche Abteilung mit französischen Balzac- und Maupassantbändchen; für Stephan Georges Gedichte auf Wunsch des Deutschkurses. Die Majorität lehnt rein belletristische Literatur ab; nur Bruno Willes Abendburg [Anm. 6] läßt man passieren. Die Begründung der neusprachlichen Abteilung ist von Helmut Jaesrich durchgedrückt.


Anmerkungen::

Anm. 1:
DAHN, Felix, Ein Kampf um Rom. Historischer Roman, 3 Bde. 113.-125. Aufl., Leipzig 1920.

Anm. 2:
FÜRST, Artur, Die Welt auf Schienen. Eine Darstellung der Einrichtungen und des Betriebs auf den Eisenbahnen des Fernverkehrs. Nebst einer Geschichte der Eisenbahn, München 1918 [3. Aufl. ebd. 1925.].

Anm. 3:
HAECKEL, Ernst, Die Welträtsel. Gemeinverständliche Studien über die monistische Philosophie, 13. Aufl. d. Hauptausgabe Leipzig 1922.

Anm. 4:
...

Anm. 5:
WENDLAND, Paul, Die hellenistisch-römische Kultur in ihren Beziehungen zu Judentum und Christentum. Die urchristlichen Literaturformen, 2. und 3. Aufl. Tübingen 1912.

Anm. 6:
WILLE, Bruno, Die Abendburg. Chronika eines Goldsuchers in 12 Abenteuern, 34.-38. Tsd. Jena 1923.



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