Protokoll der 44. Abendaussprache [Anm. 1]


Quelle: Berlin, Landesarchiv: Rep. 140, Acc. 4573: Schulfarm Insel Scharfenberg: Chronik der Schulfarm Insel Scharfenberg, Bd. IV, S. 89f.

[Datum: Do, 13.03.1924 - Protokollant: Peter Grotjahn]


Als einziger Punkt stand auf der Tagesordnung die Beratung über einen von vielen unterzeichneten Dringlichkeitsantrag, der darauf ausging, derartige geschlossene Gesellschaften, wie die am vorigen Abend veranstaltete, künftighin zu unterlassen. Als Vertreter der Antragsteller erklärte Schramm, daß ihm ungünstig aufgefallen sei, daß der vergangene Abend offenbar aus Opposition gegen die abendlichen Zusammenkünfte des Deutschkurses ins Leben gerufen sei. Ein gutes Zeichen sei es aber nicht, wenn immer noch Teile der Gemeinschaft nicht ruhig mitansehen könnten, daß einzelne bisweilen etwas Besonderes unternähmen. Wernecke wandte sich entschieden gegen die Ansicht, daß der Veranstaltung irgend eine Tendenz zugrunde gelegen hätte. Frey betonte, daß er die bei derartigen Abenden getroffene Auswahl für verkehrt hielte. In diesem Falle sei es keine reine Kursveranstaltung gewesen, sondern eine Anzahl Gäste geladen worden, sodaß sich die Nichtgeladenen zurückgesetzt fühlen mußten. Bandmann empfahl darauf, nicht soviel Worte über das Vergangene zu verlieren, sondern an zukünftige Fälle zu denken, da die aufgeworfene Frage doch von großer Bedeutung sei; denn anscheinend bestehe doch ein Bedürfnis nach solchen gemütlichen Abenden. Zur Aufklärung über die inzwischen schon mehrmals erwähnten Deutschkursabende, sagte Blume, daß zwischen ihnen und den künstlich geschlossenen Gesellschaften ein wesentlicher Unterschied bestände. Die einen schlössen sich unmittelbar an den Unterricht

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an, und nur zur Unterscheidung vom Unterricht nähmen sie geselligere Formen an. Wenn daraus die Anregung entspränge, etwas Gleiches in[s] Leben zu rufen, sei auch sein Wunsch erfüllt. Nur sähe man ja, daß die gestrige Gesellschaft böses Blut gemacht habe, da die Zurückgesetzten annehmen müßten, man wünsche ihre Gesellschaft nicht. - Darauf wurde von verschiedenen Seiten auf die Arbeitsgemeinschaft verwiesen, in denen sich naturgemäß nur eine kleinere Gruppe zusammenschließen würde. Bei Arbeitsgemeinschaften würden die Uninteressierten und auch die Ruhestörer, deretwegen eine Zensur ja nur benötigt würde, von selbst fernbleiben. Durch Abstimmung wurde beschlosssen, Abendveranstaltungen, die einen allgemeineren Charakter trügen, für alle zugänglich zu machen (20:17), da sie andernfalls eine Gefahr für das Gemeinschaftsleben bedeuteten, statt es zu fördern.

P. Grotjahn.


Anmerkungen::

Anm. 1:
Originaltitel: "Protokoll der einstündigen Abendaussprache am 13. März 1924, nachmittags: 6 Uhr".

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